KDVer und Deserteure in Kroatien

von Franz Nadler
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

In der neusten Ausgabe des Rundbriefes des "Arbeitskreises Kriegsdienstverweigerung im Krieg der DFG/VK" kommentiert Franz Nadler den Artikel von Zoran Ostric "Das `Gesetz zur Vergebung` und die Deserteure in Kroatien, der wiederum im letzten FriedensForum zu finden war. Wir dokumentieren den Beitrag von Franz Nadler im Wortlaut:

"Zoran Ostric von der Anti-Kriegskam­pagne in Kroatien richtet an die geflo­henen KDVer, Deserteure und Fahnen­flüchtigen die Aufforderung, nach Kroatien zurückzukehren und sich dort in die demokratische und Antikriegsbe­wegung einzureihen.

Woche für Woche gehen bei uns Anfra­gen von (noch) in der BRD lebenden kroatischen Deserteuren ein und immer haben sie eine zentrale Frage: "Warum kann ich nicht in der BRD bleiben? Bin ich sicher, wenn ich zurückkehre?" Bei dem einen ist das Elternhaus zerschos­sen, Verwandte hat er keine mehr; ein anderer ist mit einer "Serbin" verheira­tet; wieder ein anderer wäre "als Kroate" bereit, in der kroatischen Armee zu die­nen, aber "nicht auf fremden Boden"; weitere haben antinationalistische Grün­de, sind Humanisten, Pazifisten etc. pp.

Bei allen läuft die Duldung ab. Wenn sie nicht freiwillig gehen, werden sie unter Zwang abgeschoben. Wir können oftmals nichts anderes tun, als das, was Zoran von uns fordert, nämlich die "Vorbereitung auf die Rückkehr". Wir haben noch keinen getroffen, wo wir guten Gewissens die Bedenken gegen eine Rückkehr hätten zerstreuen können. "Ironischerweise" stammen viele der von uns vorgebrachten Fakten von der Antikriegskampagne: Der Krieg ist nicht wirklich beendet. Die kroatische Regierung sagt selbst, daß etwa ein Drittel des Landes "besetzt" sind. "Frei­willige" der kroatischen Armee sind in Bosnien-Herzegowina im Kriegseinsatz. Auch wenn man sich an­gesichts von hunderttausend "Deserteuren" nicht in der Lage sieht, sie vor Gericht zu stellen - das ist der wahre Grund für die "Am­nestie" - so kann doch im Einzelfall eine Verurtei­lung nicht ausgeschlossen wer­den. So­gar sehr wahrscheinlich ist eine erneute Einberufung in die Armee und leider deutet alles darauf hin, daß man dort durchaus weiß, wie man "Verräter" zu behandeln hat. Welche Macht die Ar­mee Kroatiens hat, zeigt sich nicht zu­letzt daran, daß der Staat nicht in der Lage ist, gegen die von seiner Armee begangenen Verbrechen vorzugehen. In Kroatien gibt es kein Recht auf Kriegs­dienstverweigerung, sondern lediglich ein "Recht auf Zivildienst". Wie das kroatische Verfassungsgericht gerade geurteilt hat, wird dieser Ersatzdienst "in der Regel in der Armee" abgeleistet - `Seit an Seit' mit den Soldaten, nur ist er halt erheblich länger. Mittlerweile wissen wir von mehr als einem halben Dutzend Fahndungsanzeigen gegen "De­serteure und Verräter". Aber auch Zoran zählt in seinem Artikel "Ergänzung ..." insgesamt 5 Kategorien von Flüchtlin­gen auf, die "gute Gründe haben, eine Bestrafung zu befürchten". Fast alle treffen auf KDVer zu.

Auch wenn, wie Zoran schreibt, die de­mokratische Bewegung im Anwachsen ist, so sind es doch nur wenige, die dem allgemeinen Trend widerstehen. Daß der Druck gegen die Aktiven manchmal schier unerträglich ist, schreibt er auch und er weiß es aus eigener Erfahrung. Andere wider ihren Willen in eine eben­solche Situation zu zwingen, halte ich allerdings für vollkommen indiskutabel. Auch ist es äußerst unwahrscheinlich, daß sich diese dann "für die gemein­same Sache" engagieren werden. Wir haben keine "eigenen Leute", über die wir verfügen könnten.

Die Auseinandersetzung mit Zoran ist aber nicht nur ein Meinungsstreit. Als die DFG/VK Bayern bei der deutschen Botschaft in Zagreb Informationen zur Situation der KDVer anforderte, bekam sie als Antwort einfach einen Stapel Ar­tikel von Zoran (die zum Großteil hier abgedruckt sind). "Ironischerweise", würde der Europaabgeordnete Franck sagen, "liefert Zoran Ostric, Mitarbeiter des 'Internationalen Deserteursnetz­werk', der Bundesregierung die Argu­mente, daß KDVer und Deserteure ab­geschoben werden - und wir können weder deren Schutz vor Bestrafung, noch vor einer erneuten Einberufung si­cherstellen."

Ausgabe

Rubrik

Krisen und Kriege