Der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Kriegsvermeidung

Lösung des Iran-Atomkonflikts

von Mohssen Massarrat

Nach langem Ringen zwischen USA, den EU-Drei, Russland und China hat der UN-Sicherheitsrat am 28. März 2006 eine neue Iran-Resolution verabschiedet. Darin wird Iran eine Frist von einem Monat gesetzt, um alle Aktivitäten zur Urananreicherung einzustellen. Mit dieser Resolution verfolgt die US-Regierung das Ziel, für den Fall, dass der Iran die Forderung des UN-Sicherheitsrates nicht erfüllt, als nächsten Schritt den Sicherheitsrat zu Sanktionsmaßnahmen gegen den Iran zu drängen. Sollte der Iran mit harten Gegenmaßnahmen reagieren, könnte international eine antiiranische Stimmung entstehen, bei der sich die US-Regierung legitimiert fühlt, notfalls auch ohne einen Sicherheitsratsbeschluss allein oder in einer Koalition mit Israel und vielleicht auch England gegen Irans Atom- und Militäranlagen einen Luftkrieg zu führen.

Dagegen verfolgen Russland und China das Ziel, die weitere Behandlung des Konflikts vom UN-Sicherheitsrat auf die IAEO zurück zu verlagern, um ihn diplomatisch zu lösen. Die EU-Drei-Länder England, Frankreich und vor allem die Bundesrepublik Deutschland plädieren ebenfalls für eine diplomatische Lösung, jedoch noch nicht entschlossen genug. Damit ist völlig offen, ob die USA ihr Kriegsszenario durchsetzen und dabei die EU mit in einen Krieg hineinreißen, oder ob die diplomatische Alternative den Krieg abwendet. Im Folgenden wird 1. dargelegt, wie der Krieg politisch zu verhindern ist und warum der Bundesrepublik dabei eine Schlüsselrolle zukommt, 2. warum der russische Kompromissvorschlag dafür eine geeignete Grundlage darstellt, 3. und 4. welche Schritte denkbar und sinnvoll sein können, um mittel- und langfristig angelegte Ziele zur Entschärfung von Konflikten und zur Stabilisierung im Großraum Mittlerer und Naher Osten zu verwirklichen.

  1. Zuallererst kommt es darauf an, einen Krieg gegen Iran zu verhindern

Dabei hat die Bundesregierung eine Schlüsselrolle inne. Dazu sollte sie unmissverständlich sofort klarstellen - und nicht. erst, wenn die Eskalation sich zugespitzt hat und ein Krieg nicht mehr zu verhindern ist-, dass Deutschland einen Krieg gegen den Iran unter keinen Umständen unterstützt. Dies impliziert auch zwingend, dass die Bundesregierung der US-Drohkulisse, Iran mit Sanktionen oder gar Gewalt zur Aufgabe der Urananreicherung zu zwingen, eine Absage erteilt.

