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Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2023 in Stuttgart
- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –
Keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren. Der Mensch jedoch erfand die Atombombe.
Liebe Freundinnen und Freunde,
»Unser Land, unser Meer, unsere Gemeinschaften und unsere Körper tragen dieses Erbe mit sich. Niemand kann sagen für wie viele Generationen.« So heißt es in einem Statement indigener Völker bei den Vereinten Nationen. Sie leiden unter Krebs, chronischen Krankheiten und genetischen Anomalien. Und das aus einem unfassbaren Grund: Ihre Heimat wurde – ohne sie auch nur zu fragen – zum nuklearen Testgelände erklärt.
Atomtestgebiete unbewohnbar
Seit 1945 haben die Atommächte weltweit mehr als 2.000 Atomtests durchgeführt. An rund 60 Orten in 15 Ländern wurden systematisch Atombomben zur Explosion gebracht. Dort lebende Menschen wurden vertrieben und ganze Kulturen zerstört – nur um Massenvernichtungswaffen zu testen! Radioaktive Partikel verbreiteten sich unkontrolliert und vergiften bis heute Boden, Luft, Wasser und Menschen. Von Australien bis Kasachstan und von Französisch-Polynesien
bis nach China bleiben ausgedehnte Gebiete auf unabsehbare Zeit unbewohnbar.
Frauen und Mädchen besonders betroffen
Es sind Orte wie Moruroa, Semipalatinsk und Bikini, die für das Grauen der Atomtests stehen. Betroffen sind zum großen Teil indigene Völker, deren Heimat und Leben als entbehrlich angesehen wurden. Gegen ihren Willen wurden sie als »Versuchsobjekte« missbraucht. Etwa die Menschen der Marshallinseln, wo es nach den US-Atomtests hoch radioaktive Asche schneite. Auf Frauen und Mädchen wirken sich die Folgen der Strahlung besonders stark aus: Rund um die Testgebiete sind erschreckend hohe Raten von Reproduktionsproblemen, Fehlgeburten und Geburtsfehlern zu beobachten.
Widerstand zeigt Wirkung
Doch der jahrzehntelange Widerstand der Betroffenen zeigt Wirkung: 1996 verabschiedete die internationale Gemeinschaft endlich einen Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen. Und obwohl dieser noch immer nicht in Kraft getreten ist, hat er de facto einen Stopp aller Atomtests bewirkt.
Die Folgen der Atomtests jedoch bleiben: Nur wenige Betroffene wurden für ihr unfassbares Leid entschädigt. Bisherige Anstrengungen zur Sanierung ehemaliger Testgelände waren völlig unzureichend. Der UN-Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) erkennt als erster völkerrechtlicher Vertrag diesen Missstand an. Er sieht eine internationale Zusammenarbeit vor, um die Opfer von Atomtests humanitär zu unterstützen und atomwaffenverstrahle Gebiete zu sanieren.
Wir fordern Bundeskanzler Olaf Scholz auf: Sorgen Sie dafür, dass sich Deutschland an dem Fonds zur Unterstützung die Opfer von Atomwaffen und Atomtests beteiligt! Setzen Sie sich für die Sanierung verstrahlter Regionen ein!
Aktuell Atomkriegsgefahr so groß wie seit Kubakrise
Die Überlebenden der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki warnen: Atomwaffen dürfen nie wieder eingesetzt werden. Doch aktuell ist die Gefahr größer als jemals seit der Kubakrise.
Es gibt immer noch ungefähr 16.000 Atomsprengköpfe, genug, um die gesamte Menschheit und die Erde mehrfach zu vernichten. 1.800 Atomwaffen befinden sich weltweit in höchster Einsatzbereitschaft. Sie können die Welt binnen Minuten in ein Armageddon verwandeln. Eine nukleare Eskalation des Ukrainekrieges - sei es durch einen Unfall, eine Fehleinschätzung oder durch militärisches Kalkül - ist ein schreckliches Risiko für die ganze Menschheit.
Nukleare Eskalation verhindern
Die Situation, in der wir uns heute befinden, ist auch die Folge einer gescheiterten Atomwaffenpolitik der vergangenen Jahre!
