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Wer bestimmt über Krieg und Frieden?
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Als Frauen am Anfang des Krieges in Kroatien und in Bosnien-Herzegovina missbraucht und vergewaltigt wurden, waren sie Schlagzeilen wert. Frauen als Opfer weckten Mitleid und waren Argument in der Diskussion um eine militärische Intervention. Über die Selbsthilfe- und Überlebensinitiativen von Frauen wurde weniger berichtet. Heute, wenn es um die Gestaltung eines möglichen Friedens, um Frauen als politisch Handelnde geht, sind Frauen als Frauen kein politisches Thema mehr. Sie sind wieder geschlechtslos und wollen dies teilweise selbst so.
Die Analyse der Geschlechterverhältnisse und -hierarchien passt nicht zu den gängigen Deutungsmustern über die Ursachen des Krieges, ist oftmals bedrohlich für die eigene Rollenidentität und erfordert weiteres Nachdenken über andere Friedenspolitiken. Der weitgehende Ausschluss der Frauen aus der politischen Diskussion und den politischen Entscheidungsprozessen der Parteien und der am Konzept der Zivilgesellschaft orientierten Nichtregierungsorganisationen (NROs) in Bosnien-Herzegovina ist nur selten Thema in der Diskussion um die Gestaltung der Zukunft. Ein Grund dafür ist sicherlich, daß es in Bosnien-Herzegovina keine nennenswerte Frauenfriedensbewegung gibt. Die Aktionen der Belgrader "Frauen in Schwarz" blieben angesichts der innergesellschaftlichen Repression in der bosnischen "Republik Serbien" auf die Bundesrepublik Jugoslawien beschränkt und wurden nur von wenigen Frauengruppen in der Föderation aufgegriffen.
Seit Abschluß des Friedensvertrages von Dayton haben Frauen in den beiden Entitäten Bosnien-Herzegovinas begonnen, die abgebrochene Kommunikation auch öffentlich in Veranstaltungen wieder aufzunehmen und ihre Zukunftsvorstellungen über religiös-nationale und Entitätsgrenzen hinweg zu diskutieren. Anfang Juni organisierte der lokale Zweig der Helsinki Citizens' Assembly eine Konferenz in Zenica "A Room for Dialogue". Im Plenum und in Arbeitsgruppen diskutierten ca. 50 Frauen, davon 5 aus der serbischen Entität, über Frauen in der Politik, in der Wirtschaft und über die Situation der Flüchtlingsfrauen und ihr im Dayton-Vertrag festgeschriebenes, aber in der Realität noch nicht umsetzbares Recht auf Rückkehr. In der Abschlußresolution, die sich an die eigenen Parteien und Regierungen, aber auch an die politisch relevanten internationalen Institutionen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und das "Büro des Hohen Repräsentanten" Carl Bildt richtete, forderten die Frauen Unterstützung für eine angemessenere Repräsentanz in den unterschiedlichen politischen Gremien und eine verstärkte Berücksichtigung von Fraueninteressen im politischen Entscheidungsprozeß. Einige Frauen aus der serbischen Entität waren für diese Konferenz zum ersten Mal nach dem Waffenstillstand in die Föderation gekommen. Anfangs unsicher wie sie in der muslimisch dominierten Stadt Zenica empfangen werden, wurden sie im Verlauf der Konferenz immer sicherer, brachten sich verstärkt in die Diskussionen ein, gingen in die Stadt und besuchten mit anderen interessierten Frauen das Projekt "Medica Zenica", das erste feministisch orientierte Projekt für kriegstraumatisierte Frauen in Bosnien.
