Redebeitrag für die Hiroshima Gedenkveranstaltung am 6. August 2019 in Hamburg

 

- Sperrfrist: 6.8.2019, Redebeginn: 17 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

in der Geschichte Deutschlands und besonders auch in der Geschichte Hamburgs hat die Friedensbewegung eine lange Tradition. Das ist auch notwendig, hatte doch über lange Jahre der staatliche Militarismus deutlich die Oberhand – und dies bis heute.

Der Kampf gegen die atomare Bedrohung ist jetzt, nach dem Ende des INF-Vertrages wieder aktueller denn je. Es droht ein neues nukleares Aufrüsten. Die USA stecken Milliarden Dollar in die Entwicklung neuer Atomwaffen, aber auch die anderen Atomwaffenstaaten wollen dahinter nicht zurückstehen und modernisieren ihre Bestände. Ohne das zivilgesellschaftliche Engagement der Friedensbewegung hätte es die bescheidenen Abrüstungsfortschritte der Vergangenheit nicht gegeben. Heute werden sie durch die Trump-Administration beiseite gewischt, dabei assistiert durch Bundesaußenminister Heiko Maaß.

Die Gefahr eines Atomkrieges ist damit wieder bedrohlich angewachsen. Die Bundesregierung wird in der atomaren Frage ihrer Aufgabe, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden, nicht gerecht. Somit bleibt es, wie auch zu Beginn der sechziger Jahre, dem außerparlamentarischen Engagement des Einzelnen überlassen, atomare Abrüstung einzufordern und am Aufbau einer breiten Friedensbewegung mitzuwirken.

Wir befinden uns hier in unmittelbarer Nähe zum Rathausmarkt, der in den zurückliegenden Jahrzehnten Schauplatz bemerkenswerter friedenspolitischer Großereignisse war. So fand am 17. April 1958 die Großkundgebung „Kampf dem Atomtod“ auf dem Hamburger Rathausmarkt statt. Anlass dieser Bewegung war die geplante atomare Bewaffnung der Bundeswehr, die 1957 auch eine Mehrheit im Bundestag gefunden hatte. An der Kundgebung nahmen 170.000 Menschen teil. Der damalige Hamburger Bürgermeister Max Brauer war der Hauptredner. Die Hamburger Hochbahn stellte für die Zeit der Kundgebung ihren Betrieb ein, um sie zu unterstützen.

Die SPD-Fraktion sollte sich heute an diese, ihre Geschichte erinnern und sich erneut in den Kampf gegen den Atomtod einreihen, indem sie den ICAN-Städteappell unterstützt. Abgeordnete und Senat sollten sich daran erinnern, dass sie einen großen Beitrag zur Mobilisierung der Bevölkerung leisten können.

Es war damals auch geplant, in Hamburg eine Volksbefragung über die Frage der Atombewaffnung durchzuführen. Die Bundesregierung unter Adenauer rief dagegen das Bundesverfassungsgericht an, das die Befragung untersagte. Der Hamburger Senat beugte sich der Entscheidung.

Die Friedensbewegung musste sich mit der Ostermarschbewegung neu aufstellen. Eine wichtige Lektion, die wesentliche Akteure der Friedensbewegung damals – und bis heute – verinnerlichten, war, sich nicht auf Parteien zu verlassen und sich nicht in ihre Abhängigkeit zu begeben, sondern parteiunabhängig zu agieren.

Die Bewegung „Kampf dem Atomtod“ war dennoch insofern erfolgreich, dass die Bundeswehr nicht mit Atomwaffen ausgerüstet wurde. Das hatte aber vor allem auch mit den übrigen westlichen Atommächten zu tun, die nicht wollten, dass Deutschland zu mächtig wurde.

Anfang der 70er Jahre trat die Bundesrepublik dem Atomwaffensperrvertrag als Nichtatomwaffenstaat bei. Allerdings ließ sie sich ein Hintertürchen offen, indem sie ihrer Unterschrift eine Erklärung beifügte: der Vertrag dürfe einer europäischen Einigung nicht im Wege stehen. Außerdem wurde durch den Ausbau der Atomkraft nukleares Wissen und spaltbares Material angehäuft, sodass Deutschland als latente Atommacht bezeichnet werden muss. Und dies bis heute, da beim Atomausstieg der mit waffenfähigem Kernbrennstoff betriebene Forschungsreaktor bei München und die Urananreicherung zur Herstellung von Brennelementen ausgeklammert wurden.

In den 1980er Jahren kam es zu einer breiten Massenmobilisierung der Friedensbewegung gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Europa. Damit kommen wir zu einem weiteren Großereignis auf dem Rathausmarkt. Am 22. Oktober 1983 versammelten sich hier 400.000 Menschen. Diesmal gab es keine Unterstützung durch den Senat. Im Gegenteil, es musste erst darum gerungen werden, dass der Rathausmarkt für die Kundgebung auch freigegeben wurde.

Der damalige US-Präsident Ronald Reagan war ein ähnliches Kaliber wie heute Donald Trump. Dennoch war er gezwungen, 1987 mit der Sowjetunion den INF-Vertrag zu schließen und die Stationierung der atomaren Mittelstreckenraketen wieder rückgängig zu machen. Erstmals war es gelungen, dass die Supermächte eine ganze Waffengattung verschrotteten. Die Friedensbewegung hatte daran, dass dies möglich wurde, ihren Anteil. Heute hat die US-Regierung sich auch dieses Vertrags entledigt, da er ihren Aufrüstungsplänen im Wege stand. Wir stehen international wieder in einem neuen Kalten Krieg, wobei die Situation durch die Weiterentwicklung der Militärtechnologie eher noch gefährlicher geworden ist.

Das Engagement eines jeden Einzelnen in der Friedensbewegung ist heute wichtiger denn je.

Auf dem Hamburger Rathausmarkt steht auch ein Denkmal, das 1931 errichtet wurde, um der Opfer des ersten Weltkriegs zu gedenken: die sogenannte Barlach-Stele. Dieses Denkmal wurde von den Faschisten 1938 abgerissen, weil es die Folgen von Militarismus und Krieg thematisierte. Sie setzten an seine Stelle ein militaristisches Kriegerdenkmal und errichteten am Dammtor den immer noch existierenden Kriegsklotz zur Verherrlichung soldatischer Tugenden. Die Barlach-Stele wurde nach dem Krieg als Mahnmal für die Opfer der zwei Weltkriege neu errichtet. Es reicht jedoch nicht, der Opfer zu gedenken, sondern es gilt, alles zu tun, eine erneute Katastrophe zu verhindern.

 

Dr. Markus Gunkel ist aktiv beim Hamburger Forum.