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Golden Dome: „Wir sind die einzigen, die das haben“
Von Reagans SDI zu Trumps Golden Dome
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Das Hollywood-Kino ist ganz auf der Höhe der Zeit. Kathryn Bigelows neuer Film „A House of Dynamite“ erzählt vom Abschuss einer interkontinentalen Atomrakete im Pazifik, von den 20 Minuten bis kurz vor dem errechneten Einschlag in Chicago, vom Umgang der Regierung und des Militärs der USA mit dieser Situation. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Szenario eine Abwehrraketenbasis in Alaska, tausende Kilometer von Chicago entfernt.
Eine solche Basis gibt es wirklich: Fort Greely im Zentrum Alaskas beherbergt 40 Abwehrraketen, die im Falle eines Angriffs Atomsprengköpfe mit Ziel USA zerstören sollen. Die Basis gehört zur Ground-Based Midcourse Defense (GBMD), die die USA ab 2002 aufgebaut haben.
Flug- und Raketenabwehrsysteme unterhalten die USA in vielen Varianten. Manche dieser Systeme, wie Patriot, THAAD und Aegis, haben sich im Einsatz bewährt. Andere, wie GBMD, wurden wiederholt getestet, aber nie unter realen Bedingungen, und gelten in Expertenkreisen als wenig effektiv.
Weitergehende Pläne gab es in den letzten Jahrzehnten immer wieder. Am bekanntesten ist sicherlich die am 23. März 1984 von US-Präsident Reagan vorgestellte Strategic Defense Initiative (SDI) aka „Star Wars“. Röntgen- und chemische Laser, Strahlenkanonen, Schienenkanonen, zu Land und im Weltraum stationierte Abwehrwaffen … Das Programm sollte die USA „unverwundbar“ machen, war aber technisch überambitioniert und nicht bezahlbar, außerdem verweigerten zahlreiche Wissenschaftler*innen und Forscher*innen ihre Mitarbeit.
Trumps Goldene Kuppel
Auf diesen Mangel verwies US-Präsident Donald Trump in seiner Direktive „The Iron Dome for America“, die er am 27.1.2025, nur eine Woche nach Antritt seiner zweiten Amtszeit, unterschrieb. Im Sinne seines Regierungsmottos „Frieden durch Stärke“ solle ein Raketenabwehrschirm der nächsten Generation die Bürger*innen und die Nation schützen, feindliche Luftangriffe auf US-Territorium abwehren und die Zweitschlagfähigkeit garantieren.
Das System soll
- Angriffe mit ballistischen Raketen, Hyperschallsystemen, Marschflugkörpern und „sonstigen Systemen der nächsten Generation“ durch ebenbürtige oder nahezu ebenbürtige Gegnern sowie durch Schurkenstaaten abwehren; in die erste Kategorie fallen Russland und China mit hunderten Interkontinentalraketen, in letztere Kategorie gehört z.B. Nordkorea;
- im Weltraum stationierte sowie nicht-kinetische (also z.B. Laser- oder Mikrowellen-) Komponenten umfassen;
- gegnerische Raketen in ihrer Startphase, aber auch schon vor ihrem Start ausschalten können.
Donald Trump beauftragte Verteidigungsminister Hegseth, binnen 60 Tagen einen Vorschlag für die Architektur, die Anforderungen und die Umsetzung des Systems auszuarbeiten. Überdies solle dieser überprüfen, was erforderlich sei, um in Kooperation mit Verbündeten und Partnerländern deren Bevölkerung und Truppen sowie im Ausland stationiertes US-Militär zu schützen.
Wohl aus juristischen Gründen – „Iron Dome“ ist ein eingetragenes Warenzeichen des israelischen Rüstungskonzerns Rafael Advanced Defense System – und im Einklang mit der trumpschen Vorliebe für Gold benannte das Pentagon das Programm einige Wochen später um. Nun heißt es „Golden Dome for America“.
