US-Golfkriegsverweigerer vor Gericht

JUST SAY NO

von Beate Roggenbuck

„Just say no“ - so lautete die Aufforderung vieler Friedensbewegter an die hier stationierten GIs, die wegen der „Operation Desert Shield / Storm“ nach Saudi Arabien verlegt werden sollten. Wir haben vor den Kasernen Mahnwachen gehalten und auf unseren Transparenten die Soldaten zum Nach- und Umdenken aufgefordert. Und tatsächlich: ei­nige von ihnen sind nicht gegangen, weil sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren konnten und weil auch für sie die reale Möglichkeit Krieg trotz Berufssoldatentum nicht denkbar war.

Sie stellten einen Antrag auf Kriegs­dienstverweigerung. Weil der aber im Krisenfall keine aufschiebende Wirkung hat, entzogen sich einige durch Verlas­sen der Truppe der Verlegung (sog. awol = absent without leave). Das Mili­tary Counseling Network (MCN)- die zivile Beratungsorganisation für US-Soldaten in der BRD - vermutet, daß sich an die hundert Soldaten aus Ge­wissensgründen unerlaubt von der Truppe entfernt haben. Mehr als 1000 Anfragen beim MCN während der Golfkrise zeigen die Gewissensnot vieler Soldaten beim Marschbefehl nach Saudi Arabien.

Und während das offizielle Amerika seinen Triumpf mit Konfettiparaden feiert, stehen die ersten Golfkriegsver­weigerer, die sich ihren Einheiten nach Ende des Krieges stellten, hier vor den US-Militärgerichten, angeklagt wegen Desertion und anderer Delikte. Bisher wurden sieben awol-Soldaten zu Haft­strafen zwischen vier und siebenund­zwanzig Monaten verurteilt.

Schwerer als die Gefängnisstrafen selbst wiegt wohl die unehrenhafte Entlassung, womit die Soldaten und Soldatinnen nicht nur die bisher erworbenen Pensi­onsansprüche verlieren, sondern bei künftigen Bewerbungen in den USA er­hebliche Nachteile in Kauf nehmen müssen. Janice Hill, MCN-Beraterin: In den den USA herrscht eine Stim­mung wie nach einem Sieg in der Weltmei­sterschaft. Wegen dieser politi­schen Lage werden Soldaten, die aus Gewis­sensgründen nicht mitkämpfen und töten konnten, jetzt scharf be­straft...ö Selbst im Vietnamkrieg und während der Panamainvasion wurde die Anklage Desertion selten erhoben. Jetzt, nach diesem Triumpf der US-Armee gegen den Irak, scheint das Vietnam­trauma überwunden und diejenigen, die durch ihre Verweigerung den Krieg und seine angebliche Berechtigung hinter­fragten, werden empfindlich bestraft.

Um den angeklagten GIs juristisch bei­stehen zu können, hat das MCN vor ei­nigen Monaten ein Rechtshilfeprojekt  gegründet, in dem amerikanische Rechtsanwälte mitarbeiten. Die New Yorker Anwältin Clare Overlander schloß für mehrere Monate ihre Praxis, um die GIs zu betreuen.

Und das kostet Geld. Die Büro-, Verfah­rens- und evtl. Revisionskosten plus die  Bezahlung von zwei Mitarbeitern über­fordert das MCN-Konto permanent, so­daß  dringend um Spenden gebeten wird. Die momentan wichtigste Unter­stützung für die angeklagten Soldaten ist die Sicherstellung der Hilfe durch kom­petenten Rechtsbeistand. Gerade die Frauen und Männer, die sich zur Kriegs­dienstverweigerung unter diesen extrem belastenden Umständen ent­schieden  und eine für ihr weiteres Le­ben äußerst folgenreiche Entscheidung getroffen ha­ben, dürfen nicht allein ge­lassen wer­den.

Glücklicherweise kommt es bei den awol-Soldaten nicht immer zur Anklage. Mike Ehrlich, MCN-Mitarbeiter, be­richtet von vier awol-Soldaten, die ohne Verfahren entlassen wurden. Sechs wei­tere vom MCN betreute Soldaten, die während des Golfkriegs verweiger­ten, wurden inzwischen anerkannt.

Wie unterschiedlich die Behandlung sein kann, zeigt auch der Fall Eric Lar­sen. An Eric, einem der artikuliertesten und populärsten Golfkriegsverweigerer, der durch seine engagierte Rede bei der Anti-Golfkriegdemo am 24.11.90 in Bonn bekannt wurde, soll wohl ein Ex­empel statuiert werden. Ihm wird De­sertion in Kriegszeiten vorgewor­fen, eine Anklage, die rein rechtlich die To­desstrafe zuläßt. (siehe auch Post­karten-Kampagne, die alle Friedens­Forum-Be­zieherInnen bekommen ha­ben). Glückli­cherweise gibt es inzwi­schen eine breite Unterstützungskampa­gne in den USA für Eric.

Zur weiteren Untersttzung der inhaf­tierten Soldaten plant das MCN eine  Brief-Solidaritötsaktion an die inhaf­tierten Soldaten.

Nähere Informationen beim MCN, c/o Rebekah Truemper, Furtbach­str.10, 7000 Stuttgart 1.

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Beate Roggenbuck ist Mediatorin BM, Trainerin und war Vorstandsmitglied von „Den Krieg überleben“ von 1994 – 2002.