Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Was macht eigentlich die Friedensbewegung ?
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Wo sind denn die 200.000 DemonstrantInnen im Hofgarten? Die Frage wird einem bis zum Erbrechen gestellt. Die Antwort, daß wir in diesem Fall nicht demonstrieren müssen, sondern den entstehenden Friedens-und Antikriegsgruppen in den Republiken des auseinanderbrechenden Jugoslawien helfen wollen, damit sie mit ihren Problemen besser fertig werden können, wird wie eine faule Ausrede beiseite geschoben. Das Stereotyp sitzt bei der Presse tief: Die Friedensbewegung demonstriert oder sie ist nicht.
Doch wogegen soll man hier in der BRD demonstrieren? Bundesregierung und EG haben sich bislang, wenn auch keineswegs immer_ in unserem Sinne, mit nicht-militärischen Mitteln um eine Streitschlichtung bemüht. Das ist prinzipiell nicht zu kritisieren. 'Wir müssten aber zeigen, daß wir alle gegen den Krieg seien!' Doch das steht jeden Tag, und auch in Leserbriefen nicht widersprochen, in den Zeitungen. In Wirklichkeit geht es für die Friedensbewegung um eine neue Aufgabe, auf die sie wenig vorbereitet ist: Wie kann grenzüberschreitende Solidarität in Europa gegen den Krieg gestaltet werden?
Bisher haben wir gegen die Idiotie des Wettrüstens protestiert, gegen Rüstungsexporte aus Deutschland und gegen Beteiligungen unserer Regierungen an Aufrüstung und Kriegsführung oder richtiger gesagt, an Beihilfe zur Kriegsführung. Nun müssen wir die Menschen überstützen und ermutigen, die sich in dem Vielvölkerstaat verzweifelt gegen Krieg und Bürgerkrieg wehren, die mit schnell emporschießenden Feindbildern kämpfen und die selbst zunehmender Unterdrückung, ja Verfolgung durch nationalistische Gruppierungen, das Militär und ihre eigenen Regierungen ausgesetzt sind.
Jeder, der die schwierigen und verschlungenen Arbeitsweisen und Funktionsmechanismen sozialer Bewegungen als selbstorganisierter und jeweils auch sich selbst aufklärender Gebilde kennt, und nicht den journalistischen Phantasien von geheimen Friedens-Generalstäben aufgesessen ist, weiß, wie mühsam und langwierig es ist, solche neuen Aufgaben wahrzunehmen. Es können ja nicht einfach drei einsichtige Leute etwas unternehmen, sondern wir müssen nach Aktionsformen suchen, die auf einer breiten sozialen Basis nachvollzogen werden können, so daß soziale Eigeninitiative und soziales Lernen möglich werden.
Aus der Friedensbewegung kamen viele Initiativen
Zunächst ist von einem fast traditionellen Vorgang zu berichten. In hunderten von Friedensgruppen wurden Informationsveranstaltungen abgehalten mit dem Ziel, für sich selbst zu klären, wie es überhaupt zu diesem fürchterlichen Bruderkampf kommen konnte und wie dem zu begegnen sei. Diese Arbeit ist selbstverständlich fortzusetzen. Allerdings sind nun stärker Überlegungen anzustellen, was von der Gruppe selbst gegen den Krieg getan werden kann.
Schon im Spätsommer '91 hat sich der Bund für Soziale Verteidigung mit MitarbeiterInnen direkt engagiert. Kurse für gewaltfreies Verhalten in Konflikten wurden gemeinsam mit Anti-Kriegsgruppen in Jugoslawien abgehalten. Viele wichtige Kontakte und Arbeitsbeziehungen wurden angeknüpft. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hatte schon im Sommer in einem "Brief an die Friedensbewegung" eine Einschätzung der 'jugoslawischen Entwicklung' versucht und mit viel Resonanz zu Spenden für die Antikriegsbewegung in dem Lande aufgerufen. Viele andere Gruppen folgten mit spezifischen Aktivitäten, besonders auch um auf kirchlicher Ebene den Dialog zwischen den Religionen zu fördern.
Im Juli hatten die Führungsgremien der Helsinki Citizens' Assemby, einem europaweiten Zusammenschluß von BürgerInnen und sozialen Bewegungen, auf einer Sitzung in Belgrad eine Friedenskarawane durch alle jugoslawischen Republiken beschlossen. Diese kam tatsächlich Ende September zustande und konnte mit der Bevölkerung, Organisationen verschiedenster Art und hohen Politikern sprechen. Sie wurde von den Menschen überall sehr freundlich begrüßt, die damit ihrer Friedenshoffnung Ausdruck gaben. Das Ziel der Karawane war es, die aufkeimende Anti-Kriegsbewegung zu ermutigen, ihre Reputation nach außen zu stärken und die Beziehungen der europäischen Friedensbewegung zu den Gruppen in den jugoslawischen Republiken auszubauen. In der BRD organisierten das Komitee für Grundrechte und Demokratie, Ohne Rüstung Leben und die Berliner Frauen für den Frieden die deutsche Teilnahme. In der Folgezeit gingen von den TeilnehmerInnen viele Impulse für 'Jugoslawien-Veranstaltungen' aus.