Am 20. Mai 2025 versprach Präsident Trump in einer eigens aufgesetzten Pressekonferenz vor der gold-durchwirkten Kulisse des Oval Office, er werde Ronald Reagans unvollendeten Job vollenden, und reichte einige Informationen nach:
- In seinem (symbolträchtig am Unabhängigkeitstag, dem 4.7., unterzeichneten) Mammutgesetz „One Big Beautiful Bill“ seien 25 Mrd. US$ ausgewiesen, um sofort mit Golden Dome starten zu können.
- Das System solle land-, see- und weltraumbasierte Waffen und Sensorsysteme umfassen und die Bedrohung des US-Homeland durch Raketen für immer beenden.
- Golden Dome solle vor Ende seiner Amtszeit „voll einsatzbereit“ sein, d.h. spätestens Ende 2028, und 175 Mrd. US$ kosten.
- Zum Programm-Manager ernannte er General Michael Guetlein, den Vizechef für Weltraumoperationen der Weltraumstreitkräfte (U.S. Space Force).
Donald Trump war sehr stolz auf das Vorhaben: „Außerdem, sehr wichtig, wir sind die einzigen, die das haben werden. Wir nennen das Super-Technologie. Niemand anders hat das, und niemand anders hat wirklich auch nur annähernd das, was wir haben. […] Und alles wird made in the USA sein, übrigens.“
Überambitioniert und unbezahlbar …
Seit Ronald Reagans „Star Wars“-Rede vor gut 40 Jahren hat sich die Technik rasant entwickelt. Dennoch wird sich Präsident Trumps Vorhaben, mit Golden Dome das gesamte US-Territorium vor anfliegenden Gefahren zu schützen, über kurz oder lang als ebenso überambitioniert und unbezahlbar erweisen, wie das vor vierzig Jahren bei Ronald Reagans SDI der Fall war.
Golden Dome soll aus vier so genannten Schichten (layers) bestehen: Zu Land (und zu vermuten ist, auch zur See) ist jeweils eine Schicht für Abfangraketen, für Radaranlagen und für Laserwaffen vorgesehen. In der Weltraumschicht sollen Satelliten für Fernerkundung und Aufklärung, für Zielgebung sowie für die Zerstörung von startenden Raketen die Erde umkreisen.
Im Weltraum stationierte „Killersatelliten“ spielten schon in den SDI-Plänen eine wichtige Rolle. Seither sind, nicht zuletzt durch den Einstieg privatwirtschaftlicher Akteure wie Elon Musk (SpaceX) und Jeff Bezos (Blue Origin), Satellitenstarts deutlich billiger geworden. Das reicht angesichts der Dimension der Aufgabe aber nicht aus.
In einer Studie der American Physical Society (APS) wurde Anfang des Jahres konkret aufgezeigt, was hinter dem Anspruch der weltraumgestützten Abwehr von Raketen bereits in ihrer Startphase steckt. Die Startphase einer Rakete ist deshalb von besonderem Interesse, weil das abwehrende Objekt zu diesem Zeitpunkt groß ist (die komplette Rakete) und deutlich erkennbar (heiße Abgasfahne des verbrennenden Raketentreibstoffs). In der späteren Flugphase hingegen wird ein viel kleinerer Sprengkopf ohne eine solche Hitzesignatur freigesetzt, eventuell sind es sogar mehrere Sprengköpfe und eine Reihe von Attrappen, die auf ihrem Flug durch den Weltraum nur schwer voneinander zu unterschieden sind.
Die APS-Expert*innen kamen zum Schluss, dass für den Abschuss von nur zehn von Nordkorea gestarteten Raketen neueren Typs mindestens 16.000 Satelliten im Erdorbit erforderlich seien, sofern der Einsatz sofort und automatisiert erfolgt. Bei einer Bedenkzeit von 30 Sekunden steigt die Zahl erforderlicher Abwehrsysteme im Orbit auf 36.000. Selbst dann wären aber Alaska sowie der Nordwesten und der Nordosten der USA nicht geschützt, gar nicht erst zu reden vom US-Bundesstaat Hawai’i – oder dem Fakt, dass es die Satellitensysteme für einen solchen Einsatz noch gar nicht gibt.