Begründung

Die gegenwärtige Führung der Vereinigten Staaten mit Präsident Bush, Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld hat bisher keinen Zweifel an ihrer Absicht gelassen, den Iran mit oder ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates, notfalls auch durch Krieg, zum vollständigen und bedingungslosen Verzicht auf Urananreicherung zwingen zu wollen. Der vollständige Verzicht eines souveränen Staates auf das völkerrechtlich im Nichtverbreitungsvertrag (NVV) verankerte Recht auf Urananreicherung bedeutet de facto, den NVV exklusiv und auf kaltem Wege außer Kraft zu setzen und Zweiklassenstaaten mit unterschiedlichen Rechten zu schaffen:
Die Ablehnung des russischen Vorschlags durch die US-Regierung, der im Kern Iran das Recht auf Urananreicherung zugesteht, ihm aber de facto die Möglichkeit nimmt, die industrielle Urananreicherung auf eigenem Boden zu betreiben, lässt darauf schließen, dass die US-Führung es geradezu darauf anlegt, die Eskalation bis zum Gewalteinsatz (Luftkrieg) zuzuspitzen. Für dieses Szenario hat die US-Führung allerdings - und gerade dieser Aspekt ist äußerst wichtig - innenpolitisth keine Legitimation. Inzwischen stimmen nur 30% der Amerikaner einem US-Krieg gegen den Iran zu. Im Falle Iraks waren es satte 70%. Deshalb ist die US-Regierung zur Durchsetzung ihres Szenarios dringend auf direkte oder indirekte Unterstützung der EU und vor allem der Bundesrepublik Deutschland angewiesen. Gerade aus diesem Grund ist die Bundesregierung in der einmaligen Rolle, durch ein klares Nein einen Krieg verhindern zu können.
Die entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass die US-Führung ihren Willen der internationalen Gemeinschaft aufzwingen könnte, sind erstens die beinahe mystisch beschworene „internationale Geschlossenheit" und zweitens die Aufrechterhaltung einer Drohkulisse, die Krieg einschließt. Die US-Führung meint mit „internationale Geschlossenheit" die bedingungslose Zustimmung-vor allem der EU- zu ihrer Iran-Politik, selbst wenn sie tragfähige Kompromisse wie den russischen Vorschlag zurückweist. Damit hegt sie indirekt die Absicht, der EU ihre zum Krieg eskalierende Strategie und Taktik aufoktroyieren zu wollen. Mit der Aufrechterhaltung der Kriegsoption zielt die US-Führung auf die nächsten Eskalationsschritte: erst eine präsidentielle UN-Sicherheitsresolution mit befristetem Ultimatum an die iranische Adresse, die der US-Sicherheitsrat am 29. März 2006 bereits verabschiedet hat, dann Sanktionen und iranische Gegenreaktionen, somit die Entstehung einer Atmosphäre, die die US-Führung braucht, um gegebenenfalls auch ohne die Zustimmung des Sicherheitsrates einen Luftkrieg zusammen mit Israel, vielleicht auch mit England, als moralisch legitim zu erklären. Dabei rechnet die US-Regierung damit, dass Deutschland, Frankreich und auch die gesamte EU aus Gründen der eingeforderten Geschlossenheit und Solidarität innerhalb der westlichen Gemeinschaft keine andere Möglichkeit übrigbleibt, als schließlich nach dem Motto „jetzt müssen wir zusammenhalten" ihren Segen zum Krieg zu geben.

Eine Geschlossenheit und Solidarität aber, die impliziert, dass Deutschland und die EU insgesamt in einen Krieg hineinschlittern, ist absurd und völlig inakzeptabel. Daher muss Deutschland, muss die EU unverzüglich ihre Solidarität zu den USA davon abhängig machen, dass die US·Regierung tragfähige Kompromisse, wie den russischen Vorschlag, die einen Krieg überflüssig machen, akzeptiert und nicht mutwillig ablehnt. Die unmissverständliche und sofortige Absage an einen US-Krieg gegen den Iran ist daher auch der Schlüssel dafür, dass die US-Führung von ihren Kriegsambitionen Abstand nimmt und sich auf einen Dialog, auf Kompromisse und weitere konfliktbearbeitende Schritte einlässt. Darüber hinaus könnte so die EU die verlorene Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit als ehrlicher Makler weit über den Iran-Konflikt hinaus zurückgewinnen. Nur wenn es Deutschland und der EU gelänge, der US-Regierung die rote Linie zu zeigen und ihr die Kriegspläne auszutreiben, könnten Irans Reformer ihren Handlungsspielraum in beträchtlichem Ausmaß erweitern und den inneriranischen Kompromiss, dem russischen Vorschlag zuzustimmen, gegenüber den Hardlinern um den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad aufrechterhalten und festigen. Denn Ahmadinedschad wartet im Prinzip auf einen günstigen Anlass, um aus dem erreichten Konsens wieder auszuscheren. Somit ist klar:

