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Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2023 in Kiel
- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –
Liebe Freundinnen und Freunde,
jedes Jahr treffen wir uns am 6. August hier im Kieler Hiroshimapark zum Gedenken an die Opfer der US-Atombombenabwürfe auf die Städte Hiroshima und Nagasaki. Dieses Gedenken soll aus dem Entsetzen über den Einsatz derart zerstörerischer Waffen immer von neuem ein „Nie Wieder“ fordern!
Die Zerstörungskraft der über Hiroshima gezündeten Atombombe mit ihrer Sprengkraft von 12 kt TNT, das entspricht 2.500 konventionellen Bombenladungen, - übersteigt unser Vorstellungsvermögen. Dabei war es im Vergleich zu modernen strategischen Bomben eine relativ kleine Atombombe! Es ist einfach unvorstellbar, dass 100.000 Menschen in den ersten Sekunden nach der Explosion sofort starben und von ihnen im 7.000 Grad heißen Zentrum oft nur ihr in den Stein eingebrannter Schatten übrig blieb.
Die noch einmal Hunderttausend, die zunächst überlebten, starben qualvoll, meist ohne medizinische Hilfe, denn auch fast 90 % der Ärzte und Schwestern waren sofort umgekommen, die Krankenhäuser fast vollständig zerstört! Deshalb warnt die ärztliche Friedensorganisation IPPNW: „Wir werden Euch nicht helfen können!“
Die Ärzte, die nach wenigen Tagen aus den USA eingeflogen wurden, kamen nicht, um zu helfen, sondern lediglich, um die medizinischen Folgen zu dokumentieren!
Um uns diese abstrakte Zahl von 100.000 sofort Getöteten vorstellen zu können. - Versuchen Sie einmal, das auf Kiel zu übertragen!
Die Überlebenden werden die Toten beneiden!
Das Leid einer so unfassbar großen Zahl von Opfern übersteigt jede menschliche Einfühlungsfähigkeit. Nur durch die erschütternden Berichte einzelner Überlebender, der Hibakusha, kann man ahnen, wie auch noch jahrzehntelang die äußeren Wunden, vor allem schwerste Brandverletzungen und Knochenbrüche, zahllose Operationen nötig machten, während die inneren Wunden, das Trauma des Erlebten, unaussprechbar blieb, nicht mitgeteilt, nicht geteilt werden konnte. Die Trauer über den Verlust so vieler Angehöriger und Freunde, die Angst, an Krebs zu erkranken oder ein missgebildetes Kind zu bekommen, wurde abgekapselt, weil jahrelang von der japanischen Gesellschaft kein sozialer Raum dafür bereit gestellt wurde. Die Überlebenden, die „Hibakusha“, waren sogar lange geächtet und wurden gemieden. Oft verheimlichten Überlebende ihr Opfersein sogar ihren Kindern, aus Angst, die genetischen Schäden auch noch über Generationen weiter zu vererben.
Dann aber waren es gerade die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki, die es sich zur Aufgabe machten, die Weltöffentlichkeit über die entsetzlichen Folgen dieser zerstörerischten aller Waffen zu informieren und jeden weiteren Einsatz einer Atombombe zu verhindern.
Hat aber die Welt, haben insbesondere die USA aus Entsetzen über dieses „man-made disaster“ innegehalten mit dem Wahnsinn des atomaren Rüstungswettlaufs? Gab es ein Anerkennen der Schuld? Gab es öffentliche Reue, die zur Verbannung dieser teuflischen Waffe geführt hätte?
Es dauerte bis 2016 bis Barack Obama als erster US-Präsident überhaupt an der jährlich in Hiroshima stattfindenden Gedenk- und Friedensfeier teilnahm. Vor kurzem dann auch Präsident Biden am Rande des G7-Gipfels. Von ihnen kam kein Wort der Entschuldigung. Beide beschworen eine Welt ohne Atomwaffen – aber sie rüsten praktisch auf, indem sie ihr Arsenal modernisieren.
Der Bürgermeister von Hiroshima, selbst ein Atombombenopfer, rief 1982 die Initiative „Mayors for Peace ins Leben, der inzwischen in 166 Ländern über 8.000 Städte beigetreten sind.
