Buchhinweis

Konfliktbearbeitung in der Nachbarschaft

von Outi Arajärvi
Hintergrund
Hintergrund

Der Bund für Soziale Verteidigung hat gemeinsam mit der Stiftung Mitarbeit eine Publikation erarbeitet, die - wie schon 2008 in der ersten Auflage - einige Beispiele von guter Praxis von gewaltfreier Konfliktbearbeitung auf lokaler Ebene vorstellt. In dem Buch werden Beispiele aus Deutschland, der Slowakei, Bosnien und Herzegowina, Indien und den USA vorgestellt. In allen Fällen haben sich Menschen und Initiativen auf dem Weg gemacht, die Probleme, die sie vor Ort vorfanden, gemeinsam mit den Betroffenen zu bearbeiten. Es ist ermutigend, wie viele innovative und erfolgreiche Ansätze es weltweit gibt, um konstruktiv mit Konflikten umzugehen.
Die Beispiele zeigen, dass die Situationen, die Hintergründe der Konflikte und natürlich der gesellschaftliche Kontext in allen Fällen sehr unterschiedlich sind. Dennoch gibt es gemeinsame Merkmale in den Konzepten und Ansätzen konstruktiver Konfliktbearbeitung. Alle Beiträge betonen, dass die Friedensprozesse von den Akteur*innen vor Ort getragen werden müssen. Die lokalen Initiator*innen oder die externen Expert*innen müssen tragfähige Beziehungen zu allen Beteiligten eines Konflikts aufbauen, damit diese bereit sind, sich an dem Prozess der Bearbeitung zu beteiligen.

Das kann bedeuten, einen Runden Tisch in einem Stadtteil zu initiieren, bei dem sich alle repräsentativen Gruppen aktiv und langfristig am friedlichen Zusammenleben der diversen Gruppen beteiligen, wie in einem Stadtteil in Hamburg. Oder es kann bedeuten, einen Prozess der Konsensbildung zu organisieren, bei dem sich die Einwohner*innen mehrerer Dörfer in Indien und anderen südasiatischen Ländern darauf einigen, Feiern oder Anlässe zu organisieren, die trotz aller Gräben (Kasten, Religionen …) Teil des gemeinsamen kulturellen Erbes in der Region sind, um so tragfähige Beziehungen untereinander aufzubauen. In der Ost-Slowakei engagierten sich lokale Aktivist*innen, um in den Roma-Communities in vier Dörfern Prozesse der Selbstorganisation zu stärken. Auch in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien kann es gelingen, Misstrauen und Feindseligkeiten zu überwinden, wenn man anfängt, allen Opfern des Bürgerkrieges zu gedenken, anstatt nur derer der eigenen ethnischen Gruppe. Nach der Ermordung von George Floyd in Minneapolis bildet eine Organisation lokale Freiwillige zu Sicherheitskräften als eine Alternative zur Polizei aus. In Deutschland gibt es schon länger Organisationen, die Kommunen beraten, die Unterstützung brauchen, um Konflikte in der Stadtgesellschaft zu lösen. Auch hier wird an die lokalen Ressourcen und Kapazitäten angeknüpft, und die Aufgabe der externen Berater*innen ist vor allem, Vertrauen in den Konfliktbearbeitungsprozess zu schaffen und einen Perspektivwechsel zu ermöglichen, sowie den Akteur*innen die Wirkungen ihrer Handlungen und Haltung zu spiegeln. Das können z.B. auch Kulturdolmetscher*innen sein, die zwischen Migrant*innen und der Mehrheitsbevölkerung Brücken bauen.

Alle Autor*innen betonen, wie wichtig Vertrauen, Beziehungsaufbau und Dialog in der Arbeit sind. Dazu gehören auch eine sorgfältige Konfliktanalyse und die Anerkennung verschiedener kultureller Hintergründe. Der Erfolgsfaktor der lokalen Konfliktbearbeitung ist die kontinuierliche, ehrliche und empathische Zusammenarbeit zwischen allen Bevölkerungsgruppen, die in der Lage ist, gegenseitiges Misstrauen abzubauen und Vertrauen zu schaffen. Offenheit und Interesse prägen diese Prozesse.

Die Beispiele zeigen, dass Konfliktbearbeitung zumeist einen langen Atem braucht. Gerade komplexe kommunale Konflikte brauchen Zeit, damit sie konstruktiv ausgetragen und die Akteur*innen auch über die Jahre der Umsetzung und trotz Rückschlägen motiviert und unterstützt werden können. Letztlich können nur langfristige Prozesse die notwendige Transparenz sowie die Beteiligung und das Engagement der Bürger*innen garantieren.

Outi Arajärvi und Christine Schweitzer (Hrsg.) (2021): Konfliktbearbeitung in der Nachbarschaft. Impulse für ein friedliches Miteinander vor Ort. Bonn: Stiftung Mitarbeit, 118 S.

Der Beitrag erschien erstmalig im Rundbrief des BSV 2-3/2021.

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Outi Arajärvi arbeitet zum Thema Migration im Bereich Bildung und Forschung und ist Ko-Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung.