München im Februar 2005

von Renate Grasse

Anfang Februar herrscht in der Münchner Innenstadt wieder der Ausnahmezustand. Das Stadtbild ist geprägt von den umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Sicherheitspolitiker, genauer gesagt der Elite aus Politik und Wirtschaft, die sich seit exakt vier Jahrzehnten hier trifft, um rüstungs- und militärpolitische Interessen in weltweitem Maßstab zu koordinieren. Der frühere Titel "Wehrkundetagung" wurde modernisiert zu "Münchner Sicherheitskonferenz", ohne Ziele und Zweck der Veranstaltung zu ändern.

Das Ereignis ruft Gegner und Kritiker einer nationalstaatlichen, gewaltorientierten Sicherheitspolitik auf den Plan, bietet den Anlass zu Protestaktionen und Gegenveranstaltungen. Die erste Gegenveranstaltung ist schon im Januar: Am 14.-16.01.2005 findet im DGB-Haus ein Anti-Kriegs-Kongress statt. Er beginnt am Freitag, 14.01., um 19.30 Uhr mit der Auftaktveranstaltung "Gegen soziale Demontage und globalen Krieg intervenieren". Samstags sind Foren und Workshops von 10-20 Uhr, am Sonntag nochmal zwei Foren von 10 bis 14.00 Uhr.

Ganz unter dem Vorzeichen von Sicherheitspolitik steht dann das Wochenende vom 11.-13. Februar 2005. Hier ein knapper Überblick über die Aktionen und Veranstaltungen, die die Münchner Sicherheitskonferenz "begleiten".

Protestieren

Der Samstag Nachmittag ist der Großdemonstration gegen die macht- und gewaltorientierte Politik vorbehalten, für die die Sicherheitskonferenz steht. Unter dem Motto "Für Frieden und soziale Gerechtigkeit weltweit - Nein zu Krieg und Militarisierung" beginnt um 12 Uhr die Auftaktkundgebung am zentralen Marienplatz, von dort geht um 13 Uhr die Demonstration zum "Tagungsort der Militärstrategen".

Für den vorausgehenden Freitag rufen das "Stadtplenum München gegen die NATO-Sicherheitskonferenz" und das teilidentische "Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz" zu Protesten auf. Das Stadtplenum erklärt den ganzen Freitag zum Aktionstag in der Münchner Innenstadt: "Fight global war - Raus auf die Straße, für lebendigen und sichtbaren Widerstand". Das Aktionsbündnis plant Proteste erst ab 17 Uhr beim Bayerischen Hof, dem noblen Tagungshotel in der Innenstadt.

Kritik formulieren

Einige Gruppen aus der Friedensbewegung nutzen das durch die Sicherheitskonferenz geweckte Interesse der Öffentlichkeit an Fragen von Sicherheitspolitik, um die Kritik an der Sicherheitskonferenz argumentativ zu vertreten und alternative Denkansätze und Handlungsstrategien bekannt zu machen. Unter dem Titel "Frieden und Gerechtigkeit gestalten - Nein zum Krieg" setzt ein Trägerkreis, dem u.a. das Münchner Friedensbündnis, der DFG-VK Landesverband Bayern und christliche Gruppen angehören, der Sicherheitskonferenz eine "internationale und öffentliche Gegenveranstaltung" entgegen.

Der erste Teil dieser Friedenskonferenz, ein Internationales Forum am Freitag abend (11.2.), soll an einem vergleichbar zentralen und repräsentativen Ort wie die Sicherheitskonferenz stattfinden: im Alten Rathaus am Marienplatz. Prominente Redner/innen referieren zu den Themen "Feindbild Islamismus" (Horst Eberhard Richter, IPPNW), "Perspektive globale Gerechtigkeit" (angefragt ist Vandana Shiva) und "Europa - eine neue Supermacht" (Gerald Oberansmayer, Friedenswerkstatt Linz). Die Schirmherrschaft hat Professor Hans Peter Dürr.

