"Krieg ist kein Spiel!"

von Ulrike Laubenthal

Anfang des Jahres 2003 rief die Kampagne "resist - sich dem Irakkrieg widersetzen" zu einem "Set" von Aktionen, mit denen auf die Gewährung von Überflugrechten (Sitzblockaden vor dem Verteidigungsministerium und vor der Airbase Frankfurt/Main), auf die geplanten AWACS-Einsätze der Bundeswehr (Sitzblockade in Geilenkirchen) und auf die Kriegsvorbereitungen der US-Armee auf deutschem Boden (Go-In am Truppenübungsplatz Grafenwöhr) hingewiesen werden sollte.

Die Aktion in Grafenwöhr bekam eine besondere Bedeutung dadurch, dass just zu dem geplanten Zeitpunkt des Go-Ins die US-Armee auf dem bayerischen Truppenübungsplatz die "Generalprobe" für die Irak-Invasion durchführte. Unter der Leitung von General William Wallace, so hieß es in einer Meldung der US-Soldatenzeitung "Stars and Stripes", solllten dort ca. 1000 Offiziere der an der späteren Irak-Invasion beteiligten Einheiten zusammenkommen, um in einer großangelegten Computersimulation den Angriff auf den Irak zu üben. Auch hohe Offiziere von Marine und Luftwaffe sowie der Kommandant des US Central Command, General Tommy Franks, waren angekündigt.

Am Truppenübungsplatz Grafenwöhr war von den angereisten Generälen erwartungsgemäß wenig zu sehen, als am 1. Februar ca. 150 auswärtige und einheimische DemonstrantInnen an der Panzerschießbahn in der Nähe des Weilers Nitzlbuch eine Kundgebung abhielten. Mit ihren ca. 200 Quadratkilometern ist die "Grafenwoehr Training Area" der größte US-Truppenübungsplatz in Europa. Das geplante Bundeswehr-Bombodrom in der Wittstock-Kyritz-Neuruppiner Heide rückt ja zur Zeit stärker ins Rampenlicht der friedensbewegten Öffentlichkeit - der Truppenübungsplatz in Grafenwöhr, für den massive Ausbaupläne vorliegen, würde ein solches Interesse ebenfalls verdienen.

Die Schießbahn in Nitzlbuch wurde noch am 30. Januar für Panzer-Schießübungen genutzt; am 1. Februar fand dort kein Übungsbetrieb statt. Wo genau in dem Gelände - ein Areal, größer als die Stadt Nürnberg mit sämtlichen Vororten - die Generäle ihre Computersimulation durchführten, war nicht herauszufinden.

  Die Kundgebung in Nitzlbuch war ein Beispiel für eine gelungene Kooperation von örtlichen Initiativen und einer bundesweiten Kampagne. Josef Geyer vom "Bürgerforum Umwelt und Truppenübungsplatz e. V." wies in einer Rede auf die Beeinträchtigungen hin, die der Truppenübungsplatz für die Region mit sich bringt: Schießlärm, Umweltverschmutzung und Trinkwasserverseuchung durch Munitionsrückstände. Nur gerüchteweise sei etwas über einen Giftgasunfall innerhalb des Übungsgeländes verlautet, die Bevölkerung werde darüber nicht offiziell informiert. Neben den "Kollateralschäden" des Übungsbetriebes kritisierte Geyer auch scharf den Zweck der Übungen: die verbotene Vorbereitung eines Angriffskrieges. Christoph Bautz von der Kampagne "resist-sich dem Irak-Krieg widersetzen" verlas die Forderungen der Kampagne an Bundesverteidigungsminister Struck:  
      Keine Beteiligung deutscher Soldaten an AWACS-Einsätzen der NATO im Falle eines Krieges. Die Zielzuweisung der AWACS-Aufklärer an bombardierende Flugzeuge stellt eine aktive Kriegsbeteiligung Deutschlands dar!
 
