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Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 2. August 2024 in Bad Kreuznach
- Es gilt das gesprochene Wort –
Liebe Freundinnen und Freunde,
seien wir Sand im Getriebe der Kriegsmaschinerie ! Eine Warnung des großen Dichters Bertold Brecht angesichts der Remilitarisierung der jungen Bundesrepublik im September 1951 vor einem Dritten Weltkrieg schloss er mit den Worten
Das große Karthago führte drei Kriege.
Es war noch mächtig nach dem ersten,
noch bewohnbar nach dem zweiten.
Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.
Der erste von deutschensprachigen ausgehende vierjährige Mehrfrontenkrieg begann mit einer Provokation Russlands. Er kostete 17 Millionen Menschen das Leben.
Auch den zweiten 6jährigen Krieg nur gut 20 Jahre später begannen Deutsche durch einen Vorstoß nach Osteuropa (seit 5:45 wird zurückgeschossen). Ihn bezahlten 70 Millionen Menschen mit ihrem meist jungen Leben.
Wie viele Tote, wie viele verletzte Frauen und Kinder, wie viele Obdach- und Heimatlose, wieviele durch Streumunition unzugänglich gemachte Äcker und Dörfer kostet der von uns befeuerte aktuelle osteuropäische Krieg das ukrainische Volk? Wieviele Soldaten beidseits der Front, sind in den fast zweieinhalb Jahren in denen das wie selbstverständlich hingenommen wird gefallen oder liegen verstümmelt und entstellt in den Lazaretten? Wir liefern die Waffen, die Ukraine die Menschenleben.
Was kostet dieser Krieg uns?
58 Milliarden? 100 Milliarden?
Man kann die Mark nur einmal ausgeben:
Diese Beträge belasten den Staatshaushalt zukünftiger Generationen.
Sie fehlen fühlbar schon jetzt
- Bei Zahlungen an junge Eltern, Alleinerziehende,
- An armutsgefährdete Rentner,
- An Kindergärten, Schulen Universitäten,
- Für die öffentliche Infrastruktur
- und in der Gesundheitsfürsorge.
Die Armut in Deutschland wächst nicht nur dadurch, ebenso durch die Folgen der Wirtschaftssanktionen: ein Sterben kleiner und mittelständischer Betriebe, Attraktivere größere Familienunternehmen werden von globalen Investoren aufgekauft, Die Inflation wird nicht ausgeglichen.
Die Rüstungsindustrie expandiert, sie schluckt Fachkräfte und Kapital.
Neben wirtschaftlichem bringt der Krieg kollektiven geistigen Schaden. Er ist schon längst in unsere Köpfe eingezogen:
Unser Hirn schrumpft, die graue Hirnrinde unseres analytischen Denkens verkümmert und unser Reptilienhirn übernimmt die Führung.
Da sind komplexe Sachverhalte auf einmal in einfacher Sprache kurz und fix auf X darstellbar:
Ö,ö, Du mir kleines Aua gemacht?
ich Dir großes Aua machen,
Du mir großes Aua gemacht, ich Dich tothauen,
Du mich tothauen? Ich Deine Freunde tothauen.
Du meine Freunde tothauen? Ich die ganze Welt platt machen!
Kurz gesagt die simple Logik des Krieges.
Wir tauschen zunehmend :
Schlagabtausch gegen Gesprächsrunden,
differenzierte Abwägung gegen Schwarzweißdenken,
Panoramablick gegen Scheuklappen,
Toleranz gegen Feindschemata und Gewalt,
Vertrauen gegen Unterstellungen,
Wahrheitssuche gegen einseitiges Ausblenden,
Vorbehaltlosigkeit gegen Vorverurteilungen,
Geduld gegen unbedachten Aktionismus,
aktive Zukunftsgestaltung gegen kurzsichtiges, nur reaktives Handeln,
gesellschaftliches Mitgestalten gegen
Resignation,
Zuhören auf Augenhöhe gegen Überheblichkeit und Selbstüberschätzung
Klimaschutz gegen totbringende Zerstörung,
Offenheit und Wertschätzung gegen Angst vor Andersartigkeit und Vernichtungswünsche.
Kurz gesagt: dieselben Mechanismen der Kriegspropaganda wie die vor den zwei Malen zuvor.
Der gefährlichste Aspekt dieser rasanten Entwicklung aber ist, gerade für uns Ärzte - und ich spreche hier zu Ihnen als Mitglied der IPPNW, der Internationalen Ärztevereinigung gegen nukleare Aufrüstung :
der Verlust unserer der äußeren Sicherheit, ist die ganz konkrete täglich zunehmende Bedrohung unseres eigenen Leib und Lebens:
Denn gerade unsere Region macht sich zunehmend, mit jedem provokanten Waffenrasseln, mit jeder neuen Umdrehung der Rüstungsspirale mehr, zur Zielscheibe eines russischen atomaren Vergeltungsschlages: Eine nuklear bestückte Hyperschallrakete braucht von russischem Boden bis nach Rheinland Pfalz 240 sec.
Militärische Abwehr dagegen ist in dieser Zeiteinheit nicht möglich. Für einen Gegenschlag unsererseits bleibt keine Zeit.