Seitdem ist viele materielle Hilfe besonders zum Ausbau der Infra- und Organisationsstruktur der Anti-Kriegsgruppen nach Jugoslawien geflossen. Hiesige Gruppen und Einzelpersonen haben Deserteure und Kriegsdienstverweigerer unterstützt. Das ist sehr wichtig, denn in dem Verweigern des Kriegsdienstes drückt sich der Widerstand großer Teile der Bevölkerung aus. Solange die traditionellen und Regierungsinstitutionen keine medizinische Hilfe leisteten, konnte das Komitee beträchtliche Mengen Medikamente über Spenden und Kooperation besorgen und nach Jugoslawien schaffen.
Mit der Ausweitung des Krieges nach Bosnien-Herzegowina haben sich auch die Aktivitäten ausgeweitet. Die humanitäre Hilfe bekam neue Dimensionen durch Lieferungen medizinischer Hilfsgüter, aber vor allem auch durch die Werbung von Freiwilligen für die Hilfe in den Flüchtlingslagern. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie berichtete in einer Bürger-Information über diese Aktivitäten und forderte zur Teilnahme und zu Patenschaften auf. Die Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung war groß.
Noch Ende März '92 wurde eine internationale Konferenz über die möglichen friedlichen Perspektiven für Bosnien-Herzegowina von dem Bürgerforum in Sarajewo gemeinsam mit dem Komitee organisiert. Andere Konferenzen folgten, von der HCA in Budapest, Zagreb, Verona und im November in Ohrid Mazedonien durchgeführat. Sie alle hatten zum Ziel, Kooperation gegen den Krieg zu fördern und den Antikriegskräften eine internationale Stimme zu geben. Ein besonderes Projekt waren die Demonstrationen auf der Insel Vis, auf der eine entmilitarisierte Zone entstehen sollte. Viele Gruppen der Friedensbewegung reisten in die Konlfliktgebiete und versuchten in jenen Gebieten zu arbeiten, die zu den potentiellen neuen Kriegsgebieten werden können, wie z.B. die jüngste Reise einer Münchner Gruppe in den Sandjak.
Angesichts der in der Bundesrepublik verstärkt aufbrechenden Diskussion über angeblich notwendiges militärisches Eingreifen, hat sich hier die Diskussion verstärkr der Frage nach den nichtmilitärischen Mitteln der Konfliktbearbeitung zugewandt. Im Auftrag des Netzwerks Friedenskooperative hat Andreas Buro einen Vorschlag ausgearbeitet, der auf einer Konferenz und Anhörung diskutiert wurde. Weitere Arbeit in dieser Richtung deutet sich an und ist dringend. Auch bei der bevorstehenden Konferenz des Bundes für soziale Verteidigung werden jugoslawische Themen dieser Art im Vordergrund stehen. Diese Organisation hat sich auch in ganz besonderem Maße für die Aufnahame von Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten eingesetzt und sich gegen die restriktive Politik der Bundesregierung gewandt.
Diese wenigen Stichworte über die bisherige Arbeit mögen genügen. Sicher ist damit nicht alles gekennzeichnet, was inzwischen von der Friedensbewegung geleistet wurde. Politisch zielte sie nicht auf Anerkennung oder Nicht-Anerkennung einzelner Republiken. Es ging ihr auch nicht um Schuldzuweisungen, sondern vor allem darum, alle jene Initiativen von Menschen aus den verschiedensten Nationalitäten zu stärken, die sich gemeinsam gegen den Krieg und für Versöhnung der Völker einsetzten. Das ist nach wie vor die zentrale politische Orientierung für unsere Arbeit. Für ihre weitere Entfaltung kann der folgende Katalog von Aufgaben genannt werden, der selbstverständlich andere Initiativen nicht ausschließt.
- Zwischen Friedensgruppen hier und dort sollten Patenschaften zur Unterstützung und Information geschlossen werden.
- Wir sollten Gemeinden und Städte auffordern, mit serbischen und kroatischen Gemeinden, die für Versöhnung und Zusammenarbeit zwischen den Nationalitäten eintreten, Partnerschaften abzuschließen, um zu einem gemeinsamen Gespräch zu kommen.
- Wir sollten verstärkt Deserteure und Kriegsdienstverweigerer unterstützen und die Regierungen auffordern, ihnen ein zeitweiliges Bleiberecht einzuräumen.
- Wir müssen die Medien bei uns hartnäckig ansprechen, damit sie nicht nur über Krieg, sondern auch über die schwierige Antikriegsarbeit in Jugoslawien berichten.
- Alle Informationen, die wir über Repression gegenüber Friedensgruppen erhalten, müssen wir mit Nachdruck an die Presse geben, damit diese berichtet. Dies ist ein wichtiger Schutz für die FriedensarbeiterInnen in Jugoslawien. Leider versagen unsere Medien in diesem Bereich bislang fast vollständig.
- Kirchen, Berufsgruppen (z.B. Ärzte), Gewerkschaften usw. sollten wir immer wieder veranlassen, den Dialog zwischen den verschiedenen jugoslawischen Nationalitäten durch gemeinsame Konferenzen zu fördern.
Solche Arbeit über die Grenzen hinweg gilt es exemplarisch zu entwickeln. Sie wird uns in Zukunft, in der es verstärkt um die Gestaltung von Frieden gehen wird, mehr und mehr beschäftigen.