Bereits Ende Juni fand eine weitere Frauenkonferenz in Sarajevo statt. Ca. 400 Frauen nahmen an der Konferenz "Frauen verändern sich selbst und die Gesellschaft" teil. Diese Konferenz wurde von zwei Frauengruppen aus der Föderation vorbereitet; Zena 21. aus Sarajevo und Bosfam aus Tuzla. Der während des Krieges gegründete Zusammenschluss der Frauenorganisationen in der Föderation war bis kurz vor Konferenzbeginn nicht bereit, diese zu unterstützen, da einige Frauen befürchteten, daß die neu gegründete bosnische Frauenpartei die Konferenz als Plattform benutzen könnte. Frauen aus den Parteien des Oppositionsbündnisses kritisierten die große SDA-Nähe der Organisatorinnen. In Deutschland wurde die Konferenz schon im Vorfeld als nationalistisch bezeichnet und daher nicht unterstützt. Sicherlich konnte die große Mehrheit der Teilnehmerinnen nur wenig mit den Positionen der Frauen- und der Friedensbewegung anfangen. Insgesamt spiegelten die Diskussionen der Frauen die unterschiedlichen Positionen der bosnischen Gesellschaft wider. Was die Frauen, die auf dieser Konferenz zusammengekommen waren, vereinte, war der Wunsch Gehör zu finden, als Frauen über Fraueninteressen zu diskutieren, untereinander ins Gespräch zu kommen und dadurch mit dazu beizutragen, daß der Krieg nicht mit Waffengewalt fortgeführt wird. Dies war nicht einfach. Für die ca. 30 Frauen aus der serbischen Entität war es schwierig und bezogen auf ihre Heimfahrt auch gefährlich, daß Präsident Izetbegovic bei der Eröffnungsveranstaltung ein Grußwort sprach. Es war hart, immer wieder über Srebrenica und die serbische Verantwortung dafür zu hören, mit der Verzweiflung der Vertriebenenfrauen und der Mütter und Ehefrauen der Verschwundenen konfrontiert zu werden. Für viele Frauen aus der Föderation war es schwierig, keine eindeutigen Distanzierungen zu hören sondern auch im Privatgespräch immer wieder mit Relativierungen der Verbrechen konfrontiert zu werden. In dieser schwierigen Gesprächssituation wurde das Thema der Vergewaltigungen durch das Zeugnis einer philippinischen Überlebenden angesprochen, die während des zweiten Weltkrieges von den Japanern zur Zwangsprostitution gezwungen worden war. Ihr eindrücklicher Beitrag, der die Frauen für einen Augenblick im Weinen vereinte, zeigte, daß es Wunden gibt, die ein Leben lang Narben hinterlassen, doch das aus dem Brechen des Schweigens auch Stärke entsteht.
In der serbischen Entität gab es während des Krieges nur vier Frauengruppen, die im Bereich humanitärer Hilfe engagiert waren und alle eine nationalistische Ausrichtung haben: Kolo Srpska Sestara (Kreis der serbischen Schwestern), Maika Jugovica (Mutter Jugovica), Udruzene Zena - RS (Frauenorganisation - Serbische Republik) und Duga (Regenbogen). Duga in Banja Luka war die einzige Gruppe, die bewusst mit kriegstraumatisierten Frauen arbeitete und im Mai 1996 drei Frauengruppen aus der Föderation zu einem Erfahrungsaustausch einlud. Als Erfahrungsaustausch beschrieben alle Teilnehmerinnen das Treffen als sehr erfolgreich und bereichernd. Doch die politischen Unterschiede und Einschätzungen waren sehr groß, so daß es seitdem kaum zu weiteren Kontakten gekommen ist.
Angeregt durch die Diskussionen auf der Zenica-Konferenz und die Vielfalt der Frauenprojekte in der Föderation gründeten Frauen aus Banja Luka eine neue multi-religiöse Frauenorganisation in der Stadt: Udruzene Zena - Banja Luka (Frauenorganisation - Banja Luka). Mitglieder der Organisation bereisten im Herbst dieses Jahres einige der Städte Ostbosniens, in denen bisher kaum oder keine unabhängigen Initiativen arbeiten. Sie berichteten über ihre Arbeit, ermutigten die Frauen eigene Organisationen zu gründen und erzählten auf Nachfrage auch über ihre Erfahrungen in der Föderation. Für den Dezember bereitet diese Gruppe in Kooperation mit der Helsinki Citizens' Assembly, die kürzlich ein Büro in Banja Luka eröffnete, eine Konferenz für Frauen aus der serbischen Entität vor, um den Diskussionsprozeß unter einander zu intensivieren und gemeinsame Ziele zu entwickeln. Gäste aus der Föderation werden erwartet. Doch die Repression in der serbischen Entität hat nach den Wahlen wieder zugenommen und es ist noch nicht klar, ob und unter welchen Umständen die Konferenz stattfinden kann.
Bisher gibt es nur wenige Überschneidungen zwischen der Arbeit der in ihrer überwiegenden Mehrheit humanitär ausgerichteten Frauenorganisationen auf der einen Seite und den Menschenrechts- und zivilgesellschaftlich orientierten Organisationen auf der anderen Seite. Letztere bezeichnen die Frauenorganisationen als zu konservativ, als unpolitisch oder sie nehmen sie erst gar nicht ernst. Die Frauenorganisationen werden nicht als möglicher Partner beim Aufbau der Zivilgesellschaft betrachtet und als defizitär beschrieben. Fraueninteressen werden bestenfalls als soziale Probleme wahrgenommen. Politik ist Männersache, Politik(er) sind korrupt. Die Nichtkommunikation zwischen Frauen- und Menschenrechtsorganisationen schwächt die heranwachsende Zivilgesellschaft.