Zwei Menschheitsgefahren - aber ein gemeinsamer Kampf?

Umwelt- und Friedensbewegung

von Birgitta Meier
Schwerpunkt
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Klimakrise und Atomkrieg sind beide reale Gefahren, die das Überleben der menschlichen Zivilisation bedrohen. Erwächst daraus Verbundenheit der Bewegungen?

Gut vernetzt war sie von Anfang an, die mächtige Friedensbewegung der 1980er Jahre. Ob es um Bürgerrechte ging, um Solidarität mit Nicaragua und anderen Ländern, später um den Schutz des Asylrechts: Die Friedensbewegung war federführend dabei. Demos wurden meist von der „Zentrale" der Friedensbewegung in Bonn angemeldet.
Wie sieht es heute aus? Die „sozialen Bewegungen" sind zurück! Und sie sind jung: Das sieht man nicht nur bei Fridays for Future, die sich ja aus einer Schüler*innen-Bewegung entwickelten, das sieht man bei „Ende Gelände", aber auch im Antirassismusbereich.
Sucht man jedoch nach Ansatzpunkten - sachlich oder personell - für eine Vernetzung mit der Friedensbewegung, sieht es eher dürftig aus: Ja, es gibt sie, die Organisationen, die (schon immer) für beides stehen, etwa die Naturfreunde (gegründet 1895 in Wien), oder Greenpeace (gegründet 1971). Aktuelle Beispiele? „Frieden in Bewegung" hieß die 1100 km lange Friedenswanderung der Naturfreunde im Mai bis Juli 2021. Die Naturfreunde begreifen sich als „politischer Freizeitverband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur", sie haben mehr als 66.000 Mitglieder. Der Schutz der Natur und des Klimas spielt eine zentrale Rolle - als Leitbild gilt die sozial-ökologische Transformation. Kaum verwunderlich, dass viele bundesweite Umwelt-Bündnis-Demos von den Naturfreunden angemeldet werden.
Greenpeace hat ein ganz anderes Organisationsverständnis als die dezidiert linken Naturfreunde. In den letzten Jahren macht Greenpeace wieder verstärkt Kampagnen gegen Atomwaffen, gegen Waffenexporte und für den Atomwaffenverbotsvertrag, ohne die traditionellen Umwelt-Kampagnen zu vernachlässigen.

Friedensbewegung und Klimagerechtigkeitsbewegung vernetzen?
Das wollte die Naturwissenschaftler*innen-Initiative mit der Zoom-Konferenz: „Ziel Klimagerechtigkeit" am 2. Juli - das Einführungsreferat hielt übrigens Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde. Aber findet die Vernetzung auch an der Basis statt? Gibt es beim Ostermarsch einen „Klimablock"? Und umgekehrt: Sieht man die Pace-Fahne massenhaft beim Klimastreik? Ich konnte bisher nichts dergleichen wahrnehmen. Beispiel: Als die lokalen Naturfreunde zu einer Diskussion über „Zivilen Ungehorsam im Wandel" einluden - Referentin war eine Pressesprecherin von „Ende Gelände" - da fehlte auf der gut besuchten, spannenden Veranstaltung ausgerechnet die Friedensbewegung. Dabei bedient sich kaum eine andere Bewegung so sehr im „Werkzeugkasten" der Friedensbewegung wie die Klimagerechtigkeitsbewegung. Und auch das lange verpönte Wort „gewaltfrei" wird wieder benutzt, sehr explizit z.B. von Extinction Rebellion.
Gibt es trotzdem Berührungsängste von Seiten der Friedensbewegung? Man könnte es fast glauben. Und umgekehrt: Wie steht die Klimagerechtigkeitsbewegung zur Friedensbewegung? Vielleicht auch ein Generationenproblem?
Im Rahmen unserer Ausstellung „Die Uhr tickt - abwendbare Katastrophen" wollen wir im Friedensmuseum Nürnberg explizit beide Bewegungen zusammenbringen - pandemie-bedingt zunächst (2020) nur digital. Wir wollten bewusst den Blick von außen auf unsere Ausstellung wie auch auf die Friedensbewegung allgemein lenken. Plump gefragt: warum thematisiert die Klimagerechtigkeitsbewegung nicht auch die atomare Aufrüstung? Denn ein Atomkrieg - auch ein regionaler wäre ja die Klimakatastrophe schlechthin, wie wir mittlerweile wissen. Die Antwort ist nicht eindeutig. Sicher ist manches ein Vermittlungsproblem: Von Klimabewegten explizit angesprochen wurde z.B. das immer gleiche Hiroshima-Gedenken, das eher abstößt: Schlimm, schlimm - aber schon sehr lange. Aber interessiert denn die „Bewegungsbasis" der Friedensbewegung überhaupt, wie sich die Klimabewegung ausdifferenziert und was sie diskutiert? In unserem großen lokalen Klima-Bündnis ist z.B. keine einzige Friedensorganisation (außer den Naturfreunden).
Unsere Ausstellung zog Einladungen ans Friedensmuseum nach sich. Das ist immer sehr schön - es reicht aber sicher nicht aus, Referierende auszutauschen (oder eine Friday-Sprecherin zum Ostermarsch einzuladen, wie mancherorts geschehen). Zusammenarbeit fängt mit gemeinsamer Praxis an. Davon wünsche ich mir mehr! Der nächste globale Klimastreik ist bald!

Naturwissenschaftlerkongress: (https://www.youtube.com/watch?v=g1J-DVDu81k)

 

Ausstellung: Die Uhr tickt - abwendbare Katastrophen
Klimaerwärmung und Atomkrieg bedrohen die menschliche Zivilisation gleichermaßen. Beide Katastrophen sind menschengemacht und – noch – abwendbar. Während im Falle der Erderhitzung langsam das Bewusstsein wächst, dass ein Umsteuern dringend nötig ist, wird die Nuklearkriegsgefahr weitgehend verdrängt. Und das, obwohl die Experten meinen, noch nie sei das Atomkriegsrisiko so hoch gewesen wie heute: Die „Doomsday Clock“, die Weltuntergangsuhr, wurde daher das Logo der neuen Ausstellung im Friedensmuseum. Atomkriegsgefahr und Klimaerwärmung haben zunächst nichts miteinander zu tun. Aber vielleicht steht hinter beiden dieselbe Logik? Ist es möglich, im System selbst eine Umkehr zu bewirken oder braucht es ein anderes System?
Die Ausstellung ist auch online zu sehen (Link) und kann auch ausgeliehen (ausgedruckt) werden. Siehe https://www.friedensmuseum-nuernberg.de/
 

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Birgitta Meier engagiert sich im Friedensmuseum Nürnberg.