Atomwaffen

Proteste in Büchel stören! Eine Zwischenbilanz

von Marion Küpker

Vom 26. März bis 9. August, dem Gedenktag des Atombombenabwurfes auf die japanische Stadt Nagasaki, haben Mahnwachen und Blockade-Aktionen an den Zufahrtstoren des Bundeswehr-Atomwaffenstützpunktes Büchel stattgefunden, 16 km von Cochem an der Mosel entfernt. Diese Zwischenbilanz wurde Mitte Juli verfasst.

Diese „Aktionspräsenz“ in der neuen bundesweiten Kampagne Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt! steht für die 20 Wochen – und die 20 dort stationierten US - Atombomben, deren nukleare Aufrüstung bis 2024 vollständig umgesetzt werden soll. Der geplante neue Atombombentyp (B61-12) soll in den USA 2020 in die Produktion gehen, und ist neben Büchel für Militärstützpunkte in den Niederlanden, Belgien, Italien und der Türkei vorgesehen. Zudem soll bis dahin ein neuer Hochsicherheitszaun um den Militärstützpunkt gezogen werden und die Umrüstung der Tornados für die neue Satellitensoftware, die Erneuerung der Landebahn etc. beendet sein. Die B61-12 soll satellitensteuerbar und zielgenauer sein, was die Schwelle eines Einsatzes verringert, und das, obwohl Präsident Obama versprach, keine neuen Atombomben entwickeln zu lassen. Der Militärstandort Büchel ist regelmäßig in nukleare NATO-Mänöver eingebunden, letztmalig im Juni 2016 mit 31.000 Teilnehmenden in Polen, wodurch eine Atomkriegsgefahr mit Russland weiter zunimmt. Die Kampagne will in Büchel diese neue nukleare Aufrüstung verhindern und fordert den Abzug der existierenden Atombomben sowie die Unterstützung auch unserer Regierung für einen internationalen Verbotsvertrag von Atomwaffen!

Zwischenbilanz: Aktionspräsenz
28 der über 40 Gruppen/Organisationen und Einzelpersonen der Aktionspräsenz haben in den ersten 16 Kalenderwochen ihre Proteste in vielfältiger Weise rund um den Atomwaffenstützpunkt zum Ausdruck gebracht (darunter viele neue friedensbewegte Menschen aus der Region und darüber hinaus, der Initiativkreis gegen Atomwaffen, Kirchengemeinden, Pfarrer mit Kreuzen, Friedensgruppen aus Wetzlar, Bonn, Köln, Stuttgart, Mutlangen, Völklingen, Saarbrücken, büchel65, Marche Mondiale de Femmes, Codepink, die AG Friedenswiese, Chor Entrüstet Euch!, DFG-VK, Esslingen, Hunsrück, Organisationen wie der Internationale Versöhnungsbund, Internationale Frauenliga, DKP, IPPNW...). Fast täglich stehen Mahnende mit Transparenten am Verkehrskreisel vor dem Hauptor des Fliegerhorstes, zweimal bereits mit Ausstellungen über die Folgen von Atombombenabwürfen, die den gesamten Kreisel erfassten. Zivile wie militärische Angehörige des Stützpunktes und AnwohnerInnen werden hierdurch regelmäßig daran erinnert, welche Gefahr von diesem Ort ausgeht, was zu Artikeln in der regionalen Presse führt und die Diskussion darum auch im Privaten nicht verstummen lässt. Blockaden wurden bisher geduldet, d.h. die Polizei ist nicht direkt vor Ort und kommt auf Anzeige durch die Bundeswehr nach ca. einer halben Stunde angefahren, um sich einen Überblick zu verschaffen. Solange weitere Tore des Fliegerhorstes für Autos nutzbar sind, wird der Verkehr umgeleitet und wir werden ohne Ausweiskontrolle „sitzen gelassen“. Hierzu sagte ein Polizeieinsatzleiter, dass wir in Deutschland ein hohes Demonstrationsrecht hätten. Tatsache ist auch, dass es wegen Büchel in den letzten 20 Jahren zu keiner einzigen Verurteilung aufgrund einer Blockade-Teilnahme kam. Anscheinend soll dieses Jahr auf erneute leere Androhungen rechtlicher Konsequenzen, wie sie noch letztes Jahr während der büchel65- Blockaden geschahen, verzichtet werden. Drei Blockade-Aktionen umfassten 3-4 Zufahrtstore mit 15 bis 20 Teilnehmenden insgesamt, wodurch es am frühen Morgen jeweils zu einem mehrstündigen Verkehrs-Rückstau auch auf die Bundesstrasse kam. Hier wurden jeweils von einem einzigen Tor die Sitzenden zur Seite getragen und es kam zur Personalienfeststellung.

Friedenswiese
Direkt an der Abzweigung der Bundesstraße hin zum Haupttor wurde unsere Friedenswiese eingerichtet, die sich durch die Aktionspräsenz der Teilnehmenden und mit vielen schönen Symbolen und Transparenten füllte: eine Wandtafel mit Kampagnenlogo, einer Apfelbaum-Pflanzung, einem Ölgemälde, einem zerbrochenen Gewehr, dem Bildstock mit Jesus und dem zerbrochenen Gewehr, der pinken Drohne, den Kreuzen mit Friedenssymbol...

Seit Juni wurden bereits an zwei Wochenenden nachts Transparente und Bilder zerstört und geklaut, die pinke Drohne wurde gestohlen und der Bildstock mit Farbe besprüht. Hiergegen haben wir Anzeige erstattet, allerdings nicht mit dem Ziel einer gerichtlichen Strafverfolgung der TäterInnen, sondern um darüber in der regionalen Zeitung zu berichten und bei einer eventuellen Überführung mit den Personen ins Gespräch über ihre Motive kommen zu können. Bisher konnten wir die meisten Symbole ersetzen und haben auch Zusagen der Gruppen, ihre entwendeten Symbole schnell neu aufzustellen.

