Rüstungsplanung und Arbeitnehmerinteressen

von Klaus Mehrens

Die absurden Überlegungen, die Sowjetunion und die übrigen Warschauer-Pakt-Staaten wirtschaftlich kaputt zu rüsten, die es in den beginnenden achtziger Jahren gab, sind inzwischen wohl endgültig zu den Akten gelegt; wohl weniger wegen der objektiven Unmöglichkeit, als viel-mehr wegen der offensichtlichen Unsinnigkeit und der schweren ökonomischen Belastungen, die das auch für die westlichen Staaten mit sich bringen würde.     

Auch hier bestätigt sich also die These, daß Abrüstungsschritte vor allem aus wirtschaftlichen Gründen begonnen werden. Soziale und ökonomische Gründe sind dann auch die entscheidenden Motive für das Abkommen im Mittelstreckenbereich gewesen. Neben vielen Fragen, die sich hinsichtlich der Fortsetzung des Abrüstungskurses stellen, ergibt sich für die Bundesrepublik ein besonderes Problem, Stärker als in anderen Ländern sehen wir uns vor der Gefahr, daß nukleare Abrüstungserfolge als Argumente für konventionelle Aufrüstung mißbraucht werden. Die hochgesteckten Aufrüstungsziele der Bundeswehrplanung erfahren auf diesem Wege eine scheinbare Rechtfertigung. Diese Bundeswehrplanung steht allerdings - zumindest bisher - iri einem merkwürdigen Kontrast zu den auch mittelfristig vorgesehenen Haushaltsansätzen. Gegenwärtig ist ein eindeutiger Zusammenhang, zwischen den mäßig wachsenden Rüstungsausgaben und den stagnierenden oder rückläufigen Sozialausgaben nur schwer nachweisbar. Vielmehr müssen sich auch die Rüstungsausgaben den selbstverordneten Sparzwängen konservativer Politik unterordnen. Es mehren sich allerdings die Anzeichen dafür, daß die Haushaltsansätze in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre einen deutliche Übergangscharakter haben. Bei gleichbleibenden politischen Kräfteverhältnissen muß man davon ausgehen, daß in den neunziger Jahren insbesondere die Ausgaben für die Beschaffung von Waffen und Gerät geradezu explodieren werden.

Solche Anzeichen sind vor allem die zwischen 1982 -und 1986 um mehr als 50 Prozent gesteigerten Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Rüstungsbereich. Es ist aber auch die Rüstungsplanung selbst und die im Rahmen dieser Planung bereits beschlossenen Großprojekte (insbesondere Panzerabwehrhubschrauber 2 und Jäger 90).

Mehr noch als die Zahlen in der Bundeswehrplanung, mit deren Verdoppelung, das heißt mit einer Steigerung auf etwa 500 Milliarden DM bis zum Jahr 2000 man durchaus rechnen kann, werden sich also die Finanzplanungszahlen im Rüstungshaushalt als reine Fiktion erweisen.

Sollten die Grundsätze neokonservativer Politik, zu denen ja die ständig weitere Begünstigung der Unternehmen gehört, auch in den neunziger Jahren Bestand haben, dann ist mit verschärften Verteilungskonflikten zu rechnen. Noch eindeutiger als bisher müßte dann der Kampf gegen weitere Aufrüstung mit einer aktiven Politik für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeit, für mehr Beschäftigung und soziale Sicherheit verbunden werden.

Für Friedensbewegung und Gewerkschaften geht es zunächst darum, die argumentativen Grundlagen zu verbessern. Es gilt, in der Öffentlichkeit noch deutlicher zu machen, dass Rüstungsproduktion das schlechteste Instrument einer aktiven Beschäftigungspolitik ist. Es gilt zum zweiten, die Gedanken weiterzuentwickeln, die auf eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit und die gleichzeitige Reduzierung der Rüstung abzielen. Die bestehende Bundeswehrplanung wird keiner einzigen gewerkschaftlichen Zielsetzung gerecht. Gegen ihre Realisierung muß politisch mobilisiert werden.

Aber die Auswirkungen von Rüstung auf das ökonomische und soziale System gehen weit über diesen Zusammmenhang hinaus. Die Friedensforschung hat gerade in diesen Monaten in einer Veröffentlichung nachgewiesen, daß bis zu einem Drittel der gesamten Rüstungsnachfrage in der Bundesrepublik in den 70er und _80er Jahren stationierungsbedingt war, also vom Bedarf der ausländischen Truppen in der Bundesrepublik an Gütern. und Diensten abhing. Nimmt man den Rüstungsexport hinzu, dann ergibt sich sogar eine Außenabhängigkeit der Rüstungsnachfrage von über 40 Prozent.