Im zweiten Teil der Gegenkonferenz am Samstag Vormittag (12.2.) werden im Eine-Welt-Haus verschiedene Diskussionsforen und Workshops angeboten. Ein Workshop diskutiert Überlegungen und Strategien zur Öffnung der Sicherheitskonferenz für die Interessen einer alternativen Sicherheitspolitik. Ein weiterer Workshop arbeitet an der Perspektive "Atomwaffenfrei bis 2020". Ein Diskussionsforum ist dem Zusammenhang von Globalisierung und Krieg gewidmet. Und schließlich werden EU-Verfassung, EU-Militär und Referendum diskutiert.

Ein interreligiöses Friedensgebet am Sonntag Mittag (11.30 oder 12.00 Uhr), schließt die Gegenveranstaltung ab.

Andere Sicherheitspolitik in die Öffentlichkeit tragen

Die Kritik an den Inhalten und Zielen der Münchner Sicherheitskonferenz konstruktiv zu wenden, ist das Anliegen eines weiteren Veranstalterkreises, an dem u.a. die Petra-Kelly-Stiftung und die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit beteiligt sind. Er richtet 2005 den Fokus auf zivile Krisenintervention. Insbesondere in den zahlreichen Konflikten der innerhalb und zwischen den postkommunistischen Transformationsgesellschaften sind Instrumente ziviler Krisenintervention erprobt und weiterentwickelt worden, werden aber von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Dem will die Veranstaltung "Alternative Macht Sicherheit", die am Freitag Nachmittag stattfindet, entgegenarbeiten. Sie beginnt mit einem Referat von Christine Schweitzer (IFGK), die einen Überblick über die Instrumente ziviler Konfliktbearbeitung gibt. Anschließend wird die zivile Konfliktbearbeitung in zwei Regionen untersucht: in Mazedonien und im südlichen Kaukasus. Im Gespräch zwischen Referentinnen aus den Regionen (Bilyana Vankorska und Leila Anyeva) und Interviewpartnern mit Hintergrundwissen wird der Fokus dabei auf der Wahrnehmung und der Bewertung durch Akteure der Zivilgesellschaft vor Ort liegen.

Die anschließenden Workshops befassen sich mit den Handlungsmöglichkeiten und Erfahrungen der unterschiedlichen Akteure der zivilen Krisenintervention:

  • Die Initiative "Pro UNCOPAC" strebt verbesserte Strukturen innerhalb der UNO zur Krisenintervention an. (Referentin: Heide Schütz, Frauennetzwerk für Frieden)
  • Das European Network for Civil Peace Services koordiniert und fördert friedensorientierte Gemeinwesenarbeit und plant(e) ein Projekt in Zypern. (Referent: Tilman Evers, Forum Ziviler Friedensdienst)
  • In Sri-Lanka sind verschiedene europäische Nicht-Regierungsorganisationen tätig, um lokale Friedensgruppen zu unterstützen (Referent/innen: Michaela Told, Forum for Women, Human Rights and Development, und Ranjid Lochbihler aus Sri Lanka)
  • Ein weiterer Workshop mit dem Titel "The next generation" wird der Perspektive, den Forderungen und Fragen der jungen Generation an zivile Krisenintervention Raum geben.

Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen und Informationen wird abschließend das "Aktionsprogramm zur Krisenprävention und Konfliktbewältigung" der Bundesrepublik diskutiert, das von MdB Winfried Nachtwei vorgestellt wird.

In die bunte Reihe der Organisator/innen von Protestaktionen und Gegenveranstaltungen reiht sich erstmals im Jahr 2005 auch der Kreisjugendring München-Stadt ein. Er beteiligt sich an den Gegenveranstaltungen und bietet ein Filmprogramm im Vorfeld an. Eine Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik führt zur Politisierung in der jungen Generation. Gut so.

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