Der „Tag der Bundeswehr“

Militärisches Agit-Prop-Happening

von Christian Stache

Über 230.000 BesucherInnen zählten die Militärs am 13. Juni 2015. Für diesen Tag hatte das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) „anlässlich des 60-jährigen Bestehens“ und des 25-jährigen Jubiläums der „Armee der Einheit“ erstmalig in der Geschichte des deutschen Militärs zu einem „Tag der Bundeswehr“ geladen. Bundesweit beteiligten sich 15 Standorte an der mindestens 550.000 Euro teuren Großveranstaltung.

Der „Tag der Bundeswehr“ diente vor allem der Rekrutierung und Propaganda, der Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft und der Konsolidierung der zivilmilitärischen Zusammenarbeit. Das Agit-Prop-Happening ist einer der zentralen Pfeiler der ideologischen Mobilmachung im Zuge der im letzten Jahr vom BMVg initiierten „Attraktivitätsoffensive“.

Eine Koalition von CSU bis Grüne befürwortete das Spektakel. Vereinzelt kam es zu teils eindrucksvollen Protesten. Aber in der Breite ist die Friedens- und Antikriegsbewegung nicht aktiv geworden.

Eindimensionale Vielfalt: dasselbe Programm auf allen 15 Kanälen
An den Premierenfeierlichkeiten beteiligten sich bundesweit 15 Militärstandorte „von Flensburg im hohen Norden bis Bischofswiesen im tiefen Süden Deutschlands, von Nörvenich im Westen bis Storkow im Osten“. In Bonn, Wilhelmshaven und Koblenz waren die Militärs auch „auf dem Rathausplatz“ anzutreffen. Mehr als 10.000 Soldaten waren „seit Monaten“ für die Veranstaltung „im Einsatz“.

Das Programm glich sich überall: Neben klassischen Waffenschauen, nachgestellten Einsätzen und Militärmusik gab es besondere „Attraktionen für Kinder“, man konnte SportsoldatInnen treffen und sich über den Dienst an der Waffe informieren. Es wurde auch unmittelbar politisiert. In Sachsen-Anhalt war die Verabschiedung von 120 Soldaten in den Einsatz nach Afghanistan durch Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) das „Highlight“. Beim politischen Main-Event in Hannover hielt Ministerin von der Leyen eine Rede, die an allen teilnehmenden Standorten auf Videoleinwänden ausgestrahlt wurde. Mit Bezug auf die Ukraine und den Kosovo bekräftigte sie das Zerrbild, die Bundeswehr kämpfe seit 60 Jahren für Frieden, Freiheit und Sicherheit – statt für die Interessen deutscher Konzerne und des deutschen Staates.

Kosten: mindestens eine halbe Million Euro
Laut einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag hat die Hardthöhe für den „Tag der Bundeswehr“ 550.000 Euro aufgewendet. Von den insgesamt für das Jahr 2015 veranschlagten mehr als 2,7 Millionen Euro für die PR-Arbeit der Bundeswehr handelt es sich damit um den größten Posten. Gegenüber der Tageszeitung junge Welt bezifferte ein namentlich nicht genannter Sprecher des BMVg die finanziellen Aufwendungen für den „Tag der Bundeswehr“ sogar auf bis zu 2,375 Millionen Euro.

Rekrutierung, Propaganda, gesellschaftliche Verankerung und zivilmilitärische Zusammenarbeit
Die Bundeswehr verfolgt gleichzeitig mehrere Ziele mit dem „Tag der Bundeswehr“. Es geht erstens darum, die Bundeswehr „zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ zu machen und durch „Einblicke in die vielfältigen militärischen und zivilen Berufsfelder“ neue RekrutInnen für den Kriegsdienst zu gewinnen.

Zweitens sollen bestimmte Vorstellungen über die Truppe und ihr Tun in den öffentlichen Diskurs gebracht und gefestigt werden. Der „Tag der Bundeswehr“ nötigt einerseits die Medien zur Berichterstattung. Andererseits gab es an den 15 Standorten „Diskussionsrunden und Polit-Talk“, unter anderem mit Bundesverteidigungsministerin von der Leyen oder Staatsminister Hoofe.

Drittens nutzen die Aktivitäten der „Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft“. Um die Akzeptanz und den Rückhalt für die Armee und ihre militärischen Operationen an der Heimatfront peu à peu zu steigern, ist das „persönliche Erleben und der unmittelbare Kontakt und Dialog“ entscheidend – nicht nur, aber auch am „Tag der Bundeswehr“.