Wir sind stolz, dass Kiel auch zu den 845 deutschen Städten gehört und jährlich am 8. Juli wenigstens die Mayors-for-Peace-Flagge am Rathaus hisst. - Aber wie ist es mit dem Bekenntnis zu einer Mayors-for-Peace-Stadt zu vereinbaren, dass in Kiel U-Boote gebaut werden, die über Abschussvorrichtungen für Atomraketen verfügen.
Hiroshima und Nagasaki stehen für schwerste Kriegsverbrechen!
Die in den USA verbreitete Überzeugung, dass erst durch diese Atombombe Japan zur sofortigen Kapitulation gezwungen worden wäre und dies Hunderttausenden US-Soldaten das Leben gerettet hätte, ist von Historikern widerlegt. Diese Behauptung hat etwas gefährlich Verführerisches: Die Illusion, durch den Einsatz einer einzigen Atombombe könnte ein Krieg sofort beendet werden!
Die 1945 beschlossene Charta der Vereinten Nationen sollte Kriegsverbrechen wie z.B. die Flächenbombardierungen von Städten im II. Weltkrieg für immer verhindern, Gerade erinnert man an die „Aktion Gomorrha“, den Hamburger Feuersturm, vor 80 Jahren.
Doch wie viele schwerste Kriegsverbrechen wurden seither begangen?
Ist die UN-Charta also eine naive Illusion?
Ist internationales Völker- und Menschenrecht ohnmächtig gegen geopolitische Interessen, gegen den Einfluss des mächtigen Militärisch-Industriellen Komplexes?
Sind die UN-Verträge, in denen Waffensysteme und Kriegshandlungen geächtet werden, die nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheiden, unwirksam? Gilt also doch wieder das Recht des Stärkeren statt die Stärke des Rechts? Hat das Verbot von biologischen und chemischen Waffen, von Antipersonenminen, Streubomben und Uranmunition und jüngst der Atomwaffenverbotsvertrag dann überhaupt einen Sinn? Auch wenn diese Verbote immer wieder gebrochen werden - gerade setzt die Ukraine die von den USA gelieferten Streubomben ein wie wohl auch Russland - so bedeuten diese Verbote doch rechtlich und moralisch vor der Weltöffentlichkeit klare Grenzsetzungen.
Der AVV, der seit Januar 2021 Teil des Humanitären Völkerrechts der UNO ist, machte große Hoffnungen. Der AVV (TPNW – Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons) verbietet den Mitgliedsstaaten u.a. den Besitz von Atomwaffen, deren Lagerung sowie den Transport durch ihr Staatsgebiet.
Der AVV ist im Unterschied zum NVV, Ausdruck einer Art weltweiter demokratischer Basisbewegung. Denn der Alarm von Wissenschaftlern, dass das Arsenal der Atommächte in der Lage wäre, die gesamte Menschheit zu vernichten, führte zu einem weltweiten Bündnis von Friedensgruppen und Hibakusha, ICAN, die den AVV in die UN einbrachten. Und es sind vor allem Völker des globalen Südens, die sich durch den AVV aus der nuklearen Geiselhaft der Atommächte befreien wollen.
Die Bundesregierung weigert sich noch immer, dem AVV beizutreten, mit der fragwürdigen Begründung, dass es, solange die Atommächte nicht abrüsteten, man an der „nuklearen Teilhabe“ und der Abschreckungsdoktrin festhalten müsse.
Die Abschreckungsdoktrin braucht zu ihrer Rechtfertigung den absoluten Feind - und Feindbilder der Bedrohung zur Rechtfertigung der Rüstungsspirale..
Die Befürworter der Abschreckungsdoktrin - „wer als erster schießt, stirbt als zweiter“ behaupten, dank der Abschreckungsdoktrin und dem „Gleichgewicht des Schreckens“ wären wir im Kalten Krieg vor einem Atomkrieg bewahrt worden! Dabei wird verschwiegen, dass es mehrfach um Haaresbreite zu einem „Atomkrieg aus Versehen“ gekommen wäre - durch einen Computerfehler oder durch eine Fehlinterpretation von Daten. Gerade in Spannungszeiten, wie aktuell dem Krieg in der Ukraine, während militärischen Großmanövern wie z.B. vor kurzem „Steadfast Noon“, in dem der Einsatz von Atombomben geprobt wird, nimmt wegen immer kürzerer Vorwarnzeiten das Risiko menschlicher Kurzschlussreaktionen massiv zu!
