Trägerkreis „Atomwaffen abschaffen!“ startet Projekt zur EU-Wahl am 9. Juni

nuclearban24.eu: Europa wählt atomwaffenfrei!

von Marvin Mendyka
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Europa erlebt eine Zeit gefährlicher Konfrontation. Alle Atommächte rüsten auf, einzelne Stimmen fordern sogar eigene Atomwaffen für die EU. Angesichts der möglichen Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident hat die Diskussion über eine europäische nukleare Abschreckung kürzlich erneut an Fahrt aufgenommen. Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europaparlaments, äußerte Mitte Februar, dass diese auf dem Weg zu einer europäischen Armee ein Thema werden könne. Damit ist sie nicht allein. Auch andere namhafte Politiker wie EVP-Chef Manfred Weber, Joschka Fischer und Herfried Münkler haben in den letzten Wochen und Monaten ähnliche Ansichten geäußert.

Was die Befürworter einer EU-Nuklearabschreckung genau fordern, bleibt oft im Unklaren. Das hat seine Gründe. Wer würde über den Einsatz von EU-Atomwaffen entscheiden? Wer würde sie im Ernstfall einsetzen? Wer zahlt das Ganze?

Manche Vorschläge sind schlichtweg Quatsch und würden selbst von Befürworter*innen eines EU-Nuklearschirms zumindest aus Gründen der Praktikabilität abgelehnt werden. Dazu zählt etwa Münklers Vorschlag. „Wir brauchen einen gemeinsamen Koffer mit rotem Knopf, der zwischen großen EU-Ländern wandert", lautete der Vorschlag des Politikwissenschaftlers. Das wirft Fragen auf. Würde der „rote Knopf“ dann von Zeit zu Zeit auch in Hauptstädten von EU-Ländern liegen, die den Atomwaffenverbotsvertrag unterstützen? Unwahrscheinlich.

Abseits der mangelnden Praktikabilität gibt es aber noch weitere, gewichtigere Gründe rechtlicher, politischer und humanitärer Natur, warum eine EU-Atombombe abzulehnen ist.

  1. Der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) als auch der Zwei-plus-Vier-Vertrag verbieten es Deutschland, eigene Atomwaffen zu besitzen. Der NVV, den alle EU-Staaten unterzeichnet haben, macht eine EU-Atombombe unmöglich, da er eine Weitergabe der Verfügungsgewalt über Atomwaffen ausschließt. Obendrein stünde ein EU-Atomschirm im Widerspruch zum Abrüstungsgebot des NVV.
  2. Noch mehr Atomwaffen und neue Nuklearmächte würden dazu führen, dass weitere Staaten nach der Bombe streben könnten. Eine unkontrollierbare Verbreitung könnte einsetzen, da mehr Staaten Atomwaffen als adäquates Mittel in Betracht ziehen könnten, um ihre Sicherheit zu garantieren. Eine EU-Atombombe wäre ein Anreiz für weitere Proliferation.
  3. Wer weitere Atomwaffen fordert, nimmt die katastrophalen humanitären und ökologischen Konsequenzen eines möglichen Einsatzes leichtfertig in Kauf. Wie wir aus der Geschichte der Atomwaffeneinsätze und -tests wissen, sind die Auswirkungen für Mensch und Umwelt verheerend.

Warum sich die Friedensbewegung einmischen muss
So absurd die Debatte um eine Euro-Bombe auch ist, kann sich die Friedensbewegung nicht erlauben, sie auszusitzen.  Breit geführte öffentliche Diskussionen wie die über die Euro-Bombe prägen maßgeblich, wie die Menschen über Atomwaffen denken. Sehen sie diese eher als Schutz oder eher als Bedrohung?

Auch wenn in Deutschland die Befürwortung von Atomwaffen als Garant für Sicherheit traditionell eher gering ist, was eine Vielzahl repräsentativer Umfragen in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt hat, ist die öffentliche Meinung anfällig. Wenige Tage, nachdem SPD-Politikerin Barley die Debatte um europäische Atomwaffen entfacht hatte, zeigte eine repräsentative Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Civey für t-online durchgeführt hat, Erstaunliches. Auf die Frage „Wie würden Sie es bewerten, wenn der EU eigene Atombomben zur Verfügung stünden?“ antworteten ganze 40 Prozent der Befragten, es wäre „(eher) positiv“, wenn der EU Atombomben zur Verfügung stünden. Das Lager derjenigen, die diese Idee ablehnten, war mit 44 Prozent nur geringfügig größer. (1)

Das Ganze wirft die Frage auf, wie viele Debatten um EU-Atomwaffen – seien sie noch so substanzlos – sich die Friedensbewegung noch leisten kann, bevor die öffentliche Meinung gänzlich kippt.

Das Projekt nuclearban24.eu mischt sich ein!
Der Trägerkreis „Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen!“, in dem mehr als 70 Organisationen aus der Friedens- und Umweltbewegung, Gewerkschaften und religiösen Gruppen vereint sind, hat sich entschieden, dabei nicht länger zuzuschauen und sich aktiv in die Debatte einzumischen. Dafür wurde das Projekt „nuclearban24.eu“ ins Leben gerufen. Das Projekt soll zum einen über Atomwaffen in der EU aufklären. Denn keineswegs ist es so, dass alle Mitgliedsstaaten auf nukleare Abschreckung setzen. Einige unterstützen sogar den Atomwaffenverbotsvertrag. Konsens für Atomwaffen in der EU? Fehlanzeige! Auf der gleichnamigen Website stellt das Projekt ausführliche Länderporträts zur Verfügung.

Neben der Infoarbeit ist der Aufbau von Druck auf die Parteien die zweite, wichtige Säule: Angefangen bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion, die im März in Düsseldorf mit Politiker*innen und Kandidierenden zur Europawahl stattfand, über Wahlprüfsteine bis hin zu einer Mitmach-Phase Anfang Mai, sind dazu vielfältige Aktivitäten geplant. Bei letzterer steht die Arbeit mit den ICAN-Abgeordnetenerklärungen im Zentrum. Die Kandidierenden sollen ihre Unterstützung für das Atomwaffenverbot kundtun, noch bevor sie ins EU-Parlament gewählt werden! Seit März läuft außerdem der Appell „EU-Atombombe? Nicht mit uns!“, um die Argumente gegen eine nukleare Bewaffnung der EU breiter zu verankern.

Anmerkung
1 https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/eu/id_100345654/eu-atombombe...

Alle Aktivitäten und Ressourcen des Projekts nuclearban24.eu sind auf der gleichnamigen Website abrufbar: www.nuclearban24.eu.

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Referent für Social-Media und Öffentlichkeitsarbeit beim Netzwerk Friedenskooperative.