vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main

Zur Verteidigung

von Klaus Bade

Ehrenwerte Vertreter des hochverehrten Rechtsstaates, meine Damen und Herren,

am 19.8.2003 wurde mir ein Strafbefehl zugestellt, der sich auf Handlungen bezieht, welche ich am 29.3.2003 begangen haben soll. Sie brauchten anscheinend diese Zeit von ca. 20 Wochen, um eingehend zu prüfen, ob Ihre Vorgehensweise gerechtfertigt war. Allerdings hätte ich mir nach so langer Zeit mehr Sorgfalt bei der formalen und inhaltlichen Abfassung des Textes gewünscht, aber angesichts der Menge der gegen die Beteiligung an einem Angriffskrieg protestierenden Demonstranten muss man wohl verstehen, dass hier etwas pauschaler verfahren wurde. So unterlief denn der kleine Fehler, dass aus dem Schriftstück gar nicht hervorgeht, dass ich (Zitat) "von Polizeibeamten/innen zwangsweise werden musste". Natürlich weiß ich, denn es geschah mir ja selbst, dass ich weggetragen wurde, aber ob das sein musste, erscheint mir zumindest fraglich. Ich jedenfalls hätte es für ein besseres Verhalten der Polizei gehalten, wenn sie uns den Protest im Rondell vor dem Südtor hätte durchführen lassen und uns nicht auf die Straße abgedrängt hätte. (...)

Gegen den Vorwurf, ich hätte beabsichtigt, irgendwelche auf dem Airportring verkehrenden Fahrzeuge an der Weiterfahrt zu hindern, möchte ich mich verwahren. Meine Absicht war ein symbolischer Protestakt, die Air-Base zu blockieren, nicht den Airportring. Daran wurde ich gemeinsam mit meinen Freunden von der Polizei gewaltsam gehindert, und weil die Aktion nicht völlig verpuffen sollte, haben wir uns dann notgedrungen so nahe wie möglich am eigentlich geplanten Ort niedergesetzt, "widersetzt". Es ging ja nach unserer Auffassung um eine Demonstration gegen eine eklatante Verletzung des Grundgesetzes, und so wäre es eigentlich richtig gewesen, wenn die Polizei, die ja doch vorrangig zu dessen Schutz da ist, sich dazu gesetzt hätte. Statt dessen behandelte sie uns in entwürdigender Weise wie Verbrecher. Wie verfahren wurde, dürfte dem Gericht bekannt sein.

Dass die Aktion nicht angemeldet war, wusste ich zunächst nicht. Als es mir dann bekannt wurde, hätte ich es für einen beschämenden Mangel an Zivilcourage gehalten, aus einem solchen Grunde nicht teilzunehmen, zumal es sich ja nur um einen kleinen durch wenige km abgetrennten Teil von einer großen genehmigten Demonstration handelte.

Nun aber zu den viel gravierenderen Gründen meines Einspruchs:
1. Die unter 2. und 3. aufgeführten angeblichen Motive meines Protestes sind völlig aus der Luft gegriffene Unterstellungen. Vermutlich sollten sie wohl nur dazu dienen, die Begründungen für meine Bestrafung zu erweitern und zu verschmieren, weil der eigentliche Grund dafür wohl auch dem Ankläger nicht genügend stichhaltig erschien. Ähnliches gilt für das unter 1. bezeichnete Motiv. Gegen die militärische Intervention alliierter Streitkräfte im Irak hatte ich wie viele Millionen Menschen in der ganzen Welt schon mehrfach in München demonstriert. Dazu wäre die Fahrt nach Frankfurt nicht erforderlich gewesen. Hier ging es mir ganz präzise um den Protest an der Air-Base gegen die deutsche Unterstützung eines weder durch ein UNO-Mandat noch durch den NATO-Vertrag legitimierten Angriffskrieges.

Dass eine Verweigerung der Air-Base Frankfurt als Startplatz für die Bomber, die in den Irak flogen, also nicht nur eine verkündete, sondern auch eine faktische Verweigerung der Teilnahme an diesem Krieg auch einem NATO-Mitglied möglich gewesen wäre, zeigte die Türkei, als sie die Stationierung zehntausender US-Soldaten auf ihrem Territorium ablehnte. Aber auch ohne dieses Beispiel hätte die Bundesrepublik die zwingende Verpflichtung gehabt, sich nicht an dem schon damals offensichtlichen Völkerrechtsbruch zu beteiligen, der sich inzwischen immer mehr als ein solcher entpuppt hat, von einer Supermacht mit gigantischem Aufwand und ungeheuerer Überlegenheit gegen einen äußerst schwachen Feind geführt unter Vorgabe von Begründungen, die sich als völlig haltlos, willkürlich und verlogen erwiesen. Überdies wurde der Krieg gegen den Rat und die Warnung vieler Experten vom Zaun gebrochen, welche die schrecklichen Folgen voraussahen, die nun mehr und mehr eintreten.

2. Den schlimmsten Missgriff aber tat meines Erachtens die Staatsanwaltschaft Frankfurt, indem sie einfach schematisch den Nötigungsparagraphen abschrieb und ihn zum Fundament ihrer Anklage machte, ohne ihn durch irgendwelche einsehbaren Erklärungen mit unseren Handlungen in Verbindung zu bringen.

"Mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu Duldung oder Unterlassung genötigt zu haben, wobei die Anwendung oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist", dieser Sachverhalt könnte im vorliegenden Fall doch wohl eher auf das Verhaften der staatlichen Organe zutreffen als auf unsere friedlichen Demonstrationen, die nichts weiter zeigten als verzweifelten machtlosen Widerstand und ein symbolisches "Widersetzen" gegen die Unterstützung eines Krieges, der, aller Welt offenbar, den Bruch des Völkerrechts und die Verhöhnung aller Bemühungen um seine Vermeidung auf höchster Ebene darstellte.

Ich erwarte also vom Gericht nicht nur einen Freispruch, sondern auch eine Zurückweisung aller Vorwürfe und eine Entschuldigung der Justizbehörde für die unwürdige Behandlung von uns an jenem nun schon wieder 10 Monate zurückliegenden 29.3.2003.

Klaus Bade
Starnberg, den 19.1.2004

 

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