In sieben Jahren von der Idee zur Praxis – eine Erfolgsgeschichte

Ziviler Friedensdienst

von Helga Tempel

Seit mehr als zehn Jahren gibt es einen Zivilen Friedensdienst (ZFD) als zivilgesellschaftliches Instrument zur Konflikttransformation und Gewaltprävention in Krisengebieten. Er arbeitet als Entsendedienst von ausgebildetem Fachpersonal in pluraler Trägerschaft und mit staatlicher Unterstützung nach dem Entwicklungshelfergesetz. Die ersten Friedensfachkräfte (FFK) reisten bereits 1999 nach gründlicher Vorbereitung u.a. durch mehrmonatige Trainingskurse aus. Seither wurden insgesamt 528 Friedensfachkräfte in der Regel für 2 bis 3 Jahre in Konfliktregionen entsandt; ZFD-Einsätze fanden in 50 Ländern statt. Insgesamt wurden in diesen 10 Jahren 116,8 Mill. Euro aus dem Haushalt des BMZ für den ZFD zur Verfügung gestellt.

Der Aufbau des Zivilen Friedensdienstes vollzog sich über einen Zeitraum von sieben Jahren. Er ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine erfolgreiche, aus der Zivilgesellschaft heraus entstandene public-private-partnership. Im Folgenden sollen zehn Schritte von der Idee bis zu ihrer Verwirklichung dargestellt und politisch bewertet werden. Dass es auch Probleme bei der Realisierung  gab, dass auch Irrwege beschritten wurden und Stolpersteine zu beseitigen waren, soll an dieser Stelle weitgehend ausgeklammert werden. 

(1) Die Idee eines ZFD, von dem Berliner Politologen Theodor Ebert in die Gremien der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eingebracht, traf zusammen mit der „friedlichen Revolution“ in der DDR, den Bestrebungen einer politischen Neuorientierung nach 1989 und der Diskussion zur Zukunft der Bundeswehr. Besonders in kirchlichen Kreisen wurde sie mit großer Offenheit aufgenommen und fand breite Beachtung, auch wenn die Einordnung des ZFD als einer „Option im Rahmen der Wehrpflicht“ besonders von der Friedensbewegung sehr kritisch gesehen wurde.

(2) Die „guten Dienste“ des Bunds für Soziale Verteidigung (BSV) in Form einer „Arbeitsgruppe ZFD“ aus VertreterInnen verschiedener Organisationen ermöglichten kritisches Abwägen der gegensätzlichen Positionen im Rahmen der Entwicklung eines aktualisierten Konzepts 1994. Auf dieser Grundlage schlossen sich noch im selben Jahr im Rahmen einer Tagung „Initiative für den ZFD“ zwölf Organisationen zu einem „Gesprächsforum ZFD“ zusammen. Damit war eine erste lose, weiterhin jedoch offene Struktur für eine koordinierte Weiterarbeit geschaffen.

(3) Diese ergab in Abgrenzung vom Basiskonzept der Kirche klare Weichenstellungen hin auf einen freiwilligen Entsendedienst für eine überschaubare Zahl lebenserfahrener Frauen und Männer nach dem Subsidiaritätsprinzip, also in privater Trägerschaft bei öffentlicher Förderung. Zugleich wurde deutlich, dass ein ZFD nur unter Einbezug aller interessierten Partner erfolgreich zu verwirklichen wäre. Auf dieser Grundlage wurden nahestehende Organisationen zur Kooperation eingeladen. Dabei ergab sich, dass nicht alle angesprochenen Partner es aufgrund ihrer regierungskritischen Position für politisch vertretbar hielten, finanzielle und organisatorische Unterstützung durch staatliche Stellen einzufordern, während andere genau darin eine Chance für eine andere, friedensorientierte Politik sahen.

(4) Die Idee des ZFD erfolgversprechend in den politischen Raum zu vermitteln, war keine leichte Aufgabe. Beratende Gespräche mit einzelnen Bundestags-Abgeordneten, später auch mit Vertretern aller Fraktionen führten zur Vorbereitung eines interfraktionellen Antrags im Bundestag, der aber 1995 an den Mehrheitsverhältnissen scheiterte.

Andererseits wuchs nach dem Krieg auf dem Balkan und dem Friedensabkommen von Dayton die politische Bereitschaft, zur Befriedung der Region durch 200 ausgebildete Fachkräfte beizutragen. Hier spielte sicher auch die verbreitete Ablehnung der umstrittenen militärischen Intervention eine Rolle. Aus zwei Gesprächen auf Einladung der Bischöfe Huber (ev.) und Spital (kath) mit den Fraktionsspitzen Geißler, Verheugen und Fischer ergab sich um die Jahreswende 95/96 berechtigte Hoffnung auf eine „Startphase ZFD“. Diese scheiterte jedoch am fragwürdig begründeten Einspruch des damaligen Entwicklungs-Ministers Spranger (CSU), man dürfe nicht unerfahrene junge Leute in heiße Konflikte schicken. 

(5) Die politischen Gespräche hatten die Notwendigkeit einer tragfähigen Rechtsform deutlich gemacht, so dass im Februar 1996 das Forum Ziviler Friedensdienst als eingetragener Verein gegründet wurde. Im Vorstand wirkten kompetente VertreterInnen kirchlicher und nichtkirchlicher Friedensorganisationen mit dem Anspruch professioneller Aufbauarbeit zusammen. Damit erhielt der ZFD einen „Anwalt der Idee“, ohne den die spätere Umsetzung schwerlich hätte stattfinden können.

