Militaristen kündigen Polizeigewalt gegen Friedensaktivisten an

Kriegsverbrecherehrung in den bayerischen Alpen

von Ulrich Sander

„Man kann es sich bestens vorstellen: Gewaltbereite, wie weiland bei den Chaostagen in Hannover oder am 1. Mai in Berlin zwingen die Polizei zum Einsatz; Bilder von bayerischen Polizisten, die in der Abwehr von Gewalttaten zu Schlagstöcken greifen müssen, um Gesundheit, Hab und Gut von Bürgern zu schützen, werden in alle Welt getragen." Derartig aufgeregt gibt sich in einer Pressemitteilung der „Kameradenkreis der Gebirgstruppe".

Die Bundeswehr und der Edelweiß-Traditionsverein haben beschlossen, dieses Szenario der Welt zu ersparen. Jedenfalls soll es nicht die Eröffnungsberichterstattung zur Fußballweltmeisterschaft überschatten. Daher wurde die alljährliche pfingstliche Kriegsverbrecherehrung am Hohen Brendten bei Mittenwald um eine Woche vorverlegt: Es wird sozusagen eine Nach-Christi-Himmelfahrt-Veranstaltung geben.

Ein flauer Kompromiss, der den Wünschen der um den Tourismus fürchtenden Gemeinde Mittenwald nur zum Teil gerecht wird. Denn die antimilitaristischen Demonstranten werden trotzdem - nun schon zum fünften Mal - kommen. Wenn ihr Demonstrationsrecht wieder von der Polizei beeinträchtigt wird, so tragen dafür die Bundeswehr und der Kameradenkreis die Verantwortung. Die Kriegsgegner und Antifaschisten der VVN-Bund der Antifaschisten und der Gruppe „Angreifbare Traditionspflege" lassen es sich nicht nehmen, die Massaker und anderen Kriegsverbrechen der Truppe in ganz Europa und die verbrecherische Vorbildwirkung der Veteranen auf die wieder Krieg führende Bundeswehr anzuprangern.

Sowie die Aufstellung der Bundeswehr vor 50 Jahren nicht möglich war, ohne die Wehrmachtskader einzubeziehen, so ist auch die heutige Bundeswehr auf diese Tradition erpicht. Damals wurden auch schwer Belastete zur Bundeswehr geholt, die die Truppe formten und zugleich vor juristischer Verfolgung geschützt waren. Kein Geringerer als der hochrangige Gebirgsjägergeneral der Bundeswehr und Kosovo-Kommandant a.D., der Chef der einflussreichen Clausewitz-Gesellschaft Dr. Klaus Reinhardt, hat die „Unentbehrlichkeit" des Vorbilds der Wehrmachtsgebirgstruppe für den „heutigen Auftrag" der Gebirgsjäger betont: Es sei richtig und notwendig, das „Koordinatensystem ihrer Werteordnung" an die Bundeswehr weiterzugeben.

Ferner sprach sich Reinhardt für Einsätze der Gebirgstruppe im Innern der Bundesrepublik aus. Für „innere Sicherheit" habe man doch schon im Kosovo hervorragend gesorgt.

Antifaschistische Widerstandskämpfer, darunter Wehrmachtsdeserteure wie Ludwig Baumann, Willi Sitte und Gerhard Zwerenz haben in einem Brief an den neuen Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) erklärt: ,,In Nürnberg hat das höchste Gericht, das jemals in der Geschichte tagte, das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal, für alle Zeiten die Naziorganisationen und ihre Wiederbelebung, die Ehrung von Kriegsverbrechern. und Würdigung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit verboten. Während die Tätigkeit des Nürnberger Tribunals gewürdigt wurde, werden mit Hilfe von Regierungs- und höchsten Kommandostellen in Mittenwald Kriegsverbrecher geehrt." Darunter sind SS-Angehörige sowie einer, der in Nürnberg im Folgeprozess gegen Generäle der Südfront verurteilt wurde und der lange Jahre Ehrenpräsident des Kameradenkreises der Gebirgstruppe und FDP-Berater war: General Hubert Lanz. An den Minister wurde appelliert: ,,Machen Sie der Verehrung der Kriegsverbrecher ein Ende! Halten Sie nicht länger die schützende Hand der Bundeswehr über schwer belastete Veteranen der Gebirgstruppe, sondern helfen Sie dabei, diese Personen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Und unterstützen Sie die Forderungen der alljährlich in Mittenwald versammelten Antifaschistinnen und Antifaschisten nach Bestrafung der Täter und Entschädigung der Opfer sowie nach Beendigung der Wehrmachtstradition innerhalb der Bundeswehr."

Die Antwort des Ministeriums war diese: Es bleibt bei der Unterstützung des Kameradenkreises. Ein Staatssekretär des Ministeriums wurde sogar ausgeguckt als neues Mitglied des völkischen Traditionsvereins. Und so wird es dann auch wieder die Friedensaktion am Hohen Brendten geben. Infos unter www.nrw.vvn-bda.de und www.nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald.

Das Treffen erhält besondere Aktualität, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Prozessantrag der Angehörigen der Opfer des Massakers von Distomo/ Griechenland, dem über 300 Menschen zum Opfer fielen, abgelehnt hat. Damit wird den Angehörigen der Opfer dieses und anderer NS-Massenverbrechen jegliche Möglichkeit zur Entschädigung bestritten.

Der Generalsekretär der Föderation des Internationalen Widerstandes (FIR), Dr. Ulrich Schneider, erklärte dazu: „Das Verfahren wurde mit formalen Tricks ausgehebelt: Ein individueller Entschädigungsanspruch Einzelner bestehe nach Kriegshandlungen nicht." Nach dem Karlsruher Beschluss können die griechischen Opfer auch aus den Entschädigungszahlungen Deutschlands an rassisch und politisch verfolgte NS-Opfer keine Ansprüche ableiten, denn die Verbrechen seien „nur Kriegsverbrechen" gewesen.

Der FIR-Sprecher: ,,Während die Opfer der faschistischen Politik entrechtet und verhöhnt werden, erleben wir auf der anderen Seite, dass Traditionsverbände der Kriegsverbrecher, wie zum Beispiel die Gebirgsjäger-Kompanie, die sich alljährlich am Brenten in Mittenwald treffen, von der Bundeswehr unterstützt werden. Das ist ein Skandal," erklärte Dr. Schneider. Mehr als 60 Jahre nach dem Ende der faschistischen Herrschaft zeigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wie aktuell die Forderung bleibt: ,,Entschädigung der Opfer! Schluss mit der Ehrung der Kriegsverbrecher!"

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Ulrich Sander ist Bundessprecher der VVN-BdA.