Die nach der Aufkündigung des ABM-Vertrags in Polen und Rumänien stationierten Raketenabwehrsysteme stellen solch ein Risiko für potentielle Fehlinterpretationen im Spannungsfall dar, denn diese offiziell zur Abwehr iranischer Raketen errichteten Abwehrsysteme können rasch zu Abschussrampen für Atomraketen umgerüstet werden, wobei die Atomraketen äußerlich kaum von Abfangraketen zu unterscheiden sind!
Stellen Sie sich vor, Sie müssten in einer russischen Wachmannschaft in einem Atomsilo innerhalb weniger Minuten unter höchster Anspannung eine existentielle Entscheidung von ungeheurer Tragweite treffen, die über Leben und Tod von Millionen Menschen entscheidet! Wenige Minuten, das ist weniger Zeit als meine Rede hier dauert!
In den 80-er Jahren hat die Friedensbewegung verstanden, dass „Raketen Magneten“ sind, dass wegen der kurzen Vorwarnzeiten durch die Aufstellung von Kurz- und Mittelstreckenraketen, Pershing 2 und Cruise missiles, vor allem wir in Deutschland Ziel eines gegnerischen Enthauptungs- oder Vergeltungsschlags wären. Auch damals wurde die Angst vor einem Atomkrieg verleujnet und diejenigen, die davor warnten, wurden diffamiert als 5. Kolonne Moskaus.
Ein Beispiel aus dieser Zeit: Hattenbach, ein Ort nahe der damaligen Zonengrenze und damit an der damaligen Grenze zum Warschauer Pakt, war in einem Planspiel von US-Militärs als „Ground Zero“, also als zentraler Austragungsort eines Atomkriegs auf deutschem Boden vorgesehen. Die Aufführung eines Films der Friedensbewegung, der darüber informierte und warnte, wurde vom Bürgermeister von Hattenbach mit der Begründung verhindert „er sage seinen Schweinen doch auch vorher nicht, wenn er sie zum Schlachthaus bringe!“Was sollen wir heute nicht sehen? Z.B., dass die Millionen teure Anschaffung der neuen F-35 Kampfflugzeuge für die modernisierten B61-12 US-Atombomben in Büchel militärisch überhaupt keinen Sinn ergeben, weil die Reichweite der F-35 Flugzeuge gerade einmal bis Polen geht, falls sie nicht vorher von der russischen Flugabwehr abgeschossen würden. Das würde bedeuten, dass die B 61-12 Atombomben über befreundetem Gebiet abgeworfen würden! Sie könnten dann als taktische Atombomben mit im Vergleich zu den großen strategischen Atombomben „geringerer Sprengkraft“ von „nur“ der einem Drittel bis zur vierfachen Zerstörungskraft,der Hiroshimabombe “im Gefechtsfeld“ eingesetzt werden. - Aber es wird verschwiegen, dass dieses Gefechtsfeld Menschen wären – und zwar in Europa!
Weil der militärische Sinn dieser Atombomben in Deutschland so gering ist, geht es dann vielleicht um einen politischen Sinn? Soll Deutschland durch seine potentielle Opferbereitschaft seine Solidarität zur NATO und zu USA beweisen?
Aber was für einen Sinn hätte ein Krieg, der nur noch die völlige Zerstörung dessen, was er zu verteidigen vorgibt, zur Folge hätte.
Und der das unkalkulierbare Risiko in sich trägt, einen weltweiten Nuklearkrieg auszulösen - mit der Folge radioaktiver Verstrahlung sehr großer Gebiete und eines jahrelangen nuklearen Winters mit Hungersnöten!
Deshalb wäre es so dringend, dass Deutschland endlich dem AVV beitritt und die Atombomben aus Büchel und von deutschem Boden verbannt werden, wie dies übrigens 2010 von einer großen parteiübergreifenden Mehrheit im Bundestag gefordert worden war.