Dadurch entstehen. "Abrüstungsprobleme" besonderer Art. Sie sind durch nationale Entscheidungen nur indirekt beeinflußbar. Sie machen gleichzeitig deutlich, wie stark nicht nur die militärpolitische, sondern auch die ökonomische Verflechtung im Rüstungszusammenhang ist.

Nimmt man die inländische und stationierungsbedingte und auslandsabhängige Rüstungsnachfrage zusammen, dann ergeben sich durchaus gesamtwirtschaftlich relevante Größenordnungen. Sie sind dann auch mit Arbeitsplatz- und Beschäftigungswirkungen verbunden, die eine geschlossene Mobilisierung von Arbeitnehmern nicht gerade leichter machen.

Zusätzlich zu den bereits genannten Zielsetzungen stellt sich deshalb für die Gewerkschaften die Aufgabe, für die betroffenen Beschäftigten Alternativen außerhalb des Rüstungsbereichs aufzuzeigen. Dafür gibt es einige wenige durchaus hoffnungsvolle Ansätze in Betrieben:
Darüber hinaus hat die Friedensforschung in einem durch die Gewerkschaften finanzierten Forschungsprojekt nachgewiesen, daß die Umstellung von der Rüstungsproduktion auf die Produktion gesellschaftlich nützlicher Güter möglich ist, wer in dies politisch gewollt wird und nicht den Selbstheilungskräften des Marktes überlassen bleibt.

Gewerkschaftliche Vertrauensleute und Betriebsratsmitglieder, Ingenieure und Techniker haben mit ihrer Arbeit in betrieblichen Arbeitskreisen gezeigt, daß sie mit ihrer Kreativität und mit den Kriterien, mit denen Arbeitnehmer an Investitionen und die Auswahl von Produkten herangehen, durchaus andere Ergebnisse herauskommen, als wenn Manager ihre an der Rentabilität des Kapitals orientierte Entscheidung treffen.

Die betriebliche Praxis ebenso wie die Forschung hat allerdings auch deutlich gemacht, daß ideologische Schranken und Machtbarrieren überwunden werden müssen und so den Arbeitnehmern ein besseres Durchsetzungsintrumentarium zur Verfügung gestellt werden muß.

Dazu gehört in erster Linie auch die finanzielle Unterstützung entsprechender Initiativen von Arbeitnehmern. Mit dem Bericht einer Regierungskommission hat die schwedische Regierung die Einführung eines Konversionsfonds vorbereitet. Dieser Fond soll aus einem bestimmten Prozentsatz der im Waffenexport getätigten Umsätze gespeist werden. Er soll verwendet werden, um die Beschäftigung von Arbeitnehmern von Rüstungsproduktion und Rüstungsexport unabhängig zu machen und dafür sozial sinnvolle Alternativproduktion zu entwickeln. Dieser Vorschlag könnte auch für die Bundesrepublik ein durchaus gangbarer Weg sein.

Wer allerdings die Realisierung der Bundeswehrplanung verhindern will, der kann den strategischen Ansatzpunkt dafür nicht in den Betrieben und bei den direkt Betroffenen Arbeitnehmern suchen. Der muß vielmehr politischen Druck mobilisieren. Denn bei allen Einschränkungen, die angesichts einer gut organisierten Rüstungslobby angebracht sind, werden doch die Entscheidungen über Bundeswehrplanung und Großprogramme immer noch in den parlamentarischen Gremien gefällt. Es bleibt daher Aufgabe von Friedensbewegung und Gewerkschaften mit allen ihren Möglichkeiten für die realistische Alternative zu weiterer Aufrüstung zu werben.

Wer allerdings die Realisierung der Bundeswehrplanung verhindern will, der kann den strategischen Ansatzpunkt dafür nicht in den Betrieben und bei den direkt Betroffenen Arbeitnehmern suchen. Der muß vielmehr politischen Druck mobilisieren. Denn bei allen Einschränkungen, die angesichts einer gut organisierten Rüstungslobby angebracht sind, werden doch die Entscheidungen über Bundeswehrplanung und Großprogramme immer noch in den parlamentarischen Gremien gefällt. Es bleibt daher Aufgabe von Friedensbewegung und Gewerkschaften mit allen ihren Möglichkeiten für die realistische Alternative zu weiterer Aufrüstung zu werben.

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