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UdSSR: Atomwaffen als Warnung an Gorbatschow
vonAm 24. Oktober wurde im sowjetischen Testgebiet von Nowaja Semila unterirdisch ein Nuklearsprengsatz gezündet, dessen Stärke etwa zwischen der der Hiroshima- und der Nagasaki-Bombe lag. Dies war fast auf den Tag genau der erste sowjetische Atomtest seit einem Jahr (und 12 Tage nach dem siebten US-Test dieses Jahres).
Zwar hatte die sowjetische-Regierung seit offizieller Aufhebung ihres einseitigen Morarotiums wiederholt darauf hingewiesen, da· sie auf Tests verzichten werde. Sowjetische Regierungsquellen hatte aber auch deutlich gemacht, da· im bisherigen Testgebiet Semipalatinsk nicht mehr getestet würde und Nowaja Semlja frühestens ab 1993 (wieder) in Frage käme. Zudem hatte das sowjetische Parlament erst Anfang Oktober Zusatzverträge zum teilweisen Teststoppabkommen von 1963 ratifiziert, die Tests weiteren Einschränkungen unterworfen, und dies mit einem weltweiten Appell an alle Parlamente für einen globalen Teststopp verbunden.
Bei diesem offensichtlichen Auseinanderklaffen von militärischer (Test-)Realität und politischen (Teststopp-)Optionen liegt die Vermutung nahe, da· mit diesem Atomtest der allgemeine Zerfallprozeß in der Sowjetunion eine Zuspitzung in der Polarisierung zwischen den militärischen und den politischen Machtzentren erfahren hat.
Als erster hat dies der sowjetische Umweltminister Nikolai Woronzow bestätigt: Weder sei er noch die Regierung der russischen Republik, zu der das Testgebiet gehört, noch die örtlichen Behörden informiert worden; der Test sei das Werk von "Kreisen des militärisch-industriellen Komplexes" der "alten Garde", mit der Absicht, Gorbatschow zu treffen, der nach Einschätzung des Ministers ebenfalls ahnungslos gewesen sein dürfte.
Wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte der Atomwaffen ist damit ein Nukleartest als innenpolitisches Machtsignal der Militärs gegen "ihre" politische Führung durchgeführt worden.
Nicht zu übersehen sind die Probleme der militärischen mit den politischen Entscheidungsmachern:
- Gorbatschows einzige ultima ratio für Nationalitätenkonflikte war bisher Militäreinsatz - eine unberechtigte, aber offenbar machtpolitisch alternativlose Aufwertung des Militärapparates;
- trotz nie dagewesener Abrüstungsbemühungen hat der Kremel es bisher versäumt, realisierbare Sozialpläne für die zu entlassenden Militärs vorzulegen - angesichts des gesamtwirtschaftlichen Chaos zwar kein Wunder, andererseits Futter für die "alte Garde" im Militär;
- der Ruf nach einer starken Hand, die "die Regale in den Läden füllt", wird immer lauter.
Die politisch offensichtlich völlig unkontrollierte Durchführung des jüngsten Atomtests leistet nicht nur Spekulationen über die Sicherheit von Nuklearwaffen vor einem Zugriff extremistischer Kräfte weiteren Vorschub. Sie ist auch ein bisher einziger Hinweis, da· wenigstens Teile der sowjetischen Militärführung, solange sie noch etwas zu sagen haben, sich als "All-Unionsretter" in Alternative zu allen Perestroika-Politikern darstellen wollen. Was diese Militärs wirklich anzubieten haben, spielt da - wie immer, wenn "staatserhaltende" Militärs sich als nationale Retter wähnten - keine Rolle.
Tobias Damjanov arbeitet beim Weltfriedensrat in Helsinki
Berichtigung
In dem Artikel von Olaf Achilles "Militär als Umweltvernichter" ist uns im letzten Heft ein Satzfehler unterlaufen. Auf Seite 26 heißt der 2. Absatz nämlich wie folgt:
Demnach hat das Militär weltweit einen Anteil am Kerosinverbrauch von mind. 24%. Dies ergibt allein einen jährlichen CO2-Aussto· von 136 Mio. Tonnen, was 18,3% der CO2-Gesamtemission der Bundesrepublik ausmacht. Hinzu kommt, da· diese Emissionen zum großen Teil in klimasensiblen Zonen der Atmosphäre entstehen.
Der gesamte Militärapparat in der Bundesrepublik hat eine CO2-Emission von ca. 39,1 Mio. Tonnen pro Jahr. Dies sind 5,26% der Gesamt-CO2-Emission der Bundesrepublik, oder 21,72% der Emission der Haushalte und Kleinverbraucher, bzw. 39,1% der Industrie-Emission nach Angaben der Enquete-Kommission.