Regionale Reaktionen auf unsere Aktionspräsenz
Die ersten zwei Monate waren geprägt durch sehr kaltes und wechselhaftes Wetter. Reaktionen der vorbeifahrenden AutofahrerInnen waren gemischt von Daumen hoch bis zu Zurufen, dass wir arbeiten gehen sollten. Nachdem die regionale Zeitung über den Pfarrer berichtete, der für eine einwöchige Mahnwache extra seinen Urlaub nahm, und auch über die große Blockade der Ärzteorganisation IPPNW informierte, veränderte sich das Verhalten sichtbar., auch wenn Einzelne weiterhin ihren Unmut zeigen. Menschen halten an und bekunden, dass wir auch stellvertretend für sie dort stehen, bringen uns Tee und Kaffee, sind erstaunt über unsere Hartnäckigkeit und diskutieren darüber, ob unsere mahnenden Aktionen bei der Übermacht des Militärs überhaupt Aussicht auf Erfolg haben können. So erfahren sie über den Standort Büchel und die darüber hinaus gehenden Aktivitäten gegen Atomwaffen. Unser Widerstand wird als „seriös“ und berechtigt wahrgenommen, und selbst Soldaten kommen jetzt immer mal wieder und bedanken sich.

Der morgendliche, durch Blockaden verursachte Rückstau auf der Bundesstraße führte u.a. auch dazu, dass Menschen verspätet zur Ausbildung oder Arbeit kamen oder auch nicht rechtzeitig zu einem Arzttermin etc. .Zukünftig bekannte Blockade-Aktionen sollen daher auch im Netz über "Blaulicht" kommuniziert (ca. 5000 Menschen informieren sich hier über Verkehrsbehinderungen) und im Vorfeld auf der Bundesstraße mit Schildern darauf hingewiesen werden, zumal auch die Polizei und Versammlungsbehörde durch unseren Webseiten-Kalender rechtzeitig von den Aktionen erfahren.

Selbstverpflichtungserklärung
Ziel und Kernelement der diesjährigen Aktionspräsenz unserer Kampagne "Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt!" ist die Selbstverpflichtungserklärung wie damals in den 1980ern in Mutlangen, d.h. wir sammeln aktuell möglichst viele Unterschriften von Menschen, die damit öffentlich erklären, in den kommenden Jahren mindestens einmal im Jahr zu einer Aktion nach Büchel zu kommen - bis unsere Forderungen nach Abzug etc. erfüllt sind.

Im kommenden Jahr ist wieder Bundestagswahl in Deutschland. Die Aktionspräsenz ist Auftakt für zukünftige Aktionen, die um so dringender werden, wenn sich die aktuelle politische Situation auch international weiter zuspitzt. Im November entscheidet sich, wer die neue Befehlshoheit über die Atombomben der NATO, die beim US-Präsidenten liegt, erhält. Es ist sehr beunruhigend, dass voraussichtlich entweder der rechtspopulistische Donald Trump oder aber Hillary Clinton, die die meisten Spenden durch die US-Waffenkonzerne erhält, die kommende Präsidentschaftswahl gewinnen werden.

Im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern, die im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO neue Atombomben (und dazu neue US-Trägerflugzeuge für insgesamt 10 Mrd. US $) erhalten, wurde in Deutschland in den letzten Jahren intensive Kampagnenarbeit mit Druck von unten (inklusive zivilem Ungehorsam) organisiert. Zum Teil gibt es in anderen Ländern bereits Gesetze, die die nukleare Aufrüstung zu Fall bringen könnten, sobald ein anderes Land (WIR!) aus der Atomwaffenpolitik aussteigen würde. Die Kampagne in Deutschland könnte eine wichtige Schlüsselrolle für die nukleare Abrüstung sein!

Gerichtsverhandlung im Juni 2016 wegen büchel65 Blockaden
Am Amtsgericht Cochem wurde gegen Carsten Orth ein Prozess geführt, der die Dauermahnwache und das Camp 2015 (nicht aber die Blockaden) angemeldet hatte und der Verantwortliche für die büchel65-Webseite war. Er sollte für fast alle Blockaden, die es 2015 während der 65 Tage gegeben hatte, verantwortlich gemacht werden. Interessant war, dass die Blockaden, die mit religiösen Würdenträgern stattfanden, niemandem zur Last gelegt wurden, auch nicht ihm. Am Morgen des Prozesstages gab es eine Blockade-Aktion an mehreren Toren des Fliegerhorstes. . Die büchel65 Aktionsgruppen hatten dem Richter bereits vorher schriftlich ihre Eigenverantwortung für ihre jeweilige Aktion mitgeteilt. Selbst die Zeugen von der Polizei konnten nicht bestätigen, dass sich Carsten ihnen gegenüber als Verantwortlicher gezeigt hatte.

Der Polizeieinsatzleiter sagte zudem, die BlockiererInnen seien alle durchweg als friedlich Handelnde zu bezeichnen und hätten 'fast gar kein, man könne sogar sagen kein' Aggressionsverhalten gezeigt. Diese Aussage erhielt einen schönen Applaus der etwa 30 ProzessbeobachterInnen (und eine belächelte Rüge des Richters)! Carstens Verfahren wurde gegen eine Geldauflage von 400 Euro an "Ärzte ohne Grenzen" eingestellt.

Zur Selbstverpflichtungserklärung und weiteren Infos geht es hier: www.buechel-atombombenfrei.de.

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Marion Küpker ist internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atomwaffen.