Die kritiklose internationale Geschlossenheit, Drohung mit Sanktionen oder Gewalt und Demütigung des Iran eröffnet nicht die Chance, Iran zu einem Kompromiss zu bewegen. Dies ist vielmehr dadurch zu erreichen, dass dein Krieg eine Absage erteilt wird und die EU ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellt, dass es ihr ernsthaft und ausschließlich darum geht, eine Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern und nicht darum, den Nichtverbreitungsvertrag als Vorwand für andere Ziele wie Regimewechsel im Iran oder die Dominanz der bestehenden Vormachtstellung Israels im Mittleren und Nahen Osten zu nutzen.

  1. Der Charme des russischen Vorschlags

Russland kommt der Verdienst zu, das Scheitern der EU-Diplomatie geschickt genutzt zu haben, um sich mit einem akzeptanzfähigen Kompromissvorschlag als handlungsfähige Großmacht international in Szene zu setzen. Der Vorschlag enthält die zentrale Forderung der IAEO, dass der Iran auf industrielle Anreicherung auf eigenem Boden verzichtet. Russland vermeidet auch einen Gesichtsverlust und eine Demütigung Irans, da es diesem erlaubt, erstens in begrenztem Umfang Uran zu Forschungszwecken betreiben zu dürfen und zweitens iranische Nuklearwissenschaftler in beschränktem Umfang an einem iranisch-russischen Joint Venture auf russischem Boden zu beteiligen. Nicht weniger wichtig ist, dass durch diesen Vorschlag das Recht Irans auf Urananreicherung nicht in Abrede gestellt und der NVV- entgegen der nicht offen artikulierten Absicht der US-Regierung - auf kaltem Wege nicht außer Kraft gesetzt wird. Mit diesem Vorschlag, dem die iranische Führung grundsätzlich zugestimmt hat, [1]entfällt für die Drohkulisse, die Sanktionen und den Gewalteinsatz im Prinzip jegliche moralische und rationale Grundlage. Dies impliziert allerdings zwingend, dass die EU ihre friedenspolitische Verantwortung ernst nimmt und sich letztlich auch unabhängig davon, welche Position die USA und Israel zum russischen Vorschlag einnähmen und welche Absichten diese hegen, sehr ernsthaft für diesen Vorschlag einsetzt.

Der russische Vorschlag hat auch mit Hinblick auf die zu erwartende inneriranische Debatte seinen Charme. Er macht im .Iran eine kontroverse und offene Grundsatzdebatte über den Sinn bzw. Unsinn des iranischen Atomprogramms geradezu zwingend erforderlich, vor der sich die treibenden Kräfte der Nuklearisierung von Irans Energie- und Außenpolitik bisher gescheut haben. Diese kämen dann nicht länger umhin, Rechenschaft darüber abzugeben, warum nun der Iran nur noch vor der einzigen Alternative stehen sollte, sich in eine strukturelle und langfristige Abhängigkeit von Russland zu begeben, um so die Abhängigkeit der Energieversorgung von eigenen fossilen Energiequellen zu verringern. Und dies wohl wissend, dass Russland dabei eigene großmachtpolitische Ziele in Zentralasien und im Mittleren Osten verfolgt und dank Irans zweifelhafter Nuklearpolitik in die günstige Lage versetzt worden ist, Iran jederzeit seinen Willen aufzuzwingen. Käme diese Debatte tatsächlich zustande, würde sie offen geführt werden und dadurch vielen auch allmählich klar, dass das Atomprogramm den Iran vom Regen in die Traufe führt, dann wäre damit das Ende des iranischen Atomprogramms eingeläutet. Die dramatisch hohen Investitions- und politischen Kosten gegenüber dem vergleichsweise geringen volkswirtschaftlichen Nutzen der Kernenergie für Iran ließen sich schwer als rational rechtfertigen. Die Legende, die iranische Nuklearindustrie sei ein historisches und Identität stiftendes Projekt und stelle einen entscheidender Motor von Irans umfassender Modernisierung dar, würde wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Mehr noch - dadurch eröffnete sich in der offenen Debatte gleichzeitig auch der Blick für alternative Energiequellen jenseits von Öl und Nuklearenergie, insbesondere für die erneuerbaren Energiequellen·Wind und Sonne, über die der Iran doch reichlich verfügt.  