Schließlich wird die sogenannte zivilmilitärische Zusammenarbeit mit der Veranstaltung gestärkt und vertieft. „Ob Städte, Gemeinden oder Landkreise, ob Vereine, Verbände oder Reservisten – sie alle organisieren die regionale Ausplanung dieses besonderen Tages Seite an Seite“, heißt es dazu auf der Internetseite des Militärs.

Ideologische Mobilmachung
Der „Tag der Bundeswehr“ ist eine von drei Maßnahmen, mit denen das Bundesverteidigungsministerium im Rahmen der im letzten Jahr begonnenen Attraktivitätsoffensive „Bundeswehr in Führung – Aktiv. Attraktiv. Anders.“ um die Zustimmung der Bevölkerung und der SoldatInnen zur Bundeswehr als Institution und zu den Auslandseinsätzen wirbt.

Neben den materiellen Zugeständnissen an die SoldatInnen, wie z.B. Solderhöhungen oder die bessere Ausstattung der Kasernen, gehören auch ideologisch-symbolische Elemente zur Steigerung des Ansehens der „Armee im Einsatz“ an der Heimatfront, zur Integration und Verankerung des Militärs in der Gesellschaft zum Programm der Hardthöhe. Zusätzlich zum „Tag der Bundeswehr“ soll es in Zukunft „zeitgemäße, emotional ansprechende“ Ausstellungen an den Militärstandorten über deren Geschichte und einen „neuen, jährlich zu vergebenden Preis 'Bundeswehr und Gesellschaft'“ geben.

Rot-grün-schwarze Einheitsfront stützt Bundeswehrspektakel
Mit dem „Tag der Bundeswehr“ werden zahlreiche Vorhaben umgesetzt, die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD in puncto Verteidigungspolitik und Bundeswehrreform formuliert worden sind. Doris Wagner, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages, empört sich zwar über die Darbietung militärischen Geräts. Sie bekräftigte jedoch ihre Zustimmung zum Zweck des Projekts, „die Bundeswehr langfristig in der Gesellschaft zu verankern und jungen Menschen ein umfassendes Bild der Bundeswehr zu bieten“.

Für Disharmonie in der Einheitsfront des politischen Establishments sorgte lediglich Alexander Neu, Obmann im Verteidigungsausschuss für die Fraktion DIE LINKE. Er kritisiert: „Was die Bundeswehr bei all der Show bewusst verschweigt, sind (…) die Konsequenzen und Gefahren des militärischen Agierens Deutschlands in der Welt. Tod, Leid und Zerstörung werden mit buntem Spektakel zugedeckt, und mit subtilen Werbemethoden sollen der Bevölkerung Kriegseinsätze in aller Welt schmackhaft gemacht werden. Das ist zynisch und nicht hinnehmbar.“

Außerparlamentarische Proteste
An einigen Orten kam es zu Protesten gegen die konzertierte Aktion der Hardthöhe. In Flensburg hingen vier Antimilitaristen für kurze Zeit ein Transparent mit der Aufschrift „War starts here“ von der Takelage des Bundeswehr-Segelschulschiffs „Gorch Fock“, während auf dem Gelände zeitgleich weitere AktivistInnen ein Banner mit der Aufschrift „Let's stop it here“ hochhielten. In Berlin wurde der Showroom der Bundeswehr verbarrikadiert. In Bonn, Hannover, Leipheim, Leipzig und Wilhelmshaven machten AktivistInnen mit Kundgebungen und diversen Aktionen ihrem Unmut Luft. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie verurteilte den „Tag der Bundeswehr“ als „Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention“. Der Bund für Soziale Verteidigung forderte, „dass der 'Tag der Bundeswehr' umgehend wieder abgeschafft“ werde. Das große mediale Echo insbesondere auf die kurzfristige Besetzung der Gorch Fock kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Friedens- und Antikriegsbewegung insgesamt keine angemessene Reaktion auf die Agit-Prop-Offensive des BMVg parat hatte. Im kommenden Jahr bietet ihr die Bundeswehr aber eine neue Chance. Ursula von der Leyen hat für den 11. Juni 2016 bereits den zweiten Tag der Bundeswehr angekündigt.

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