Expertenhearing "Deutsche an die Front?"

Thesenpapier High-Tech-Eingreiftruppen

von Elmar Schmähling
Initiativen
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Der Charakter von High-Tech-Eingreiftruppen, Auswirkungen auf die Bundeswehr, auf- und Abrüstung.

1. Der 2. Golfkrieg (Jan/Feb 91) war der erste Krieg im Weltmaßstab nach dem 2. Weltkrieg. Er war der erste Krieg nach dem Ende des Ost-West- Konflikts, den drei der fünf offiziellen Nuklearmächte geführt, zwei gebilligt haben. Dieser Krieg war kein Krieg im klassischen Sinn, sondern eine einseitige „Abstraf- und Zerstörungsaktion“ gegen einen Potentaten, das ihm hörige Machtpotential und das von ihm unterdrückte Volk.

In dieser Militäraktion kam die geballte Militärmaschine, die der Westen gegen die Supermacht Sowjetunion in 40 Jahren aufgebaut hat, gegen eine technisch mittelmäßig ausgestattete, schlecht ausgebildete und miserabel motivierte Regionalmacht zum Einsatz, deren Kalkül des Diktators gar nicht „richtig“ kämpfen sollten. Eine vergleichbare Konstellation wird sich nicht wiederholen.

2. Dieser Disziplinierungsfeldzug sollte die überlegene Leistungsfähigkeit und technische Perfektion moderner westlicher Waffensysteme vor aller Welt, und damit die Brauchbarkeit militärischer Macht
demonstrieren. „Chirurgische Eingriffe“ in die militärischen Potentiale des Feindes schonen dessen Zivilbevölkerung bei minimalen eigenen Verlusten, so sollte die Fernsehlektion für die Welt lauten. Die Wahrheit ist anders: Moderner Krieg ist – in subtiler Weise- noch grausamer.

Moderner Krieg kann gegen Staaten mit komplexen und vernetzen Gesellschaftsstrukturen nicht mehr unter Beachtung des Völkerrechts zum Schutz der Opfer internationaler Bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll zum 4. Genfer Abkommen von 1949, ratifiziert durch die BRD im Dezember 1990) geplant und geführt werden. Die Verzahnung von militärischen und zivilen Einrichtungen trifft auch für die Metropolen von Entwicklungsländern zu.

Krieg mit modernen Waffen und in modernen Gesellschaften verstößt daher in jedem Fall gegen das Gebot der Verständnismäßigkeit der Mittel und Ziele. Auch deshalb gibt es keinen „gerechten Krieg“.

3. Moderner Krieg ist somit zwangsläufig ein Verbrechen gegen das Völkerrecht und die Menschlichkeit. Deutsche Soldaten, durch Gesetz und Eid/ Gelöbnis auf reine „Selbstverteidigung“ verpflichtet (d.h. Verteidigung von „Recht und Freiheit“ des eigenen und der verbündeten Völker im Falle eines Angriffs auf deren Staatsgebiet, auch im Rahmen eines VN-Kommandos), würden mit der Teilnahme an einem Interventionskrieg (zur „Verteidigung von Interessen“9, wie er gegen den Irak geführt wurde zwangsläufig gegen das Soldatengesetz (Paragraf 11) verstoßen, wonach ein Befehl nicht ausgeführt werden darf, wenn damit eine Straftat begangen würde.

4. Bundeswehr und NATO bereiten sich mit weitreichenden Umstrukturierungen auf den neuen von den derzeitigen politischen Führungen gewollte Neo-Interventionalismus vor. Eine neue Rüstungsrunde wird nicht durch die Scheinlehren aus dem Golfkrieg, sondern auch neue militärische Forderungen an Mobilität und Flexibilität für universell verwendbare Eingreiftruppen genährt.

5. Bevor über die Künftigen – auch militärischen – Instrumente für eine deutsche und europäische Außenpolitik in einer völlig neuen Weltlage entschieden werden kann, müssen die Ziele und die Rahmenbedingungen, besonders aber das Mittel „militärische Gewalt“, öffentlich ausdiskutiert werden.

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Elmar Schmähling (Flotillenadmiral a. D.)