Diese Perspektive setzt allerdings voraus, dass die EU und die internationale Gemeinschaft insgesamt Irans Sicherheitsbedürfnis ernst nimmt und darauf eine seriöse und glaubwürdige Antwort findet.

  1. Schritte zu einer Antwort auf Irans legitimes Sicherheitsbedürfnis: Einrichtung einer Dauerkonferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit·

Der Iran hat unbestreitbar ein Sicherheitsproblem. Als regionale Mittelmacht fühlt er sich nicht nur durch Israels Atomwaffenarsenal bedroht, sondern auch durch die regelrechte militärische Einkreisung durch die Vereinigten Staaten, die den Iran mit Militärstützpunkten im Persischen Golf von Süden, im Irak vom Westen, in Afghanistan von Osten und in Aserbaidschan von Norden jederzeit bedrohen könnten. Zudem ist das Land auch umgeben von Atommächten wie Russland und Pakistan.

Hat die EU-Diplomatie bisher Irans legitimes Sicherheitsbedürfnis bei den Verhandlungen mit Teheran systematisch ausgeblendet und darauf insistiert, Iran zu einem weitestgehend einseitigen Verzicht auf ein im NVV verankertes Recht zu drängen und scheiterten sie letztlich auch an dem eigenen nicht kooperativen Verhalten, so scheinen sich inzwischen EU-Spitzenpolitiker Irans legitimen Sicherheitsbedürfnissen anzunähern. Beispielsweise hat der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, in mehreren Beiträgen und Interviews (in Die Zeit v. 16.03.06 und in der FR v. 17.03.06) gefordert, zwischen westlichen Forderungen an den Iran und Irans „legitimen Sicherheitsinteresse eine Verbindung zu finden". Diese kluge Neupositionierung, sofern sie einem tiefgreifenden Gesinnungswandel entspricht, kommt zwar spät, aber gerade noch rechtzeitig, um die EU-Diplomatie durch Realismus, Weitblick und Kooperationswillen für Schritte, die in die Zukunft weisen; wieder handlungsfähig zu machen.

Die Berücksichtigung von Irans Sicherheitsinteresse ermöglicht es, den engen, selektiven und konfrontativen Blick, dessen Wurzeln in eigenen kurzfristigen Interessen der gegenwärtigen US-Regierung bzw. der israelischen Regierung zu finden sind, zu überwinden und die Perspektive eines langfristigen Konzepts als Antwort auf komplexe Konfliktstrukturen im Großraum Mittlerer und Naher Osten - einer der sensibelsten Regionen der Welt - hervortreten zu lassen.

Zentraler Bestandteil eines umfassenden Friedenskonzeptes ist die Einrichtung einer Dauerkonferenz nach dem Muster der "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) als eine Konferenz für Sicherheit Lind Zusammenarbeit für den Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO). Mittel- und langfristige Ziele dieser Konferenz wären (a) eine neue regionale Sicherheitsarchitektur auf der Grundlage der gemeinsamen Sicherheit aller Staaten in dieser Region einschließlich Israels, (b) Errichtung einer Zone, die frei von Massenvernichtungswaffen ist, (c) Gewährleistung von Sicherheitsgarantien mit internationaler Legitimation für die Existenz Israels, deren Glaubwürdigkeit von der israelischen Bevölkerung nicht in Abrede gestellt werden kann und (d) kooperative Strukturen, die einen Integrationsprozess forcieren, der ähnlich wie bei der EU den in Gang gekommen Integrations- und Friedensprozess unumkehrbar macht und eine Rückkehr zu zwischenstaatlichen Feindschaften, konfliktförderndem Misstrauen und Kriegen der Vergangenheit ausschließt.

