Redebeitrag für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 6. August 2019 in Bremen

 

- Sperrfrist: 6.8.2019, Redebeginn: 18 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Hallo!

Ich bin Clara Tempel. Ich bin im Wendland aufgewachsen und studiere in Lüneburg „Studium Individuale“. In meinem Studium beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Veränderungsprozessen und Sozialen Bewegungen. 2013 habe ich zusammen mit anderen JunepA, das Junge Netzwerk für politische Aktionen gegründet. Wir sind eine offene Gruppe von jungen Menschen, die gemeinsam Aktionen Zivilen Ungehorsams organisieren. Dabei geht es uns auch darum, andere junge Menschen an den Zivilen Ungehorsam heranzuführen. Wir beschränken uns in unserer Arbeit nicht auf einen bestimmten Themenbereich, sondern lehnen uns gegen verschiedenste Formen des Unrechts auf.

Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf dem Kampf gegen die Atomwaffen. JunepA war auch Teil der Aktion, von der Katja gerade erzählt hat. Gemeinsam waren wir auf der Startbahn des Atomwaffenlagers und gemeinsam beschäftigen wir uns nun seit rund zwei Jahren mit den rechtlichen Konsequenzen dieser Aktion. Nach der Verurteilung vor dem Amtsgericht Cochem hat sich abgezeichnet, dass wir die Verurteilung nicht einfach so hinnehmen wollen, sondern unser Verfahren als Fortführung unserer Aktion aktiv gestalten wollen. Deswegen haben wir die Prozesskampagne „Wider§pruch – Vom Atomwaffenlager in den Gerichtssaal“ gegründet.

Unsere Kampagne hat vier Ziele. Wir wollen:

1. die Kosten für eine Prozesskampagne mit langem Atem solidarisch auf vielen Schultern verteilen

2. die Prozesse mit Öffentlichkeitsarbeit und guter juristischer Beratung begleiten

3. andere Aktivist_innen ermutigen, aktiv zu werden und die Auseinandersetzung vor Gericht nicht zu scheuen

4. vor Gericht die Völkerrechtswidrigkeit der Atomwaffen thematisieren.

Ja, die Atomwaffen in Büchel sind völkerrechtswidrig. Dass wir wegen unserer Aktion gegen diesen Rechtsbruch kriminalisiert werden, wollten wir nicht einfach so hinnehmen. Also haben wir Widerspruch gegen unsere Verurteilung eingelegt und gehen nun durch die Instanzen bis zum Verfassungsgericht. Dabei arbeiten wir uns in die juristischen Feinheiten ein, verteidigen uns selbst und nutzen den Gerichtssaal als unsere Bühne für unsere Argumente gegen die Atomwaffen.

Im letzten Jahr war es bei mir dann soweit: Ich wurde in dritter Instanz rechtskräftig wegen Hausfriedensbruch verurteilt. Das bedeutet: Ich kann nicht weiter Widerspruch einlegen. Aber das Gut: Der Weg zum Verfassungsgericht war nun endlich frei. Gemeinsam mit einer Mitstreiterin habe ich eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, die im Moment bearbeitet wird. Aber auch andere Wege des Widerstands waren noch offen. Wir haben überlegt: Wie gehen wir mit einer rechtskräftigen Verurteilung einiger Aktivist_innen um? Einfach das Geld bezahlen? Wir haben uns gemeinsam entschieden, dass es ein guter Zeitpunkt ist, um für meine Überzeugung ins Gefängnis zu gehen.

Statt die Strafe für meine legitime Aktion Zivilen Ungehorsams einfach zu bezahlen, habe ich also am 21. März meine Ersatzfreiheitsstrafe im Frauengefängnis Hildesheim angetreten. Das Gefängnis war ein weiterer Aktionsort im Kampf gegen die Atomwaffen. Die eine Woche dort war herausfordernd, bereichernd, wunderschön, grenzwertig, hart, widersprüchlich. Draußen vor dem Gefängnis gab es eine Dauermahnwache von Mitstreiter_innen, täglich gab es Veranstaltungen zum Thema Atomwaffen, es sind viele Gespräche entstanden – aber das kann Katja besser erzählen.

Ich bin der Meinung: Genauso wie die Atomwaffen sollten wir Gefängnisse abschaffen. Beides sind Symptome eines hierarchischen, gewalttätigen Systems, dem wir ein solidarisches und friedliches Zusammensein entgegensetzen sollten. Ich verlange nicht von allen Atomwaffengegner_innen, dass sie für ihre Überzeugung ins Gefängnis gehen – jede_r muss da ihren eigenen Weg finden. Aber ich möchte euch alle ermutigen, Grenzen zu überwinden, in Büchel, in den Köpfen und anderswo.

 

Clara Tempel ist aktiv bei JunepA (Junges Netzwerk für politische Aktionen)