Der Größte in Deutschland

Rheinmetall – auf allen Kontinenten

von Jacqueline Andres
Schwerpunkt
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Seit geraumer Zeit rückt Rheinmetall vermehrt in den Fokus zahlreicher friedenspolitischer Kampagnen – und zwar nicht nur in der BRD, sondern auch in der Schweiz und in Italien.

Rheinmetall ist das größte in Deutschland ansässige Rüstungsunternehmen und steht an 26. Stelle der größten Rüstungsunternehmen weltweit. An 117 auf allen Kontinenten verteilten Standorten arbeiten insgesamt rund 12.000 Menschen in der Automobil- und weitere 11.000 in der Defence-Sparte des Unternehmens. Die Rüstungssparte befindet sich in einem stetigen Ausbau, und die Gewinnspanne steigt: Bereits 2017 übertraf die Rüstungssparte mit einem Umsatz von 3,036 Milliarden Euro den der Automobilsparte (2,86 Milliarden Euro). Laut dem Geschäftsbericht 2017 rechnet das zu einem der weltweit größten Munitionshersteller avancierte Unternehmen mit einem Umsatzzuwachs der Rüstungssparte von 12% bis 14% für 2018. Die Rüstungssparte selbst setzt sich aus der Produktion von Fahrzeugsystemen (u.a. Rad-, Schützen- und Kampfpanzer sowie militärische LKWs), Waffen und Munition sowie Systemen für Aufklärung und Sensorik, Radarsysteme, Gefechtsübungszentren und Vernetzungstechnik, zusammen. Die Produktion trägt nicht nur einen erheblichen Teil zur Kriegsführung weltweit bei, sondern stellt auch eine Gefahr für die Umgebung der Produktionsorte selbst dar. In Südafrika starben Anfang September 2018 acht MitarbeiterInnen bei einer Explosion in der Rheinmetall Denel Munitionsfabrik im Umland von Kapstadt, die das gesamte Gebäude einstürzen ließ. Erst im Januar 2018 mussten bei einer anderen Munitionsfabrik nordöstlich von Kapstadt die Landwirtschaftsbetriebe im Umkreis wegen eines Gasleaks evakuiert werden.

Von Munition für das Kaiserreich …
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1889 unter dem Namen „Rheinische Metallwaaren- und Maschinenfabrik“ in Düsseldorf, wo bis heute der Hauptsitz der Firma ist. Zunächst produzierte das Unternehmen Munition, Minenwerfer, Zünder und Maschinenpistolen. Im Laufe des Ersten Weltkrieges entwickelte sich das Unternehmen zum größten Rüstungshersteller im deutschen Kaiserreich. Erst der Versailler Vertrag zwang Rheinmetall offiziell zu einer Umstellung auf zivile Produktion. Dennoch stellte Rheinmetall die militärische Produktion nicht komplett ein: Schon damals fand Rheinmetall in Zusammenarbeit mit der Reichswehr Wege, die Rüstungsbeschränkungen zu umgehen.

… zu Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg
1933 kaufte Rheinmetall den vor dem Konkurs stehenden Lokomotivhersteller Borsig auf, und die Fusion drei Jahre später brachte die Umbenennung in Rheinmetall-Borsig AG mit sich. Mit den kriegsvorbereitenden Aufträgen des Reichskriegsministeriums nahm die Waffen- und Munitionsproduktion wieder Fahrt auf und ebnete den Weg zu Rheinmetalls Aufstieg als bedeutsames Rüstungsunternehmen auf Kosten zahlreicher Menschenleben im Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1938 wurde die AG in die staatlichen “Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring“ eingegliedert.
Während des Zweiten Weltkrieges setzte Rheinmetall ZwangsarbeiterInnen ein. Im Hauptsitz bei Düsseldorf wurden nach Kriegsende 5.000 osteuropäische ZwangsarbeiterInnen befreit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte Rheinmetall infolge der Entwaffnung Deutschlands zwangsläufig die Produktion erneut auf zivile Güter um – lange dauerte diese Konversion jedoch nicht an. Mit der Wiederbewaffnung Deutschlands in den 1950er Jahren nahm Rheinmetall wieder verstärkt militärische Güter in die Produktionspalette auf.

… und zu heutigen Profiten in weltweiten Kriegen
Zuletzt sorgte der Einsatz von Leopard-Panzern durch die türkische Armee im Rahmen der völkerrechtswidrigen Invasion Afrins für Empörung. Rheinmetall arbeitet darüber hinaus an Plänen, einen Fuß in die Panzerproduktion in der Türkei zu bekommen. Durch ein deutsch-türkisches Joint Venture hofft Rheinmetall, den Auftrag für die Produktion von 1.000 Panzern zu erhalten. In Algerien passiert dies bereits: Hier hat Rheinmetall Algérie in einer von Rheinmetall errichteten Fabrik angefangen, rund 980 Fuchs-Panzer für „Terrorismusbekämpfung“, Schutz von Öl- und Gasanlagen und Grenzüberwachung zu produzieren – ungestört von deutschen Exportrichtlinien.