Dazu gehören die Weigerung aller Atomwaffenstaaten, gemeinsame Abrüstungsschritte anzugehen, die daraus resultierende Schwächung des Nichtverbreitungsvertrages (NVV) sowie die Kündigung zentraler Rüstungskontrollabkommen wie des INF-Vertrages über nukleare Mittelstreckensysteme durch die US-Regierung unter Donald Trump. All das führte dazu, dass das Überleben der Menschheit nun von der "Vernunft" der atomar bewaffneten Regierungen von Washington über Moskau bis Peking abhängt.
Die Politik muss alles daransetzen, eine nukleare Eskalation zu verhindern. Es ist daher unbegreiflich, dass die NATO an der Option eines Ersteinsatz von Atomwaffen festhält. Ebenso inakzeptabel ist es, dass alle Atomwaffenstaaten massiv in ihre Arsenale investieren, anstatt die dringend nötige vollständige nukleare Abrüstung und eine weltweite Ächtung aller Atomwaffen anzugehen.
Auch die nukleare Aufrüstung in Deutschland - durch die Beschaffung von F-35A-Tarnkappenbombern als neue Atombomber für die Bundeswehr und die geplante Stationierung skalierbarer und lenkbarer B61-12-Atombomben in Büchel - ist ein fatales Signal der Eskalation.
Wir fordern alle Atomwaffenstaaten auf, das nukleare Wettrüsten sofort zu beenden!
US-Atomwaffenkommandozentrale in Stuttgart schließen
„Modernisierung“ und „Lebenszeitverlängerung“ sind die verharmlosenden Tarnbegriffe für die neue mörderische Perfektion des Tötens. Diese betrifft auch die in Büchel/Eifel stationierten 15 US-Atomwaffen.
Eine der Kommandozentralen für den Einsatz dieser Atomwaffen in der Eifel ist die US-Kommandozentrale EUCOM hier in Stuttgart.
Wir fordern US-Präsident Biden auf: Schließen Sie die US-Atomwaffenkommandozentrale EUCOM in Stuttgart-Vaihingen und ziehen Sie die US-Atomwaffen aus Büchel ab.
Keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren. Der Mensch jedoch erfand die Atombombe.
Wie es dazu kam, haben Millionen Menschen in den letzten Tagen im Kinofilm „Oppenheimer“ gesehen.
Ersteinsatz von Atomwaffen ausschließen
Die viel wichtigere Frage ist aber: Wie können wir die Menschheit wieder von der ständigen Bedrohung durch Atomwaffen befreien?
Wir erwarten von der deutschen Bundesregierung, dass sie bei der nuklearen Abrüstung vorangeht.
Dazu sollte sie zunächst in der NATO darauf drängen, den Ersteinsatz von Atomwaffen eindeutig auszuschließen. Zudem müssen diplomatische Initiativen für weitere internationale Abrüstungsvereinbarungen angestoßen werden.
Damit einhergehend fordern wir - wie im Friedensgutachten 2022 der führenden deutschen Friedensforschungsinstitute beschrieben - einen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland bis zum Jahr 2030.
Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen
Die nächste Gelegenheit, sich ernsthaft und konstruktiv für nukleare Abrüstung einzusetzen, ist die Staatenkonferenz zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag in New York. Wir fordern, dass die Bundesregierung dort einen Kurswechsel einleitet und den Atomwaffenverbotsvertrag endlich unterzeichnet, der es verbietet, Kernwaffen zu produzieren, zu testen, zu lagern, zu stationieren und mit ihnen zu drohen.
Mit der Japanischen Vereinigung der Überlebenden der Atom- und Wasserstoffbomben appellieren wir an uns selbst und an Euch alle:
“Wir müssen uns beeilen. Wir müssen alle Atomwaffen von unserer Erde hinwegfegen. Lasst uns zusammenarbeiten, damit wir dieses Ziel erreichen:
Nie wieder Hiroshima! Nie wieder Nagasaki!
Vielen Dank.
Paul Russmann ist aktiv im Beirat der ökum. Aktion "Ohne Rüstung Leben".