 
      Deutschland muss mit Franzosen, Russen und Briten gemeinsam auf eine weitere UN-Resolution drängen. Die Resolution 1441 ermächtigt nicht zu einem Krieg.  
      Ein Nein Deutschlands zu einem Krieg im UN-Sicherheitsrat.  
      Abzug sämtlicher Bundeswehrtruppen aus der Golfregion.  
      Untersagung von Überflugrechten und Nutzung von Militärbasen auf deutschem Staatsgebiet im Falle eines Irak-Krieges.  
    Im Anschluss an die Kundgebung machten sich ca. 40 Personen auf den Weg zur Panzerschießbahn. Sie trugen Plakate mit Fotos von irakischen Kindern mit sich, um den übenden SoldatInnen und OffizierInnen bewusst zu machen, dass es sich beim Krieg gegen den Irak nicht um ein Computerspiel handelt, sondern um einen Angriff auf ein Land, in dem Menschen leben.

Obwohl das symbolische, auf 15 Minuten begrenzte Go-In bereits im Vorfeld offen angekündigt worden war, machten die anwesenden Polizeikräfte keinen ernsthaften Versuch, das Betreten des Geländes zu behindern. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie das Go-In lieber an der gut überschaubaren, an den Kundgebungsort angrenzenden Panzerschießbahn haben wollten als im unübersichtlichen Gelände rundum. Zwei Personen scheiterten an der für einen Rollstuhl etwas zu niedrigen Schranke (die trotz Antidiskriminierungsgesetz nicht für sie geöffnet wurde). Alle anderen AktionsteilnehmerInnen konnten das Gelände unbehindert betreten - sehr zur Freude der draußen verbliebenen ZuschauerInnen.

Kaum waren wir mit unseren Fotos innerhalb des Geländes, fuhren auf der Panzerstraße Polizeibusse heran, und wir wurden von PolizistInnen umzingelt. Als wir nach den angekündigten 15 Minuten das Gelände wieder verlassen wollten, forderte uns die Polizei auf, noch zu bleiben, da noch nicht entschieden sei, was nun weiter mit uns geschehen solle. So verlängerten wir unser symbolisches Go-In so lange, bis (so scheint es) die US-Armee entschieden hatte, Strafantrag wegen Hausfriedensbruch zu stellen. Nach Aufnahme unserer Personalien konnten wir wieder gehen.

Viele der Menschen, mit denen wir in der Region vor der Aktion in Kontakt waren, hatten Bedenken geäußert, ob nicht mit einem Go-In eher ein schädliches Echo in der Öffentlichkeit hervorgerufen wurde. In der Oberpfalz sind die Bilder von den Auseinandersetzungen in Wackersdorf noch sehr präsent, und viele konnten sich einfach nicht vorstellen, dass man den Truppenübungsplatz betreten kann, ohne sich dazu in ein Gezerre und Gerangel mit der Polizei zu begeben. So war es dann für manche durchaus eine neue Erfahrung, als wir ruhig, entschlossen und friedlich in den Truppenübungsplatz hineingingen. Die Überlegung, dass ja vielleicht öfter mal Menschen aus ganz Deutschland zum Demonstrieren nach Grafenwöhr kommen sollten, wurde bei der Kundgebung mit spontanem Applaus bedacht. Erfolgreich war die Aktion auch in der Hinsicht, dass bundesweit in Hörfunk und Fernsehen über das Go-In und über die Kriegsübung in Grafenwöhr berichtet wurde.

Keine vier Wochen nach der Aktion begannen bei den am Go-In Beteiligten Ladungen zur polizeilichen Vernehmung einzutreffen: Die Polizei in Amberg hatte Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruch eingeleitet. Ein Hausfriedensbruch, der auf Verlangen der Polizei fortgesetzt werden muss, wäre sicherlich ein Novum in der Rechtsgeschichte, selbst in Bayern. Vielleicht liegt es ja daran, dass bisher noch keine weiteren juristischen Schritte gefolgt sind. Allerdings wurden die Verfahren bisher auch nicht eingestellt. Für die Betroffenen ist es deshalb weiterhin wichtig, dass sie sich für den Fall einer Verfolgung auf die Solidarität der Friedensbewegung verlassen können.

Kontakt vor Ort: Bürgerinitiative Nitzlbuch, c/o Joseph Geyer, Tel.: 09643/4286

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Initiativen
Ulrike Laubenthal betreibt in Zempow am Rande des ehemaligen Bombodroms die "Sichelschmiede - Werkstatt für Friedensarbeit in der Kyritz-Ruppiner Heide" (www.sichelschmiede.org). Sie ist seit den 1980er Jahren in der Friedensbewegung aktiv.