Ich stehe hier, weil ich erkannt habe, dass unsere wachsende Kriegstüchtigkeit im Moment unsere bedrohlichste Erkrankung ist. Für den Gesamtorganismus Bundesrepublik genauso wie für jeden einzelnen meiner Patienten. Und da liegt meine Fürsorgepflicht. Muss ich diese Kriegsseuche nicht sofort dem Gesundheitsamt melden? Müssen nicht alle Maßnahmen zu ihrer Eindämmung unternommen werden (Isolation der ansteckenden Individuen, wie Frau Strack-Zimmermann, Herrn Pistorius)? Was denken Sie, wie hoch ist unter diesen Umständen Ihre persönliche Lebenserwartung?
Monate? Vielleicht Wochen?
Wie hoch ist die Ihrer Kinder: Jahre ??
Klar ist:
Ihr reales Risiko qualvoll an einer nuklearen Katastrophe zu verenden steigt im Moment von Tag zu Tag.
Jeder Schritt der Politik bedroht Ihre persönliche gesundheitliche Unversehrtheit durch eine tödliche Krankheit, bei der es keine Hilfe gibt, kein Heilmittel, nichts.
In dieser Qual werden Sie, wird Ihre Familie vergeblich um Hilfe schreien. Die Krankenhäuser sind zu Staub zerfallen. Es gibt weder Elektrizität noch fließend Wasser. Marodierende Banden durchziehen gewalttätig die Straßen. Angesichts der Unentrinnbarkeit kollektiven Sterbens verliert der Mensch alle Hemmungen. Für diese Krankheit, für die nukleare Verseuchung gibt es keine Heilung. Da werden die Lebenden die Toten beneiden…
Man kann dem Unverstellbaren jedoch vorbeugen. Erfolgreich und sicher. So sicher, wie keine Impfung je sein könnte.
Die Prävention vor unserem Atomtod heißt:
Auf den Feind zugehen. Ihm die Hand reichen, seine Sichtweise verstehen und - verhandeln.
Verhandeln und verhandeln. In aller Geduld.
Mit Helmut Schmidt gesprochen: lieber 100 Std umsonst verhandeln als eine Minute schießen.
Und das. nicht irgendwann, sondern jetzt.
Die Uhr tickt. In Kürze, niemand sagt uns wann, wird es zu spät sein, werden die Bomben fallen. Schutz wird es keinen geben. Nirgends.
- - die neuen Beschlüsse der Regierung, Wiesbaden zum strategischen Zentrum des Ukrainekrieges zu machen,
- -die Ankündigung ab 2026 amerikanische Langstrecken- und später auch Hyperschallraketen auf deutschem Boden zu stationieren,
- - die Verschärfung der Bedrohung durch die nuklear zu bestückenden Raketen in Büchel,
- - die auf Jahrzehnte angelegten gigantischen Bautätigkeiten in Ramstein,
- - die Stationierung deutscher Soldaten im Baltikum,
- - die NATO Übungen an ihrer Ostgrenze,
- - die Bombardierung des russischen Atomraketenabwehr-Frühwarnsystem durch die Ukraine:
Kontinuierliche Schritte in Richtung Abgrund und die breite Mehrheit geht mit, schweigend.
So sind wir also hier recht wenige. Und deshalb danke ich Ihnen ganz persönlich, dass Sie sich Zeit genommen haben heute nachmittag hier zusammen zu stehen! Respekt! Doch wo sind die anderen Anhänger der Friedenstüchtigkeit? Das Virus der Spaltung, des Freund-, Feinddenkens macht auch vor der Friedensbewegung nicht Halt.
Muss ich denn wirklich in allen Punkten der Lebensbetrachtung mit dem, der neben mir Mahnwache vor Büchel hält einverstanden sein? Muss ich deren Weltanschauung insgesamt teilen?
Oh, da drüben läuft ein Kind bei Rot auf die Straße!
Ein Auto rast herbei!
Ein Unbekannter fasst sich ebenso wie ich ein Herz und wir retten das Kleine mit einem Sprung!
Soll ich den Fremden in diesen angstvollen Sekunden vorher auf seine politische Haltung überprüfen?
Mir sein Parteibuch zeigen lassen um mich vor Kontaktschuld und Strafverfolgung zu schützen?
Soll ich die Schuld der unterlassenen Hilfeleistung auf mich nehmen für das Kind, das durch die Verzögerung bei dem Unfall zu Tode kam?
Soll ich als Ärztin die gefährlichste Krankheit bei meinem Patienten übersehen, weil unter anderem Menschen vor ihr gewarnt haben, die ich persönlich nicht wählen würde?
Wird die Wahrheit aus dem Munde unberufener zur Unwahrheit?
Soll ich meine Chance, den Frieden in Europa ein ganz kleines bißchen zu retten ungenutzt verstreichen lassen, aus Angst vor schlechter Gesellschaft?
Was haltet Ihr davon, wenn wir uns hier im Widerstand gegen die militärisch genutzte Kernspaltung, und genauso gegen den ideologischen Keil der zwischen uns getrieben wird, einfach einander die Hand reichen und gemeinsam einen allen bekannten Kanon singen, dessen Text ich ein wenig aktualisiert habe. Wer das nicht mag singt ein anderes Lied, schweigt oder brummt dazu, das ändert nichts daran:
Wir sind stark und entschlossen - und wir sind sehr verschieden!
Danke!
Dr. Eva Borsche ist aktbv bei der IPPNW.