Die Arbeit der Friedensnobelpreisträgerin Wangari Macithai zeigt den engen Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Menschenrechten

KENIA: Grün ist die Hoffnung

von Birgit Michaelis

Eine akute Hungersnot in Teilen Kenias bedroht zehn Prozent der Bevölkerung mit dem Tod. Ausbleibende Regenfälle führen wegen der Marginalisierung einzelner Ethnien zunehmend zu gewaltsamen Konflikten um die Verteilung von Nahrungsmitteln und den Zugang zu sauberem Trinkwasser. Wangari Maathai, stellvertretende Umweltministerin in Kenia, hatte sich stets für den gleichen Zugang zu natürlichen Ressourcen als Voraussetzung für Konfliktprävention eingesetzt und erhielt für ihr langjähriges Engagement im Dezember vorigen Jahres den Friedensnobelpreis. In der Begründung des Nobelpreiskomitees heißt es, Wangari Maathai habe einen gesamtheitlichen Zugang zur nachhaltigen Entwicklung gewählt, der Demokratie, Menschenrechte und insbesondere Frauenrechte umfasst. Damit wird erstmals in der Geschichte des Preises der Zusammenhang zwischen Entwicklung, Frieden und Demokratie gewürdigt.

Traditionelle Brennstoffe wie Feuerholz und Holzkohle stellen für die meisten Bewohner Afrikas die hauptsächlich genutzten Primärenergieträger dar. Dies hat dazu geführt, dass heute nur noch 1, 7 Prozent der Fläche Kenias bewaldet ist, rund drei Viertel des Landes besteht aus Wüste, Halbwüste und Trockensavanne.  Die zunehmende Abholzung der Wälder begünstigt Bodenerosion und gefährdet wichtige Wassereinzugsgebiete. Wasserkraft stellt zudem eine wichtige Energieressource dar, mehr als 50 Prozent des Energiebedarfs wird aus Mangel an Rohstoffen aus Wasser-kraft bestritten. Lediglich 1,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen werden bewässert. Ausbleibende Regenfälle und Dürre haben regelmäßig Hungersnöte zur Folge. Im letzten Jahr war Kenia auf Hilfslieferungen im Wert von 100 Millionen US-Dollar aus dem Welternährungsprogramm der UNO angewiesen.
Bei ihren Forschungsreisen Anfang der siebziger Jahre wurde die Professorin für Veterinärmedizin mit den Problemen der Landbevölkerung konfrontiert: die Abholzung war teilweise so weit fortgeschritten, dass die Frauen Kilometer laufen mussten, um Brennholz und Holz zum Hauen von Viehgattern und Häusern zu beschaffen. Unterernährung und Krankheiten waren auf dem Vormarsch. 1977 gründete Wangari Maathaf das »Green Belt Movernent«, eine Initiative zur Wiederaufforstung Kenias. Im laufe der Jahre entstand daraus eine panafrikanische Bewegung, die inzwischen in 13 Ländern aktiv ist, etwa 600 Baumschulen gegründet und 30 Millionen Bäume gepflanzt hat.
Die breite Basis des Green Belt Movements waren zunächst ausschließlich Frauengruppen, die Baumsetzlinge heranzogen, um sie anschließend auf öffentlichen Flächen auszupflanzen. In Schulungen wurde der Zusammenhang zwischen Umwelt, Verbesserung der Ernährungslage und Gesundheit aufgezeigt. Die Frauen entwickelten dadurch ein Bürgerbewusstsein und begannen vieles in Frage zu stellen, sei es die Kontrolle, die ihre Ehemänner über sie ausübten oder die Herrschaft des autokratischen Präsidenten Daniel arap Moi. Die Arbeit des Green Belt Movements wurde von internationalen Hilfsorganisationen, der UNO und durch Spenden finanziert, was den Frauen ein eigenes Einkommen ermöglichte und ihre Selbstständigkeit förderte. So werden sie z.B. in die Lage versetzt, eine kleine Näherei oder eine Bäckerei zu eröffnen.
Wurde die Arbeit des Green Belt Movements in den achtziger Jahren noch als die verrückter Frauen abgetan, änderte sich die Situation mit Beginn der neunziger Jahre. Das Moi-Regime nahm zunehmend autoritärere und repressivere Züge an .. Trotz der Einführung eines Mehrparteiensystems im Jahr 1991 zielte die Regierungspolitik der KANU (Kenya African National Union) darauf ab, Kritiker mundtot zu machen. Nicht nur Oppositionspolitiker und ihre Anhänger, sondern auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten wurden zunehmend schikaniert. Wer versuchte, in Kenia seine Vorstellungen von einer besseren Gesellschaft zu verwirklichen, sah sich durch Gesetze und Willkür in seinen grundlegenden Menschenrechten verletzt. Eingeschränkt wurden u.a. die Meinungsfreiheit sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Folter und Tötungen durch die Polizei waren weit verbreitet.( ... ) Angesichts der Schwäche der parteipolitischen Opposition hatten Nichtregierungsorganisationen deren Rolle als Herausforderer der Regierung übernommen und damit an Popularität gewonnen. Sie konnten daher besonders auf dem Land eine alternative Legitimität als Vertreter von Bevölkerungsinteressen beanspruchen.
Wangari Maathai wurde insgesamt zwölf Mal verhaftet, zu Hause bespitzelt und auf der Straße verfolgt. Bei jeder Festnahme, bei jeder körperlichen Attacke und bei jedem Tränengasangriff wusste sie nie, wie weit die Polizei gehen würde. Amnesty international hat sich mit insgesamt vier Aktionen in den neunziger Jahren für die Umweltaktivistin eingesetzt. Das politische Engagement der heute 65-Jährigen hat maßgeblich zur Entstehung einer selbstbewussten und kritischen Zivilgesellschaft in Kenia beigetragen, ohne die der demokratische Wechsel nicht ohne weiteres möglich gewesen wäre. Im Wahljahr 2002 gewann die oppositionelle NARC (National Rainbow Coalition) zwei Drittel der Parlamentssitze. Der demokratische und friedliche Machtwechsel in Kenia galt als beispielgebend für ganz Afrika. Wangari Maathai wurde mit überwältigender Mehrheit als erste grüne Politikerin Kenias ins Parlament gewählt. Präsident Kibaki ernannte sie zur stellvertretenden Ministerin für Umwelt und natürliche Ressourcen. Die Vergabe von Ministerposten an ehemalige Dissidenten war ein wichtiges Signal für den Demokratisierungsprozess in Kenia.
Heute, mehr als zwei Jahre nach dem Machtwechsel, fällt die Bilanz der NARC-Regierung eher ernüchternd aus. Die hohen Erwartungen der Bevölkerung und auch des Auslands werden durch immer wieder neue Korruptionsskandale enttäuscht. Der Verfassungsreformprozess kommt nicht voran. Demonstrationen für eine neue, demokratischere Verfassung wurden gewaltsam aufgelöst, wobei Polizisten tödliche Schüsse abgaben. Protesten gegen die »Suppression of Terrorism Bill« wurde ebenfalls mit Gewalt begegnet.
Reformmaßnahmen bei der Polizei waren nicht erfolgreich, willkürliche Verhaftungen und Folter sind weiterhin weit verbreitet. Das Spektrum der Opfer hat sich jedoch verändert: statt Oppositioneller oder Menschenrechtsverteidiger werden nun gewöhnliche Untersuchungsgefangene und Gefängnisinsassen gefoltert.

aus: amnestyjourna/Juni 2005

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Birgit Michaelis ist Sprecherin der Kenia-Kogruppe von ai.