Diese Perspektive fehlt in den bisherigen EU- und UN- mittel- und nahöstlichen Überlegungen. Der bisherige Umgang aller beteiligten Staaten mit dem allgemein und im Grundsatz akzeptierten Ziel einer atomwaffenfreien Zone degradiert dieses Ziel und lässt es auf den hinteren Rängen einer langen Reihe von eigenen außenpolitischen Zielen zu einem Alibiziel verkommen. Israel, Iran und andere Staaten der Region machen die atomwaffenfreie Zone von der Erfüllung einseitiger Bedingungen abhängig und verhindern damit erst recht die ersten Schritte, um zum Ziel zu gelangen. Versuche beispielsweise seitens des Iran, den eigenen Verzicht auf Urananreicherung von der Abrüstung israelischer Atomwaffen abhängig zu machen, wären genauso kontraproduktiv wie Israels Forderung, sich dann auf eine KSZMNO einzulassen, wenn vorher alle Regionalstaaten zunächst Israels Maximalforderungskatalog (Anerkennung Israels, Verzicht auf jegliche Unterstützung von Hamas und Hisbollah etc.) erfüllen. Vielmehr würde es zu einer KSZMNO kommen, wenn Staaten mit hohem ökonomischen und moralischen Gewicht, wie z. B. die EU, die Initiative ergreifen und als ersten Schritt alle Regionalstaaten, aber auch die USA und Russland, zu einer Vorbereitungskonferenz, die alsbald stattfinden müsste, einladen, um dabei als ersten Schritt z.B. Problemfelder, „Körbe", Verfahrensregeln aufzulisten, erste Vereinbarungen zu treffen und eine Grundsatzerklärung zu verabschieden. Erst wenn dieser Prozess ernsthaft eingeleitet würde, wäre ein hinreichender Vertrauensvorschuss gegeben, der Irans Reformern und moderaten Kräften die politische und moralische Rückendeckung erteilt, um vorerst das Projekt Urananreicherung freiwillig auf Eis zu legen und mittel- und langfristig in dem Maße, wie im Rahmen einer KSZMNO substanzielle Fortschritte in Richtung gemeinsamer Sicherheit erzielt werden, sogar ganz aufzugeben. Es kann damit gerechnet werden, dass der KSZMNO-Beginn den Handlungsspielraum von Reformströmungen in allen anderen Staaten einschließlich in Israel aber auch in den Vereinigten Staaten selber erheblich erweitert.

Es geht darum, den Beginn eines langfristig angelegten Prozesses auf die Agenda der internationalen Diplomatie zu setzen, und zwar heute und ohne irgendwelche Vorbedingungen. Selbst die ablehnende Haltung der Regierungen Israels und der USA sollte die EU nicht daran hindern, mit dem Projekt zu beginnen. Auf Dauer können sich weder Israel, noch die USA und auch keine andere Macht ein Projekt verschließen, ohne sich selbst zu schädigen, das für alle Beteiligten mehr Sicherheit und steigenden Wohlstand durch Kooperation verspricht und zur Stabilität im Mittleren und Nahen Osten gravierend beiträgt.

