Wer bestimmt über Krieg und Frieden?

von Angela König
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Als Frauen am Anfang des Krieges in Kroatien und in Bosnien-Herzego­vina missbraucht und vergewaltigt wurden, waren sie Schlagzeilen wert. Frauen als Opfer weckten Mitleid und waren Argument in der Diskus­sion um eine militärische Intervention. Über die Selbsthilfe- und Überle­bensinitiativen von Frauen wurde weniger berichtet. Heute, wenn es um die Gestaltung eines möglichen Friedens, um Frauen als politisch Han­delnde geht, sind Frauen als Frauen kein politisches Thema mehr. Sie sind wieder geschlechtslos und wollen dies teilweise selbst so.

Die Analyse der Geschlechterverhält­nisse und -hierarchien passt nicht zu den gängigen Deutungsmustern über die Ur­sachen des Krieges, ist oftmals bedroh­lich für die eigene Rollenidentität und erfordert weiteres Nachdenken über an­dere Friedenspolitiken. Der weitgehende Ausschluss der Frauen aus der politi­schen Diskussion und den politischen Entscheidungsprozessen der Parteien und der am Konzept der Zivilgesell­schaft orientierten Nichtregierungsorga­nisationen (NROs) in Bosnien-Herzego­vina ist nur selten Thema in der Diskus­sion um die Gestaltung der Zukunft. Ein Grund dafür ist sicherlich, daß es in Bosnien-Herzegovina keine nennens­werte Frauenfriedensbewegung gibt. Die Aktionen der Belgrader "Frauen in Schwarz" blieben angesichts der inner­gesellschaftlichen Repression in der bosnischen "Republik Serbien" auf die Bundesrepublik Jugoslawien beschränkt und wurden nur von wenigen Frauen­gruppen in der Föderation aufgegriffen.

Seit Abschluß des Friedensvertrages von Dayton haben Frauen in den beiden Entitäten Bosnien-Herzegovinas begon­nen, die abgebrochene Kommunikation auch öffentlich in Veranstaltungen wie­der aufzunehmen und ihre Zukunftsvor­stellungen über religiös-nationale und Entitätsgrenzen hinweg zu diskutieren. Anfang Juni organisierte der lokale Zweig der Helsinki Citizens' Assembly eine Konferenz in Zenica "A Room for Dialogue". Im Plenum und in Arbeits­gruppen diskutierten ca. 50 Frauen, da­von 5 aus der serbischen Entität, über Frauen in der Politik, in der Wirtschaft und über die Situation der Flüchtlings­frauen und ihr im Dayton-Vertrag fest­geschriebenes, aber in der Realität noch nicht umsetzbares Recht auf Rückkehr. In der Abschlußresolution, die sich an die eigenen Parteien und Regierungen, aber auch an die politisch relevanten internationalen Institutionen wie die Or­ganisation für Sicherheit und Zusam­menarbeit in Europa (OSZE) und das "Büro des Hohen Repräsentanten" Carl Bildt richtete, forderten die Frauen Un­terstützung für eine angemessenere Re­präsentanz in den unterschiedlichen po­litischen Gremien und eine verstärkte Berücksichtigung von Fraueninteressen im politischen Entscheidungsprozeß. Einige Frauen aus der serbischen Entität waren für diese Konferenz zum ersten Mal nach dem Waffenstillstand in die Föderation gekommen. Anfangs unsi­cher wie sie in der muslimisch domi­nierten Stadt Zenica empfangen werden, wurden sie im Verlauf der Konferenz immer sicherer, brachten sich verstärkt in die Diskussionen ein, gingen in die Stadt und besuchten mit anderen inter­essierten Frauen das Projekt "Medica Zenica", das erste feministisch orien­tierte Projekt für kriegstraumatisierte Frauen in Bosnien.