Einen deutschen Beitritt zum AVV fordern auch mehrere Landesregierungen und zahllose Städte, erfreulicherweise auch Kiel sowie zahlreiche Abgeordnete, auch dem Kieler Matthias Stein.
Aber die Bundesregierung hält an ihrer „nuklearen Teilhabe“ fest. -Vielleicht auch aus Prestige?
„Nukleare Teilhabe“ bedeutet jedoch, dass deutsche Piloten die in Büchel in der Eifel gelagerten US-Atombomben im Ernstfall, d.h. auf Befehl des amerikanischen Präsidenten, gegen Russland fliegen müssten! Ab dem Moment, in dem ein deutscher Pilot mit seiner tödlichen Fracht startet, wäre Deutschland faktisch Atommacht. Damit verstößt sowohl Deutschland als auch die USA gegen den Nichtverbreitungsvertrag. Der NPT (Non Proliferating Treaty) verbietet einer Atommacht, Atomwaffen an andere Staaten weiter zu geben, und Staaten, die wie Deutschland keine Atomwaffen besitzen, dürfen keine Atomwaffen annehmen!
In den 80-er Jahren war die Friedensbewegung angesichts der Atomkriegsgefahr sehr stark geworden. Trotz der heute mindestens so großen Atomkriegsgefahr durch eine mögliche Eskalation des Ukrainekriegs werden die Konsequenzen weitgehend verleugnet.
Es ist menschlich, sich etwas Erschreckendes nicht vorstellen zu wollen und die Konsequenzen eines Risikohandelns zu verleugnen - „es wird mich schon nicht treffen!“ - Raucher können ein Lied davon singen. - Aber so wie auf jeder Zigarettenschachtel gewarnt wird „Rauchen kann tödlich sein!, so sollte über dem Kieler Hafen stehen: „Umschlagspunkt für Militärtransporte kann tödlich sein!“ Oder über den Kieler U-Bootwerften und Rüstungsfabriken müsste groß stehen: „ Rüstungsstandorte gefährden Ihre Gesundheit!“ Denn diese wären erste Ziele eines russischen Präventiv- oder Vergeltungsschlags.
Die symbolische Weltuntergangsuhr, die „Doomsday Clock“, wurde Anfang letzten Jahres auf erschreckende 90 Sekunden vor 12 vorgestellt, eine Alarmstufe wie seit der Kubakrise nicht mehr!
Vor wenigen Tagen erschien in über 100 der weltweit führenden medizinischen Fachzeitschriften ein dringender Aufruf an alle Ärztinnen und Ärzte, vor der wachsenden Gefahr eines Atomkrieges zu warnen, da jeder Einsatz von Atomwaffen eine Katastrophe für die Menschheit bedeuten würde.
Warum ist angesichts so drängender Aufgaben die Friedensbewegung seit Jahren wie gelähmt? Oder schlimmer: sie ist gespalten durch unterschiedliche Haltungen zum Ukrainekrieg. Diese Spaltung, die sich vor allem an der Beurteilung der Rolle des Westens und an der Haltung zur Lieferung immer effektiverer tödlicherer Waffen festmacht, geht quer durch die Gesellschaft und lässt sogar langjährige Freundschaften zerbrechen!
Dabei erlebe ich die große Hilfsbereitschaft für die ukrainische Bevölkerung als Ausdruck einer breiten Solidarität für die unter dem Krieg leidenden Menschen und Entsetzen über Krieg. Gleichzeitig erschreckt mich die zunehmende Militarisierung von Sprache und Denken. Verhandlungsforderungen werden als naive Appeasementpolitik diffamiert.
Besonders bestürzt mich die hohe aggressive Emotionalität und Heftigkeit der Auseinandersetzungen.
Das Dilemma, dass es keine einfachen Antworten und Lösungen und widersprüchliche Einschätzungen gibt, diese Spannung wird nicht mehr ausgehalten und kippt in rasche Freund – Feindzuweisungen. Der Debattenraum ist vergiftet und ideologisiert in einem Kampf „Gut gegen Böse“.