Tatsächlich baut Rheinmetall seit geraumer Zeit an der Internationalisierung seiner Produktion durch Tochter- und Gemeinschaftsgesellschaften, um Exportrichtlinien besser umgehen zu können und gleichzeitig durch ein weites Logistiknetzwerk internationale Kunden besser bedienen zu können. Bereits in den 70er Jahren machte Rheinmetall falsche Export-Deklarationen gegenüber den Behörden und behauptete, eine komplette Munitionsfüllanlage an eine nicht existierende Firma in Paraguay liefern zu wollen, während diese schlussendlich entgegen dem UN-Waffenembargo an den Apartheidstaat in Südafrika geschifft wurde.

Insgesamt hat der Konzern Rheinmetall Denel Munition (RDM), ein Joint Venture von Rheinmetall und der südafrikanischen Denel Ltd, bereits 39 Munitionsfabriken geliefert. Die Bundesregierung fühlt sich nicht zuständig, obwohl RDM zu 51% Rheinmetall gehört. Zu diesen Fabriken zählt eine im Jahr 2008 im Emirat Abu Dhabi errichtete Munitionsanlage. Die nun Burkan Munition Systems genannte Anlage erhält bis heute technische Unterstützung von Rheinmetall Waffe Munition Italia S.p.A. und RDM. Im Jahr 2016 erhielt Saudi Arabien vom RDM ebenfalls eine Munitionsabfüllanlage – zu diesem Zeitpunkt bombardierte die von Saudi Arabien geführte Militärkoalition, an der sich auch die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligen, bereits seit einem Jahr Jemen, und erste Berichte von Amnesty International über Kriegsverbrechen Saudi-Arabiens lagen vor. Im Januar 2018 verkündete Rheinmetall, eine weitere Munitionsabfüllanlage über RDM nach Ägypten geliefert zu haben. Rheinmetall beliefert somit nicht nur die Militärdiktatur in Ägypten, unter der die Menschenrechtslage fatal ist, sondern auch einen dritten am Jemen-Krieg beteiligten Staat.

In Jemen wird nicht nur die Munition aus den drei genannten Munitionsabfüllanlagen verwendet, sondern auch Munition aus Sardinien. Dort stellt das Tochterunternehmen RWM Italia S.p.A Gefechtsköpfe und elektronische Zündsysteme her, die auch an Saudi Arabien geliefert werden. Abgesehen davon erhielt Saudi Arabien von der Rheinmetall-Tochter Nico Pyrotechnik Blend- und Knallgranaten und von der österreichischen RWM-Arges GmbH hochexplosive Splittergranaten, die 2014 zur blutigen Niederschlagung von Protesten gegen das Königshaus in Al Awamija eingesetzt wurden.

Abseits jeglicher medialen Aufmerksamkeit gründete Rheinmetall im Jahr 2015 mit dem kasachischen Waffenproduzenten Kasachstan Engineering die Rheinmetall KE. Vorgesehen ist u.a. der Aufbau eines staatlichen militärischen Trainingszentrums, obwohl zahlreiche Berichte über die menschenverachtende Vorgehensweise kasachischer Sicherheitskräfte gegen regimekritische Stimmen vorliegen.

Die Produkte des Unternehmens Rheinmetalls sind nicht nur weltweit an den klassischen Kriegsschauplätzen im Einsatz, sondern auch u.a. in der militarisierten Grenzüberwachung. So werden z.B. die Marder-Panzer, an denen sich Rheinmetall beteiligt, entlang der syrisch-jordanischen Grenze eingesetzt. Dort patrouilliert das jordanische Militär mit aus Bundeswehrbeständen gelieferten Marder-Panzern am Niemandsland Rukban, für das sich weder Syrien noch Jordanien verantwortlich erklären. Es ist zu einem Zufluchtsort für rund 50.000 Flüchtlinge geworden, die nun unter schwierigsten Bedingungen an der Grenze ausharren. Rheinmetall stellt auch für die Grenzüberwachung geeignete Nachtsichtgeräte her sowie das Infrarot-Überwachungssystem FIRST und das aus elektrooptischem Sensor und optionalem Radar bestehende Persistent Surveillance System – PSS.

Bereits seit den 90er Jahren entwickelt der Konzern Abhörtechnologie für Satellitenkommunikation, und aktuell befinden sich 50 Aufklärungssysteme weltweit im Einsatz von Militärapparaten und Geheimdiensten.

Rheinmetall trat als einer der Sponsoren der Überwachungsmesse ISS im März 2018 auf. Während der Messe hielt André Reichow-Prehn, der Programmleiter Cyber der Rheinmetall Electronics GmbH, einen Vortrag über digitale Einbruchswerkzeuge, mit denen Zugang zu Betriebssystemen erlangt werden kann. Besonders angesichts der repressiven Nutzung solcher Software gegen RegierungskritikerInnen in zahlreichen Staaten im arabischen Osten sind die Entwicklung und der Verkauf solcher Software ein Dolch im Rücken all jener mutigen Personen, die sich weltweit für demokratische Prozesse einsetzen.

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Jacqueline Andres ist im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung e.V. und forscht u.a. zu Profiteuren der europäischen Migrationspolitik.