Bereits Ende Juni fand eine weitere Frauenkonferenz in Sarajevo statt. Ca. 400 Frauen nahmen an der Konferenz "Frauen verändern sich selbst und die Gesellschaft" teil. Diese Konferenz wurde von zwei Frauengruppen aus der Föderation vorbereitet; Zena 21. aus Sa­rajevo und Bosfam aus Tuzla. Der wäh­rend des Krieges gegründete Zusammenschluss der Frauenorganisationen in der Föderation war bis kurz vor Konfe­renzbeginn nicht bereit, diese zu unter­stützen, da einige Frauen befürchteten, daß die neu gegründete bosnische Frau­enpartei die Konferenz als Plattform be­nutzen könnte. Frauen aus den Parteien des Oppositionsbündnisses kritisierten die große SDA-Nähe der Organisatorin­nen. In Deutschland wurde die Konfe­renz schon im Vorfeld als nationali­stisch bezeichnet und daher nicht unter­stützt. Sicherlich konnte die große Mehrheit der Teilnehmerinnen nur we­nig mit den Positionen der Frauen- und der Friedensbewegung anfangen. Insge­samt spiegelten die Diskussionen der Frauen die unterschiedlichen Positionen der bosnischen Gesellschaft wider. Was die Frauen, die auf dieser Konferenz zu­sammengekommen waren, vereinte, war der Wunsch Gehör zu finden, als Frauen über Fraueninteressen zu diskutieren, untereinander ins Gespräch zu kommen und dadurch mit dazu beizutragen, daß der Krieg nicht mit Waffengewalt fort­geführt wird. Dies war nicht einfach. Für die ca. 30 Frauen aus der serbischen Entität war es schwierig und bezogen auf ihre Heimfahrt auch gefährlich, daß Präsident Izetbegovic bei der Eröff­nungsveranstaltung ein Grußwort sprach. Es war hart, immer wieder über Srebrenica und die serbische Verant­wortung dafür zu hören, mit der Ver­zweiflung der Vertriebenenfrauen und der Mütter und Ehefrauen der Ver­schwundenen konfrontiert zu werden. Für viele Frauen aus der Föderation war es schwierig, keine eindeutigen Distan­zierungen zu hören sondern auch im Privatgespräch immer wieder mit Rela­tivierungen der Verbrechen konfrontiert zu werden. In dieser schwierigen Ge­sprächssituation wurde das Thema der Vergewaltigungen durch das Zeugnis einer philippinischen Überlebenden an­gesprochen, die während des zweiten Weltkrieges von den Japanern zur Zwangsprostitution gezwungen worden war. Ihr eindrücklicher Beitrag, der die Frauen für einen Augenblick im Weinen vereinte, zeigte, daß es Wunden gibt, die ein Leben lang Narben hinterlassen, doch das aus dem Brechen des Schwei­gens auch Stärke entsteht.

In der serbischen Entität gab es während des Krieges nur vier Frauengruppen, die im Bereich humanitärer Hilfe engagiert waren und alle eine nationalistische Ausrichtung haben: Kolo Srpska Sestara (Kreis der serbischen Schwestern), Maika Jugovica (Mutter Jugovica), Udruzene Zena - RS (Frauen­or­ga­ni­sa­tion - Serbische Repu­blik) und Duga (Regenbogen). Duga in Banja Luka war die einzige Gruppe, die bewusst mit kriegstraumatisierten Frauen arbeitete und im Mai 1996 drei Frauen­gruppen aus der Föderation zu einem Er­fah­rungsaustausch einlud. Als Erfah­rungs­austausch beschrieben alle Teil­nehmerinnen das Treffen als sehr erfolg­reich und bereichernd. Doch die politi­schen Unterschiede und Einschätzungen waren sehr groß, so daß es seitdem kaum zu weiteren Kontakten gekommen ist.

Angeregt durch die Diskussionen auf der Zenica-Konferenz und die Vielfalt der Frauenprojekte in der Föderation gründeten Frauen aus Banja Luka eine neue multi-religiöse Frauenorganisation in der Stadt: Udruzene Zena - Banja Luka (Frauenorganisation - Banja Luka). Mitglieder der Organisation be­reisten im Herbst dieses Jahres einige der Städte Ostbosniens, in denen bisher kaum oder keine unabhängigen Initiati­ven arbeiten. Sie berichteten über ihre Arbeit, ermutigten die Frauen eigene Organisationen zu gründen und erzähl­ten auf Nachfrage auch über ihre Erfah­rungen in der Föderation. Für den De­zember bereitet diese Gruppe in Koope­ration mit der Helsinki Citizens' Assem­bly, die kürzlich ein Büro in Banja Luka eröffnete, eine Konferenz für Frauen aus der serbischen Entität vor, um den Dis­kussionsprozeß unter einander zu inten­sivieren und gemeinsame Ziele zu ent­wickeln. Gäste aus der Föderation wer­den erwartet. Doch die Repression in der serbischen Entität hat nach den Wahlen wieder zugenommen und es ist noch nicht klar, ob und unter welchen Umständen die Konferenz stattfinden kann.

Bisher gibt es nur wenige Überschneidungen zwischen der Arbeit der in ihrer überwiegenden Mehrheit humanitär ausgerichteten Frauenorganisationen auf der einen Seite und den Menschen­rechts- und zivilgesellschaftlich orien­tierten Organisationen auf der anderen Seite. Letztere bezeichnen die Frauen­organisationen als zu konservativ, als unpolitisch oder sie nehmen sie erst gar nicht ernst. Die Frauenorganisationen werden nicht als möglicher Partner beim Aufbau der Zivilgesellschaft betrachtet und als defizitär beschrieben. Frauenin­teressen werden bestenfalls als soziale Probleme wahrgenommen. Politik ist Männersache, Politik(er) sind korrupt. Die Nichtkommunikation zwischen Frauen- und Menschenrechtsorganisa­tionen schwächt die heranwachsende Zivilgesellschaft.

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Angela König war für die verschiede Organisation vor Ort u.a. für die Ev. Frauenarbeit. Zuletzt hat sie an der OSZE Missionin BiH teilgenommen.