Mit der Heroisierung des Kampfes der Menschen in der Ukraine herrscht zunehmend die Stimmung, Russland „ruinieren zu müssen“ damit es an den Verhandlungstisch komme, wie dies von unserer „Werte-geleiteten“ Außenministerin vertreten wird. Aber kann es wirklich unser Interesse sein, die weltgrößte Atommacht zu ruinieren und in ein Chaos zu stürzen?
Die Diskussion über Kriegsursachen ist verengt auf Putins „imperiales Streben“.
Aber jeder Krieg hat eine Vorgeschichte. Hinweise auf das Missachten der von Russland klar definierten Roten Linien, dem NATO-Beitritt der Ukraine, werden als Verrat empfunden im Gefühl „wir sind doch die Guten! Die NATO will Russland doch nicht angreifen!“
Dass der russische Angriff auf die Ukraine eine klare Verletzung des Völkerrechts ist, wird nicht relativiert, wenn selbstkritisch auf völkerrechtswidrige Kriege der USA und der NATO hingewiesen wird. Während das hier aber als „Whataboutism“angeprangert und bagatellisiert wird, kritisieren zahlreiche Staaten vor allem im globalen Süden, dass in Bezug auf Verletzungen des Völkerrechts durch die USA und die NATO mit zweierlei Maß gemessen werde.
Hinter der Verurteilung von „Putin“, der zunehmend unberechenbar erscheint, als „neuem Hitler“ und der allgemeinen Russophobie geht es meiner Meinung nach auch um massive Angstabwehr, die Zuflucht unter dem als stark und schützend erhofften militärischen Schirm der USA und der NATO und der eigenen Aufrüstung suchen lässt.
Für mein Empfinden mischen sich in die aggressiven antirussischen Gefühle alte traumatische Erfahrungen vom Vorrücken der Roten Armee, die tatsächlich Angst und Schrecken verbreitete.
In der Identifikation mit dem Leiden der ukrainischen Bevölkerung werden eigene alte traumatische Erfahrungen aktiviert. Diese deutschen Kriegstraumata lassen vergessen, welche Verheerungen die deutschen Truppen bei ihrem Angriffskrieg im Osten angerichtet hatten: dass Hunderttausende sowjetischer Kriegsgefangener verhungerten und erfroren, dass Zehntausende bei Massenerschießungen getötet wurden, dass Leningrad 1 000 Tage lang belagert wurde und 2 Millionen Menschen in der Stadt verhungerten und erfroren.
Es wird offiziell wenig anerkannt, dass die Sowjetunion mit 20 Millionen Toten mit einem furchtbaren Blutzoll wesentlich zur Befreiung von Nazideutschland beigetragen hat.
Die „Befreiung“ wird in Westdeutschland hauptsächlich den Amerikanern und der mutigen Landung der Alliierten in der Normandie zugeschrieben.
Leider ist es in der alten Bundesrepublik mit der Sowjetunion viel weniger als mit Frankreich gelungen, zu einem Versöhnungsprozess zu finden, die gegenseitig zugefügten Traumata öffentlich anzuerkennen, zu betrauern und dadurch zu ihrer Heilung beizutragen.
Die große Chance auf dauerhaften Frieden in Europa nach dem Ende der Sowjetunion und der friedlichen Auflösung des Warschauer Pakts in den Neunzigerjahren wurde vertan.
Darüber zu trauern und auch und deshalb gerade jetzt nach Lösungen zu suchen wäre konstruktiver als auf dem Schlachtfeld eine Entscheidung erzwingen zu wollen. Denn nach Meinung führender Militärexperten kann dieser Krieg nicht militärisch beendet werden. Aber wie viele Menschen sollen noch sterben, wie viel Zerstörung braucht es noch, um endlich zu deeskalieren und nach Möglichkeiten für Verhandlungen zu suchen?
Wie existentiell wichtig wäre die Beendigung dieses Krieges für uns alle, für die ganze Welt, und vor allem auch fürs Klima!
Die Welt kann sich keine Kriege mehr leisten!
Vielen Dank.
Dr. med. Mechthild Klingenburg-Vogel ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und aktiv bei der IPPNW Regionalgruppe Kiel.