Zugegeben, dies ist ein besonders krasser Aspekt der Golden-Dome-Planung, er verdeutlicht aber, dass Präsident Trump sein Versprechen einer USA-weiten Abwehr noch in seiner Amtszeit auf keinen Fall halten kann.
… aber eine Gold-Bonanza für die Industrie
Die Rechnung für Golden Dome wird 175 Mrd. US$ garantiert übersteigen. Das Congressional Budget Office veranschlagt allein für den Aufbau und Betrieb des oben beschriebenen weltraumgestützten Teilsystems 542 Mrd. US$ über die nächsten 20 Jahre. Solche Summen wecken Begehrlichkeiten in der Industrie.
Auf einer Konferenz in Huntsville, der ehemaligen Wirkungsstätte von Wernher von Braun, ließen sich im August 3.000 Industrievertreter*innen unter dem Motto „Go fast, think big“ von der Missile Defense Agency der USA zu Golden Dome briefen. Sie freuen sich auf die Geschäfte, die in Aussicht gestellt sind. Bei Präsident Trumps Pressekonferenz am 20. Mai ergriff u.a. Dan Sullivan das Wort, der im US-Senat Alaska vertritt. Er lobte den vielschichtigen Ansatz für Global Dome, da bei der Auftragsvergabe „die großen Rüstungsunternehmen, wie Lockheed Martin oder Raytheon“ genauso berücksichtigt werden könnten wie innovative, im Weltraumsektor aktive „neue Defense-Tech-Firmen“. Ausdrücklich ist vorgesehen, neben Großkonzernen auch jüngst gegründete, also unerfahrene und unerprobte Start-ups in das Programm einzubeziehen.
Am Ende wird es so sein wie bei SDI und allen anderen in den USA aufgesetzten Raketenabwehrprogrammen, für die laut APS bislang rund 400 Mrd. US$ ausgegeben wurden: Es werden weitere Technologien und Systemkomponenten entwickelt, gebaut und stationiert, ein wirksamer Schutz des US-Territoriums bleibt aber Utopie.
Die Rüstungsspirale dreht sich weiter
Der Preis für Golden Dome beschränkt sich aber nicht auf das Finanzielle. Der chinesische Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin verwiesen in einer Stellungnahme am 8. Mai auf die destabilisierende Wirkung des Projekts. Es dehne die militärische Konfrontation in den Weltraum aus und ignoriere die „untrennbare Wechselwirkung zwischen strategischen Offensivwaffen und strategischen Defensivwaffen, die eines der wesentlichen und fundamentalen Prinzipien für die Aufrechterhaltung der globalen strategischen Stabilität ist“. Die Einsicht in diese Wechselwirkung veranlasste die Sowjetunion und die USA 1972 zum Abschluss des Raketenabwehrvertrages, den US-Präsident Bush 2001 aufkündigte, um GBMD aufzubauen.
Russland und China werden wohl auf Golden Dome reagieren, indem sie eigene Abwehrmaßnahmen ausweiten und die Anzahl ihrer Offensivsysteme erhöhen.
Statt die Rüstungsspirale weiter anzuheizen, wären dringend Gespräche über strategische Stabilität, Kooperation und Abrüstung angesagt. Diese Option scheint in der aktuellen politischen Lage aber nicht in den Denkhorizont der politischen Akteure zu passen.
Literatur
Für diesen Artikel wurden v.a. die folgenden Quellen benutzt:
American Physical Society Panel on Public Affairs: Strategic Ballistic Missile Defense. Februar 2025.
Mike Stone: Exclusive: Pentagon Golden Dome to have 4-layer defense system, slides show. reuters.com, 13.8.2025.
The White House: The Iron Dome for America. Executive Order 14186 vom 27.1.2025.
The White House: The Golden Dome Missile Defense Shield. Videoaufzeichnung vom 20.5.2025.
Joint Statement by the People’s Republic of China and the Russian Federation on Global Strategic Stability. Moskau, 8.5.2025.