SPD geht in die Irre

von Martin Singe
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Drei Tage nach dem Parteitag vom 16./17.11. in der Bonner Beethoven­halle: Frau Matthäus-Maier betont öffentlich, daß ein Kampfeinsatzbe­schluss für die Bundeswehr her muß und der Blauhelmbeschluss zu kurz greift. Ein SPD-Kämpfer für schärfere Asyl­rechtsformulierungen zum Kompromiss: "damit könne man gut arbeiten". Einen Tag später wird der Abschiebestopp für Kurden in die Türkei auf­gehoben: es gäbe ja verfol­gungsfreie Ecken in der Türkei!

Und die SPD selbst wirbt am selben Tag mit einer großen Anzeige für eine "gute Poli­tik für Deutschland": "Die meisten Zuwanderer kommen aus ökonomi­schen Gründen, viele von ihnen geben aber politische Mo­tive an". Wir müssen daher die Bestimmungen so präzisieren, daß die wirklich politisch Verfolgten von unserem Grundrecht auf Asyl Ge­brauch machen und die übrigen Asylbewerber durch vereinfachte und beschleunigte Verfahren abgeschoben werden können." (FR 2o.11.92)

Das ist die erste offizielle SPD-eigene Inter­pretation des Parteitagsbeschlusses: und da kommt für die beschleunigten Ver­fahren eine Asylanerkennung schon gar nicht mehr in den Blick, nur noch Ab­schiebung ist das erklärte Ziel dieser Verfahren!

Das, was die sog. SPD-Linke erreichen wollte, indem sie die 2. Auflage der Pe­tersberger Beschlüsse billigte, hat sie genau nicht erreicht: eine Festlegung der Partei in beiden Fragen auf äußerste Grenzen. Die Grenzen werden schon überschritten!

Zur Asylfrage wird Herbert Leuninger in diesem Heft noch Anmerkungen ma­chen.

Zum Blauhelmbeschluss kann in Kürze folgendes gesagt werden: Die in Peters­berg geplanten Kampfeinsätze für die Bundeswehr unter UNO-Dach sind zunächst gestrichen, bzw. die Entschei­dung darüber für einen künftigen Par­teitag aufgeschoben worden. In der Vordiskussion wurde aber deutlich, daß die SPD-Spitze in großer Mehrheit für solche Kampfeinsätze mit deutschen Soldaten ist. Die Diskussion darum wird weitergehen und die Richtung ist jetzt vorgegeben. So lobte denn auch Vertei­digungsminister Rühe die Parteitagsent­scheidung, da sie "die Tür zu Kampfein­sätzen nicht zugeschlagen" habe und ein "breites Spektrum an Optionen für Blauhelm-Missionen" zulasse. Der Blauhelmbeschluss ist eine eindeutige "Einstiegsdroge": sie soll die Deutschen daran gewöhnen, daß deutsche Soldaten wieder in aller Welt etwas zu tun haben, sie sollen zeigen, daß wir auf dem Weg zu einer "normalen" Nation ohne deut­sche "Sonderrolle" sind. Der Blauhelm­beschluss des Parteitages geht zudem weit über das bisherige Verständnis von Blauhelmen bei der UNO hinaus, indem er ihnen Aufgaben zuschreibt, die in ei­ner Grauzone zwischen bisherigen Blauhelmfunktionen und Kampfeinsät­zen liegen, z.b. Embargoüberwachung u.a.

Damit ist man auch wiederum schon weit über den Bremer Parteitag hinausgegangen und so wird's weitergehen.. Wie das Asylrecht scheibchenweise stirbt, so kommt auch die Bundes­wehrermächtigung für Kampfeinsätze in aller Welt scheibchenweise. Ein Trauer­spiel der SPD, das sich in weiteren Ak­ten fortsetzen wird. Wenn manche Hoffnungen auf eine rot-grüne Koalition gehegt haben sollten, kann man dies nun gründlich vergessen, eine solche SPD ist nur noch fähig zur Großen Koalition mit all den anderen Parteien, die die Wähler rechts von der Mitte suchen!

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".