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Zum INF-Vertrag

Die Präsidenten der USA und Russlands, Donald Trump und Wladimir Putin, kündigten zum 2. August den INF-Vertrag. Dieser Vertrag hatte in den 1980er Jahren dafür gesorgt, dass die USA und die Sowjetunion binnen weniger Jahre auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs fast 2.700 Mittelstreckensysteme zerstörten. Bei uns im Westen verschwanden die Pershing-II und die Marschflugkörper, im Osten die SS-20-Raketen. Beide Seiten vereinbarten in dem Vertrag, komplett auf ballistische Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometer zu verzichten, die auf Land stationiert sind, egal ob sie einen nuklearen oder einen konventionellen Sprengkopf tragen. Der Vertrag schaffte für diese beiden Länder eine komplette Waffenkategorie ab. Und wir in Europa, egal ob in Ost oder West, wurden die Angst los, uns im Kriegsfall mitten in einem nuklearen Schlachtfeld zu befinden. Unsere Erleichterung war damals groß!

Die USA begründeten die Vertragskündigung damit, Russland habe vertragswidrig einen neu entwickelten Marschflugkörper getestet und stationiert, der in die verbotene Kategorie falle. Das ist nicht bewiesen, weil die Kommission zur Lösung von Streitfragen, die im Vertrag vorgesehen ist, nie einberufen wurde. Auch das russische Angebot, die fraglichen Marschflugkörper zu inspizieren, lehnte die US-Regierung ab. Russland seinerseits wirft den USA vor, die Abschussvorrichtungen für Raketenabwehr in Rumänien und demnächst in Polen verstießen gegen den INF-Vertrag. Die gleiche Startvorrichtung werde auf US-Schiffen zum Abschuss von Tomahawk-Marschflugkörpern verwendet. (Schiffsbasierte Mittelstreckensysteme fallen nämlich nicht unter den INF-Vertrag.) Auch für diesen Streitfall gab es keine Konsultationen, und es wurden keine Inspektionen durchgeführt.

Die NATO heizt die Atmosphäre in dieser unseligen Situation zusätzlich an. NATO-Generalsekretär Stoltenberg legte sich schon im Spätherbst darauf fest, Russland habe den Vertrag verletzt, daran gebe es keinen Zweifel. Und unsere Bundesregierung? Die stellt sich ohne Einschränkung hinter diesen unbewiesenen Vorwurf. Erste Verteidigungsexperten und Politiker*innen schlagen sogar schon vor, künftige Mittelstreckenraketen der USA doch in Deutschland aufzustellen, weil eine Stationierung in den östlichen Ländern der NATO dann doch eine zu große Provokation für Russland sei.

Was hier passiert ist deshalb so fatal, weil es uns zeigt, wie verächtlich inzwischen mit Völkerrecht und Abrüstungsverträgen umgegangen wird. Tatsache ist doch, dass sowohl die USA als auch Russland den INF-Vertrag schon lange als lästig empfanden. Vor mehr als zwölf Jahren, im Februar 2007, beklagte sich Wladimir Putin bei der Münchner Sicherheitskonferenz, dass Russland keine von Mittelstreckenraketen haben dürfe, während die Länder in Russlands südlicher Nachbarschaft nicht an das Verbot gebunden seien. Die USA stießen wenige Monate später, im Oktober 2007, bei der Generalsversammlung der Vereinten Nationen mit Russland ins selbe Horn. In einem gemeinsamen Statement erklärten sie den INF-Vertrag für unausgewogen. Aus ihrer Sicht stimmt das ja auch. Länder wie Israel, Iran, Pakistan, Indien, China und inzwischen auch Nordkorea verfügen über Mittelstreckenraketen, sind aber nicht Vertragspartner. Ernsthafte Versuche, das Problem in multilateralen Gesprächen anzugehen, gab es allerdings nie, stattdessen wurde der Vertrag jetzt einfach gekündigt.

Damit wird für Russland und die USA der Weg frei, Mittelstreckensysteme aufzustellen, wenn sie das wollen. Es gibt aber einen Unterschied: Russland wird Raketen im eigenen Land stationieren, schließlich liegen Europa, der Nahe Osten und Asien direkt in der Nachbarschaft. Die USA hingegen könnten von ihrem Kernland aus höchstens Mexiko und Kanada erreichen, das macht ja keinen Sinn. Also wird die Stationierung andernorts erfolgen, in Alaska, auf dem Territorium von NATO-Ländern in Europa oder in befreundeten Pazifikstaaten, von denen aus China, Nordkorea oder Russland erreichbar sind.

