Bundesheer probt Bürger- und Rohstoffkrieg

Manöver in Österreich

von Solidarwerkstatt Österreich
Hintergrund
Hintergrund

Von 10. bis 21. Juni 2024 fand in Österreich mit 7.500 Soldat*innen das größte Militärmanöver seit zehn Jahren statt: „Schutzschild 24“. Geprobt wurde eine „Schutzoperation“ im Inland. Die Manöverannahmen lassen gruseln.

Wörtlich heißt es im „Newsticker“ des Bundesheeres: „Das militärisch neutrale Österreich sagt einem völkerrechtswidrig angegriffenen Staat moralische Unterstützung zu, und beteiligt sich an Sanktionen. Zeitgleich formieren sich Aktivisten, die mit dem Aggressor sympathisieren. Bewaffnete Untergrund-Milizen beginnen, unsere Gesellschaft zu infiltrieren und zu destabilisieren. Österreich befindet sich aufgrund seiner geografischen Lage in einer Schlüsselrolle als Transitland - Truppen und militärisches Gerät müssen durch unser Land hindurch. Aufgrund unserer Lage werden wir zusehends zur Zielscheibe hybrider Kriegsführung der Konfliktparteien.

Der Ablaufplan der Übung sieht in Folge vor, dass Teile der Bevölkerung durch Beeinflussung von außen manipuliert werden. Negative Auswirkung: In ausgewählten Regionen unseres Bundesgebiets geht kurzzeitig die staatliche Kontrolle verloren. Die Aufgabe des Bundesheeres ist es nun, in Zusammenarbeit mit anderen Einsatzorganisationen, diesem schlimmen Szenario schnell, entschieden und effektiv entgegenzuwirken. Dabei werden unsere Truppen von Soldaten aus Deutschland, Schweden und Kroatien verstärkt. Gesamt sind 7.500 Soldaten und Soldatinnen eingesetzt. Die Einsatzkräfte sollen gemeinsam helfen, Transitrouten, neuralgische Punkte und wichtige Objekte auf unserem Staatsgebiet quer durch vier Bundesländer rasch unter Kontrolle zu bringen. Auf diese Weise sollen illegale Waffenlieferungen durch Österreich abgefangen, und Verkehrslinien offengehalten werden.“

Hier wird unmissverständlich der Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung geprobt. Der Feind im Inneren ist natürlich die „5. Kolonne“ einer feindlichen Macht von außen. Zeitweilig gelingt es dieser „die Bevölkerung von außen zu manipulieren“ und die „mit dem Aggressor symphatisierenden Aktivisten“ können sogar kurzfristig die „Kontrolle über das Staatsgebiet“ gewinnen. Doch schließlich kann der Feind im Inneren mit Hilfe des Auslands – Deutschland, Kroatien, Schweden – zurückgeworfen werden und „die illegalen Waffenlieferungen durch Österreich abgefangen“ werden.

Die einzigen illegalen – weil neutralitätswidrigen – Waffenlieferungen und Truppentransporte, die durch unser Land gehen, sind die von NATO- und EU-Staaten. 4.584 rollten allein 2023 durch unser Land, die meisten aus den USA und Deutschland. Von der Regierung wurden sie einfach durchgewunken. Eine die Realitäten schlimmer auf den Kopf stellenden Manöverannahmen sind schwer vorstellbar.