  1. Deutsches Angebot, mit dem Iran im Bereich erneuerbare Energietechnologie zu kooperieren

Iran ist ein Schwellenland und eine regionale Mittelmacht mit erheblichen Modernisierungspotentialen. Allerdings hat das Land mittel- und langfristig ein ernsthaftes Problem bei der eigenen Energieversorgung. Ein Großteil der iranischen Elite glaubt an die Zukunft der Nuklearenergie als alternative Energiequelle und eine sinnvolle Antwort auf die steigende Energienachfrage. Doch hat im Iran eine öffentliche und gründliche Diskussion über die weltweit verfügbaren Möglichkeiten einer langfristigen Energieversorgung bisher nicht stattgefunden. Auch entsprechende Expertisen und umfassende Energieszenarien wurden bisher nicht durchgeführt. Ungeachtet der begründeten Annahme, dass nicht die Nuklearenergie, sondern die erneuerbaren Energietechnologien ein wichtiger Pfeiler in Irans volkswirtschaftlicher Modernisierung sein dürfte, ist die Entscheidung, welchen Weg man gehen will, selbstverständlich dem Iran selbst vorbehalten.

Dennoch sollte die Bundesrepublik Deutschland gerade als Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen seriöse Angebote unterbreiten, auf diesem Gebiet mit dem Iran zu kooperieren, beispielsweise im Iran Joint Venture für die Produktion von Solarkollektoren, Windrädern, Solarzellen und anderen modernen erneuerbaren Energietechnologien zu gründen, mit dem Ziel, den Ausbau erneuerbarer Energiequellen im Iran und im gesamten Mittleren und Nahen Osten zu fördern.

Anmerkung

1 Die Neupositionierung der iranischen Führung zu ihrem Nuklearprogramm belegt, dass ihre Zustimmung zum russischen Vorschlag eine verlässliche Grundlage hat. Bezeichnend für diese Neupositionierung sind die international bisher kaum gewürdigten Äußerungen von Hassan Rouhani (Rafsandschanis Gefolgsmann und ehemaliger Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates und Iran-Verhandlungsführer unter der Regierung Khatami) eine Schlüsselrolle spielte. In einer Mitte Februar veröffentlichten Rede heißt es unter anderem: „Die USA und die Europäische Union verfolgen hinsichtlich des iranischen Atomprogramms ein gemeinsames Ziel. Welche Antworten gibt es aber darauf, dass alle gegen unsern Brennstoffkreislauf (gemeint ist die Urananreicherung auf iranischem Boden) sind? Ich muss dazu feststellen, dass wir darauf angewiesen sind, unsere Fähigkeiten in Möglichkeiten zu verwandeln. Wenn es uns gelungen wäre, den Brennstoffkreislauf zu vervollständigen und die Welt mit vollendeten Tatsachen zu konfrontieren, stünden wir anders da. Die Welt wollte nicht, dass Pakistan Atommacht wird und dass Brasilien einen eigenen Brennstoffkreislauf besitzt. Dennoch hat sich die Welt mit beidem abgefunden. Unser Problem ist aber, dass wir weder das Eine, noch das Andere haben, uns aber auf dem Wege dorthin befinden. Wir wollen den Bau der Atombombe ohnehin nicht. Auch mit dem Projekt Brennstoffkreislauf (gemeint ist die Urananreicherung) hapert es. Und genau darin besteht unser Problem. Ich denke wir sollten uns dabei selbst nicht unter Druck setzen. Wir müssen Geduld haben und zur Beendigung der Aussetzung (der Urananreicherung) andere günstigere Gelegenheiten abwarten. Und wenn wir uns damit abfinden wollen, müssen wir auch alle unsere Möglichkeiten dafür einsetzen und überlegt vorgehen, ohne uns unter Druck zu setzen."

(Auszüge aus der Dokumentation der internen Diskussion innerhalb der iranischen Führung)

Zitiert nach: Enghelabe Eslami, Nr. 640 (März 2006).

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Krisen und Kriege

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Mohssen Massarrat ist Professor i. R. der Universität Osnabrück mit wissenschaftlichen und politischen Schwerpunkten in den Bereichen Wirtschaft und Gesellschaft, Internationale Beziehungen, Krieg und Frieden, Mittlerer und Naher Osten und Mitbegründer der Initiative Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO).