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Kurznachruf eines Protestanten zum Tod von Papst Franziskus
Zum Tod von Papst Franziskus
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Wir erinnern uns: Als der südafrikanische Kirchenführer Desmond Tutu starb, ließen die deutschen Medien ihn einen großen Mann sein und lobten sein Eintreten gegen die Apartheid in Südafrika. Dass er sich bis zuletzt gegen die Apartheid in Israel eingesetzt hatte, verschwiegen sie.
Solch selektive Laudatio ist auch beim Tod von Papst Franziskus zu beobachten. Am Rande erinnert wird gerade noch seine bahnbrechende Umwelt-Enzyklika „Laudato si“. In den Vordergrund gerückt wird, dass er sich an die Seite der Armen stellte, für einen Papst fast trivial. Gelobt wird, dass er dies auch persönlich sehr konsequent lebte, schon nicht mehr trivial. Beiseite geschoben aber wird, dass er diese Haltung in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ zu einer Kapitalismuskritik ausformuliert hatte – da tut man geradezu so, als würde der Satz „Diese Wirtschaft tötet!“ sein Andenken beschädigen.
Was im Lande neuentdeckter Kriegstüchtigkeit weitestgehend ausgespart bleibt, ist die große Klarheit dieses Papstes in Sachen Krieg und Frieden, die gleich im Jahr seiner Wahl 2013 sichtbar wurde. In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2017 (1) rief Papst Franziskus alle, insbesondere Regierungen und Staatsoberhäupter, eindringlich dazu auf, „aktive Gewaltlosigkeit zu unserer Lebensweise zu machen“. „Ich bitte Gott, uns allen zu helfen, Gewaltlosigkeit in unseren tiefsten Gedanken und Werten zu kultivieren. Mögen Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit unseren Umgang miteinander als Individuen, in der Gesellschaft und im internationalen Leben bestimmen. Wenn Opfer von Gewalt der Versuchung zur Vergeltung widerstehen können, werden sie zu den glaubwürdigsten Förderern gewaltfreier Friedensarbeit. Möge Gewaltlosigkeit in den lokalsten und alltäglichsten Situationen und in der internationalen Ordnung zum Markenzeichen unserer Entscheidungen, unserer Beziehungen und unseres Handelns und des gesamten politischen Lebens in all seinen Formen werden.“
In seiner Enzyklika Fratelli Tutti aus dem Jahr 2020 wird Krieg die „falsche Lösung“ für die Probleme der Welt genannt. „Krieg kann leicht durch die Berufung auf alle möglichen angeblich humanitären, defensiven oder vorsorglichen Entschuldigungen und sogar durch Informationsmanipulation gewählt werden. In den letzten Jahrzehnten wurde jeder einzelne Krieg angeblich ‚gerechtfertigt‘“ (FT 258). „Jeder Krieg hinterlässt unsere Welt in einem schlechteren Zustand als zuvor. Krieg ist ein Versagen der Politik und der Menschlichkeit, eine beschämende Kapitulation, eine bittere Niederlage vor den Mächten des Bösen. Bleiben wir nicht in theoretischen Diskussionen stecken, sondern berühren wir die Wunden der Opfer. Schauen wir noch einmal auf all die Zivilisten, deren Tötung als ‚Kollateralschaden‘ betrachtet wurde. Fragen wir die Opfer selbst. Denken wir an die Flüchtlinge und Vertriebenen, an diejenigen, die unter den Folgen von Atom- oder Chemiewaffenangriffen litten, an die Mütter, die ihre Kinder verloren haben, an die Jungen und Mädchen, die verstümmelt oder ihrer Kindheit beraubt wurden. Hören wir die wahren Geschichten dieser Gewaltopfer, betrachten wir die Realität mit ihren Augen und hören wir ihren Geschichten mit offenem Herzen zu. So werden wir den Abgrund des Bösen im Herzen des Krieges begreifen. Es wird uns auch nicht beunruhigen, als naiv zu gelten, weil wir uns für den Frieden entschieden haben“ (FT 261).