Übung der „Solidaritätsklausel“
Trotzdem ist das Manöver „Schutzschild 24“ nicht nur absurd. Erinnern wir uns: EU-Kommissionspräsident Barroso stellte 2010 Gewerkschaftern die Rute ins Fenster: „Schaut, wenn sie nicht diese Sparpakete ausführen, könnten diese Ländern tatsächlich in der Art, wie wir sie als Demokratien kennen, verschwinden. Sie haben keine Wahl, so ist es.“ (Daily.mail, 15.6.2010). Er drohte ihnen mit „Militärputschen und Umstürzen“, für den Fall, dass sie sich den Brüsseler Spardiktaten verweigern. Bei „Schutzschild 24“ trainiert das Bundesheer die Niederschlagung sozialer Proteste im Inneren - unter den Vorwand, diese seien von „Ausland“ gesteuert. Dass „der große Bruder“ Deutschland mit seiner Militärmacht hilft, in Österreich wieder für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen, offenbart, dass offensichtlich die letzten Hemmungen fallen, den Staatsvertrag mit Füßen zu treten, wenn es um die Durchsetzung von EU-Verträgen geht. Denn geübt wird mit „Schutzschild 24“ die „Solidaritätsklausel“ des Artikels 222 (Vertrag über die Arbeitsweise der EU), in der es heißt: „Wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag oder einer Katastrophe natürlichen oder menschlichen Ursprungs betroffen ist, mobilisieren die Mitgliedsstaaten alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel…“  EU-frommen Rechtsgelehrten wird es kaum schwerfallen, soziale Proteste in eine „Katastrophe menschlichen Ursprungs“, wenn nicht gar in einen „terroristischen Akt“, gesteuert von ausländischen Mächten, umzuinterpretieren.

„European Advance 2024“
Das Manöver „Schutzschild 24“ ging fließend über in die Übung „European Advance 2024“, mit der sich das Bundesheer auf seinen einjährigen Einsatz im Jahr 2025 im Rahmen der Schnellen Eingreiftruppen der EU vorbereitet. Die Lead-Nation dieser „erweiterten EU-Battlegroup“ ist – natürlich möchte man sagen - Deutschland mit fast 5.000 Mann/Frau. Österreich stellt mit bis zu 600 SoldatInnen das zweitgrößte Kontingent dieser Truppe. Über den möglichen Einsatzort erfahren wir aus dem Landesverteidigungsbericht 2022 (https://www.solidarwerkstatt.at/frieden-neutralitaet/plus-384-fuer-waffe... „Alle globalstrategischen Wirkungsfelder, wie Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft und Energieversorgung, politische Systeme und globale Ordnungsmodelle, weisen dabei auf Zentral- und Nordafrika sowie den Nahen Osten als die zu priorisierenden Räume für künftige Einsätze hin.“

Und weiter heißt es in dem Dokument des Verteidigungsministeriums: „Anforderungen für robuste Auslandseinsätze werden rascher als bisher auf das Bundesheer zukommen, eine geringere Vorwarnzeit aufweisen und die Bandbreite der Einsätze wird höher, was die Bereithaltung von rasch verfügbaren, durchsetzungsfähigen und durchhaltefähigen Kräften bedingt, die dazu befähigt sind, es mit dem gesteigerten Bedrohungspotenzial der dortigen Gegner aufzunehmen und Gefechte zu gewinnen.“ Schon im nächsten Jahr könnte es zum blutigen Ernstfall kommen.

Neutralität konkret durchbuchstabieren
Es mutet zynisch an: Während im Europa-Parlaments-Wahlkampf sich nahezu alle Parteien vor Neutralitätsrethorik fast übertroffen haben, gibt es keinerlei Kritik an diesem Bundesheer-Manöver, das Bürger- und Rohstoffkriege trainiert. Wieder einmal erweist sich das Parlament als oppositionsfreie Zone, wenn es um EU-Außen- und -Sicherheitspolitik geht. Es zeigt freilich einmal mehr, dass wir Neutralität konkret durchbuchstabieren müssen, wenn wir effektiven Widerstand leisten wollen. Sonst werden wir mit Neutralitätsphrasen ruhiggestellt werden, während zügig an der Vorbereitung des Krieges gearbeitet wird: Keine Teilnahme an der Schnellen EU-Eingreiftruppe, Ausstieg aus dem militaristischen Korsett der EU-Verträge! Aktiv neutral statt EU-militarisiert!

Der Text wurde mit Erlaubnis dieser Seite entnommen: https://www.solidarwerkstatt.at/frieden-neutralitaet/bundesheer-probt-bu...

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund