NANO-Militär-Technologie

von Jörg Djuren

NANO-Technologie wird weltweit als Schlüsseltechnologie angesehen. Und NANO-Technologie ist bereits jetzt, alle Investitionen zusammengefasst, die mit Abstand mit Forschungsmitteln am höchsten geförderte Technologie. Knapp 30% der Forschungsausgaben in diesem Bereich in den USA, der führenden Forschungsnation, werden dabei direkt von der staatlichen Militärforschungsagentur (DARPA) finanziert. Aber auch die Bundeswehr betreibt gezielte Nanoforschung.

Was ist NANO-Technologie?
NANO-Technologie ist die gezielte Manipulation von Materie in einem Größenbereich von ca. 1 bis einigen Hundert Nanometer, die zielgerichtet den Effekt ausnutzt (primär quantenmechanische Effekte), dass Manipulationen in diesem Größenbereich zur Veränderung der biochemischen und physikalischen Eigenschaften der Materie führen. Z.B. kann ein und das selbe Metall durch Manipulationen der Form, der Anordnung der Atome und der Größe in diesem Größenbereich mehrfach die Farbe wechseln (also die Quantenübergänge) und völlig unterschiedliche Reaktionskinetiken entwickeln.

10 Wasserstoffatome nebeneinander messen ca. 1 nm, ein DNA-Molekül ist 2,5 nm groß, eine rote Blutzelle misst ca. 5.000 nm im Durchmesser, ein Haar ist ca. 80.000 nm dick.

Durch nanotechnologische Manipulationen kann die Leitfähigkeit von Materialien, die Stabilität, die Oberflächenbeschaffenheit u.a. beeinflusst werden. Nanotechnologie kann außerdem direkt zur Manipulation der DNA verwendet werden.

Diese realen Optionen der Nanotechnologie sollten klar getrennt werden von der Technikmythologie. Nanoroboter mit Schwarmintelligenz, grauer Schleim, der die Erde auffrisst, oder Nanogehirnerweiterungen sind eher männlichen Allmachtsphantasien als der realen Technologieentwicklung zuzuordnen.

Militärische Nutzungen der NANO-Technologie
NANO-Technologie findet als Materialtechnologie (super stabile und leichte Materialien) in fast allen Gebieten der Militärtechnik Anwendungsinteressen. Grundsätzlich droht die Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs. In einigen Gebieten drohen aber spezielle Gefahren.

Jürgen Altmann, der auf dem Gebiet der Kritik der NANO-Militärforschung wichtigste Wissenschaftler, führt gleich mehrere hochriskante Entwicklungen an.

  • Unter Zuhilfenahme der Verknüpfung von NANO- und Bio-Technologie besteht die Gefahr der Entwicklung neuer biologischer und chemischer Kampfstoffe, die gezielt zur Vernichtung spezifischer Personengruppen, auf der Basis ihrer biologischen Merkmale, eingesetzt werden könnten. Da NANO-Materialien nicht als eigene Stoffgruppen klassifiziert sind, werden sie zur Zeit von den bestehenden Abkommen nicht erfasst.

Außerdem besteht die Gefahr der Entwicklung neuer Verfahren die die Produktion biologischer Kampfstoffe in `Hinterhofküchen` ermöglichen könnten.

  • Die Entwicklung neuer Minisatelliten könnte zu einer Eskalation der Aufrüstung im Weltall führen.
  • Die Entwicklung metallfreier Feuerwaffen und neuer Munition droht mit Nanomaterialien, die bei Kontrollen nicht auffindbar wären.
  • Autonom agierende robotische Systeme drohen die Unterscheidung zwischen gegnerischen SodatInnen und ZivilistInnen völlig ad absurdum zu führen und beinhalten außerdem die Gefahr unkontrollierbarer Eskalationen.
  • Für das Militär entwickelte Nanosensoren (teils im Zusammenhang mit miniaturisierten robotischen Systemen) könnten leicht für totalitäre Überwachungsmaßnahmen oder gezielte Ausforschung im Zivilbereich genutzt werden.
  • Miniaturisierte robotische Systeme mit Waffenfunktion öffnen kriminellem Gebrauch Tür und Tor.

Außerdem gibt es diverse nanotechnologische Entwicklungsansätze, um bestehende Waffensysteme effizienter einsetzen zu können (z.B. Sensoren, Zielgenauigkeit). Da dies auch die Massenvernichtungswaffen betrifft, besteht auch hier die Gefahr, dass bestehende Rüstungskontrollabkommen unterlaufen werden.

Dringend notwendig ist die Ergänzung bestehender Rüstungskontrollabkommen, um einen NANO-Technologie spezifischen Teil, um ihre Wirksamkeit nicht völlig außer Kraft zu setzen. Außerdem bedürfen die genannten neuen Risiken eigenständiger Regulierungen.

Double Use
Ein besonderes Problem im Bereich NANO-Technologie resultiert aus dem Ansatz der DARPA, gezielt Double-Use-Forschung zu finanzieren. Dadurch wird auch die zivile Entwicklung in vielen Bereichen vom militärischen Kalkül dominiert.

In der NANO-Technologieforschung macht sich dies besonders im medizinischen Bereich bemerkbar. Das instrumentelle Verhältnis des Militärs gegenüber SoldatInnen verstärkt hier den sowieso auch schon in der zivilen Medizin vorhandenen instrumentellen Blick auf PatientInnen. Menschen werden als maschinell ergänzbare und biochemisch optimierbare Einheiten betrachtet.

Ökologische und weitere Probleme
Zum Teil verkauft das Militär nanotechnologische Militärforschung unter dem Label der Entwicklung ökologischer Militärtechnik. So sollen uranummantelte Geschosse durch Geschosse mit Ummantelung aus nanotechnologischen Materialien, `Ökomunition`, ersetzt werden.

Real sind aber die ökologischen und gesundheitlichen Risiken von Nanomaterialien zur Zeit völlig unklar. Die Swiss-Re, die zweitgrößte Rückversicherungsgesellschaft der Welt, hat ausdrücklich davon abgeraten, nanotechnologische Risiken zu versichern, bzw. nur mit Risikodeckelung. Befürchtet werden kumulative Schadensereignisse, vergleichbar Asbest.

Die gerade erst beginnende Forschung zu NANO-Toxikologie weisen bereits jetzt auf erhebliche Risiken hin. So wurden bei Forschungen mit Nanomaterialien Zellschädigungen und schwere Schäden an Nerven und im Hirn von Fischen festgestellt. Genaue Aussagen sind auf Grund der Vielfalt nanotechnologischer Materialien aber zur Zeit nicht möglich. Das ökologische Risikopotential kann sich selbst bei ein und dem selben Material auf Grund unterschiedlicher Größe oder Struktur im Nanobereich radikal ändern parallel zur oben dargestellten Änderung der biochemischen und physikalischen Eigenschaften.

Schlussfolgerungen
Die langfristige Forderung aus antimilitaristischer Sicht ist natürlich, jegliche Militärforschung einzustellen und die Abschaffung des Militärs.

Da dies zur Zeit kaum durchzusetzen sein dürfte, gilt es, die Auseinandersetzung in allen oben genannten Bereichen im Detail zu führen und möglichst weitgehende Begrenzungen nanotechnologischer Militärforschung und ihrer Anwendung durchzusetzen. Letztendlich betrifft NANO-Technologie als Querschnittstechnologie praktisch alle Bereiche und damit müssen zukünftig alle Aktiven im Bereich antimilitaristischer und pazifistischer Initiativen die durch NANO-Technologie neu hinzukommenden Probleme in ihrem spezifischen Aktionsfeld mit einbeziehen.

Darüber hinaus wird am Beispiel NANO-Technlogie nochmal das Problem der Double-Use-Forschung deutlich.

  • Double-Use führt dazu, dass wir im zivilen Bereich zunehmend Technologie nutzen, die durch leichte Manipulationen einfach in Waffentechnologie umzuwandeln ist, sei dies durch Kriminelle, TerroristInnen oder Staaten, die anders keinen Zugang zu diesen Technologien haben.
  • Double-Use führt zur Durchsetzung absurder ökologisch schädlicher Technologien und von Technologien, die einer militärischen Logik folgen, auch im zivilen Bereich (Beispiel Atomenergietechnologie, u.a.).
  • Double-Use dient vielen ForscherInnen, die ihre Forschung vom Militär finanzieren lassen, als Begründung für die Harmlosigkeit ihrer Forschung. Selbst Noam Chomsky argumentiert so bzgl. seiner Forschungen in den 60er Jahren, die zu 100% vom Militär finanziert wurden und einen Teil der Grundlagen für moderne KI-Systeme gelegt haben.

In der NANO-Technologieentwicklung drohen viele dieser Probleme mit neuer Brisanz aufzutreten, z.B. in der Double-Use-Forschung im Bereich der NANO-Biotechnologie. Gefordert werden muss eine klare Trennung der zivilen und militärischen Forschung.

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Hintergrund
Jörg Djuren arbeitet seit ca. 20 Jahren zu Fragen der Naturwissenschafts- und Technologiekritik im Rahmen unabhängiger Basisgruppen.