Sehr im Unterschied zu den evangelischen Kirchen in Deutschland, die in jüngster Zeit das politische Friedensengagement der Christen verdunsten lassen zu einer diffusen „Friedenssehnsucht“, scheute Franziskus nicht davor zurück, sich durch Konkretisierung angreifbar zu machen. So antwortete er in einem Interview auf die Frage: „In der Ukraine fordern manche den Mut zur Kapitulation, zur weißen Flagge. Andere sagen jedoch, dies würde die stärkere Partei legitimieren. Was meinen Sie dazu?“ „Das ist eine Interpretation. Aber ich glaube, der Stärkere ist derjenige, der die Situation erkennt, der an die Menschen denkt, der den Mut hat, die weiße Fahne zu hissen und zu verhandeln. Und heute sind Verhandlungen mit Hilfe internationaler Mächte möglich. Das Wort ‚verhandeln‘ ist ein mutiges Wort. Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass die Dinge nicht gut laufen, braucht man den Mut zu verhandeln. Man mag sich schämen, aber mit wie vielen Toten wird es enden? Verhandeln Sie rechtzeitig; suchen Sie ein Land, das vermitteln kann. Heute, zum Beispiel im Krieg in der Ukraine, gibt es viele, die vermitteln wollen. Die Türkei hat sich dafür angeboten. Und andere. Schämen Sie sich nicht zu verhandeln, bevor die Dinge schlimmer werden.“
Was im Lande der Staatsräson so gar keinen Platz hat, sind die Äußerungen von Papst Franziskus zum Vorgehen Israels im Gaza-Streifen. Angekreidet wurde ihm schon eine Aussage in seinem Buch „Hoffnung enttäuscht nie. Pilger auf dem Weg zu einer besseren Welt“, die in der Zeitung „La Stampa“ vorveröffentlicht wurde: „Nach Ansicht einiger Experten weist das Geschehen in Gaza die Merkmale eines Völkermords auf. Wir sollten sorgfältig prüfen, ob es in die von Juristen und internationalen Gremien formulierte technische Definition passt.“ Man kann die Übereinstimmung einer religiösen mit der säkularen Weltorganisation allerdings auch zukunftsweisend finden.
Im Vorfeld des Weihnachtsfestes 2024 betete Franziskus im Audienzsaal nicht nur vor einer von palästinensischen Christen überbrachten Krippe mit einem in ein Palituch gehüllten Christuskind (2), er äußerte sich auch sehr klar zur Kriegsführung Israels, sprach von „kriminellen Handlungen“ und sagte: „Das ist Grausamkeit. Das ist kein Krieg. Ich will dies sagen, weil es das Herz berührt.“ Sein Weihnachtsaufruf 2024 flüchtet nicht in Allgemeinheiten, sondern nennt das Geschehen beim Namen: „Beten wir, dass es zu Weihnachten einen Waffenstillstand an allen Kriegsfronten geben wird: im Heiligen Land, in der Ukraine, im gesamten Nahen Osten und auf der ganzen Welt… Mit Schmerz denke ich an Gaza, an so viel Grausamkeit, an Kinder unter Maschinengewehrbeschuss, an Bombardierungen von Schulen und Krankenhäusern – was für eine Grausamkeit!“ Noch auf dem Krankenbett hat ihn die Lage der Menschen in Gaza nicht losgelassen und er hat öfter mit ihnen telefoniert.
Welch eine Wahrhaftigkeit, welch tief im Christenglauben fundierte Haltung, die ich in meiner, zu Gaza schweigenden evangelischen Kirche leider so schmerzvoll vermisse. Umso froher bin ich, anlässlich seines Todes, dem katholischen Kirchenoberhaupt nachrufen zu können:
Ruhe in Frieden, lieber Bruder Bergoglio, du Papst Franziskus! Dir geschehe, wie du geglaubt hast! Du warst auf Erden für den Frieden auf Erden. Mögest Du jetzt in den Frieden eingehen, der höher ist als unsere menschliche Vernunft!
Anmerkungen
1 https://www-vatican-va.translate.goog/content/francesco/en/messages/peac...
2 https://forum-friedensethik.de/das-kind-in-der-krippe-und-die-kinder-pal...
Dieser Beitrag wurde dem Forum Friedensethik entnommen: https://forum-friedensethik.de/die-friedensbewegung-hat-ein-prominentes-...