(6) Vorrangige Aufgabe war nunmehr die gesellschaftliche Verankerung des Konzepts für einen ZFD. Wesentliche Impulse kamen dazu aus den Kirchen, auch durch das Engagement der beiden Bischöfe Huber/Berlin und Spital/Trier, bis hin zu einem unterstützenden Synodenbeschluss 1996.

Als bahnbrechend erwies sich zudem die sog. „Berliner Erklärung“ von Februar 1997. Vorbereitet durch eine gesponserte Anzeige in der ZEIT, erlangte dieser Aufruf mit 200 vorwiegend prominenten Unterzeichnern breite Beachtung in der Öffentlichkeit.

(7) In den Kontakten zu den Entwicklungsdiensten wurde deutlich, dass diese anfangs begrenztes Interesse zeigten, den neuen konfliktbezogenen Ansatz als notwendig zu unterstützen. Konfliktarbeit sei bereits Teil der Entwicklungszusammenarbeit, war ihr wichtigstes Argument. Dennoch ergab sich  im Herbst 1996 die Chance zu einem Zusammenschluss der anerkannten Entwicklungsdienste mit den Friedensorganisationen AGDF und forumZFD in Form eines „Konsortiums Ziviler Friedensdienst“, das gemeinsame  Rahmenbedingungen für die praktische Umsetzung des ZFD erarbeiten sollte. Dieses Bündnis erreichte später herausragende Bedeutung bei den Verhandlungen mit dem Entwicklungsministerium (BMZ).

Der erste Schritt zum ZFD als Gemeinschaftswerk war damit getan. Ihm sollten weitere, z.B. im Bereich der Ausbildung und der praktischen Projektarbeit folgen.

(8) Der Stagnation auf der bundespolitischen Ebene in den Jahren 1995/96 stand die positive Entwicklung im Bereich der Ausbildung gegenüber. Die Landesregierung NRW unter ihrem damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau hatte es sich – auch als konstruktive Gegenreaktion gegen die Blockade der Startphase durch die CSU - zur Aufgabe gemacht, die professionelle Vorbereitung von Friedensfachkräften in Zusammenarbeit verschiedener Friedensorganisationen durch ein gezieltes Förderprogramm anzustoßen. Ein schon zuvor parallel zur Konzeptentwicklung im BSV erarbeitetes Curriculum wurde ab 1997 zur Grundlage des vom Land  NRW finanzierten „Modellvorhabens Zivile Konfliktbearbeitung“.

Es war wahrscheinlich auch einem Anstoß des MP Johannes Rau zu verdanken, dass das forumZFD schon 1997 mit dem Gustav-Heinemann-Bürgerpreis der SPD ausgezeichnet wurde. Damit wurde deutlich, dass die Idee nach vierjähriger Vorarbeit in der Politik „angekommen“ war. Die Auszeichnung ermutigte zu verstärktem Engagement und war für die politische Weiterarbeit ausgesprochen förderlich.

(9) Auf der politischen Ebene rückten die Bundestagswahlen 1998 in den Mittelpunkt der advocacy-Arbeit. In der Hoffnung auf einen Regierungswechsel wurde in einem Memorandum die Institutionalisierung eines ZFD als „Prüfstein einer neuen Friedenspolitik“ gefordert.

Nach der Wahl führten die neuen Mehrheitsverhältnisse zu einem Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis90/ GRÜNE , in dem diesen Forderungen im Ansatz entsprochen wurde: „Die neue Bundesregierung setzt sich für den Aufbau einer Infrastruktur zur Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung ein. Hierzu gehört … die Verbesserung … der Voraussetzungen für die Ausbildung und den Einsatz von Friedensfachkräften und -diensten (z.B. ziviler Friedensdienst).“

(10) Die neue Entwicklungsministerin, Heidemarie Wieczorek-Zeul, machte sich die Idee nach ihrem Motto „Entwicklungsarbeit ist Friedensarbeit“ zu eigen und  leitete bereits 1999 die Umsetzung des „ZFD (als) ein neues Element der Entwicklungszusammenarbeit“ ein.

Fazit
Die Fortführung des Programms über mehr als 10 Jahre und die kontinuierliche Aufstockung der Mittel lassen erkennen, dass in der Politik die Bedeutung dieses neuen, friedensstiftenden Ansatzes erkannt wurde.

So heißt es im „Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ der Bundesregierung von 2004:  „Das wichtigste friedenspolitische Instrument zur Förderung von Friedenspotenzialen der Zivilgesellschaft ist der Zivile Friedensdienst." (S. 45), und im entsprechenden 2. Umsetzungsbericht 2008 dazu: „Der ZFD, ein Gemeinschaftswerk staatlicher und nichtstaatlicher Träger der Entwicklungs-  und Friedensarbeit zur Förderung des gewaltfreien Umgangs mit Konflikten und  Konfliktpotenzialen, ist ein Erfolgsmodell.“ (S. 90).

Soweit erkennbar, ist noch niemals vorher eine Idee aus der Zivilgesellschaft so schnell politikfähig und in einem Regierungsprogramm umgesetzt worden. Für die InitiatorInnen des ZFD gilt: Das Wagnis, bei aller Kritik am bestehenden System die konstruktive Zusammenarbeit mit Regierungsstellen zu versuchen und dabei doch die politische Unabhängigkeit zu bewahren, erscheint durch die insgesamt kooperative Entwicklung gerechtfertigt.

So stellt auch die „Evaluierung der Aufbauphase des ZFD“ im Auftrag des BMZ von 2002 fest: „Für sich genommen, ist dieser konstruktive Dialog im Ergebnis ein politischer Gestaltungserfolg seiner Akteure …. und ihrer zunehmenden Verantwortung, neue Felder der staatlichen Entwicklungs- und Friedenspolitik mitzugestalten.“(S. 19)

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