Soll damit etwa die Sicherheit wachsen, hier in Europa oder im Fernen Osten? Wohl kaum! Sicherheit wird nicht mit neuer Rüstung geschaffen, sondern mit dem Gegenteil, also mit Abrüstung!

Wenn es den USA, Russland und anderen Atomwaffenstaaten ernst wäre mit ihrem Anspruch, ihre Länder und die Welt sicherer zu machen, dann würden sie endlich über Abrüstung reden – über echte Abrüstung! 122 Staaten haben im Juli 2017 vorgemacht, wie das geht. Sie haben den »Vertrag über das Verbot von Kernwaffen« vereinbart. Mittlerweile haben 70 Staaten den Vertrag unterzeichnet – die USA, Russland, China oder die NATO-Staaten gehören nicht dazu. Auch die Bundesregierung lehnt den Vertrag ab. An das Völkerrecht sind aber alle Staaten gebunden, im Nichtverbreitungsvertrag haben sie sich verpflichtet, über die vollständige Abschaffung von Atomwaffen zu verhandeln. Auch Nichtatomwaffenstaaten müssen ihren Teil dazu beitragen!

Was aber tun sie in Wirklichkeit? Bei einem wichtigen Treffen des UN-Sicherheitsrates Anfang April, bei dem Atomwaffen auf der Tagesordnung standen, stellte Außenminister Maas eine ganze Reihe Forderungen – Forderungen an andere Staaten. Er hat aber keine einzige Maßnahme angeboten, die er selbst oder die Bundesregierung ergreifen will, um den INF-Vertrag zu retten und die nukleare Abrüstung zu befördern.

Also, wenn Herr Maas keine rechte Idee hat, wie Deutschland mit dem Thema umgehen soll, dann haben wir einige Vorschläge für ihn:

  • Deutschland muss die USA zum Abzug der Atomwaffen aus Büchel auffordern!
  • Deutschland darf auf keinen Fall einen neuen Atombomber anschaffen!
  • Deutschland darf nicht zulassen, dass neue Atomwaffen nach Büchel oder einem anderen Stationierungsort kommen!
  • Deutschland muss unmissverständlich klar machen, dass es keiner Stationierung neuer Raketen in Europa zustimmen wird!
  • Deutschland muss seine Haltung zum Atomwaffenverbot überdenken und dem Vertrag beitreten, möglichst rasch!

Unsere Botschaft an die Bundesregierung ist knapp und einfach zu verstehen:
Abrüstung schafft Sicherheit! Machen wir uns also auf den Weg – fangen wir bei uns an mit der Abschaffung der Atomwaffen!

 

Zu den Rüstungsausgaben

Die Regierung Trump hat jegliche Hemmungen verloren. Der Entwurf für den US-Verteidigungshaushalt 2020 beläuft sich auf 718 Mrd. US$ ‑ das sind 33 Mrd. US$ mehr als im laufenden Jahr. Anders ausgedrückt: Donald Trump fordert eine Erhöhung des Militärhaushalts, die der Hälfte des gesamten offiziellen Rüstungsetats von Russland entspricht. 718 Mrd. US$ für das Militär! Das bedeutet, dass Geld an anderer Stelle weggenommen wird, und so sieht der Haushaltsentwurf 2020 der US-Regierung das auch vor:

  • Minus 23% für das State Department, das entspricht unserem Außenministerium. Damit wird der Teil der Regierung weiter ausgehöhlt, der für Diplomatie, für die Vereinten Nationen, für die Vermeidung kriegerischer Auseinandersetzungen und auch für Abrüstungsverhandlungen zuständig ist.
  • Minus 12 Prozent für Bildung und damit für Investitionen in die junge Generation des Landes.
  • Minus 16 Prozent für Wohnungswesen und Stadtentwicklung, also für ein lebenswertes Wohnumfeld und die bezahlbare und menschenwürdige Unterbringung der Menschen, die nicht in Reichtum schwimmen.
  • Und der Knaller: minus 31 Prozent für den Umweltschutz. Genau, ein Drittel weniger Geld für Umweltschutz in den USA, und das mitten im Klimawandel.

In den 718 Mrd. US$ des Rüstungshaushaltes von Trump sind 14 Mrd. für neue Langstreckenbomber, U-Boote und ähnliches enthalten. Die Gelder für die eigentlichen Atomwaffen, für die Bomben und Atomsprengköpfe, die kommen aber aus einem anderen Etat. Für diesen Posten ist die NNSA zuständig, die »Nationale Verwaltung für nukleare Sicherheit« (National Nuclear Security Administration), eine Abteilung des Energieministeriums. Für die NNSA fordert Trump im neuen Haushaltsplan 16,5 Mrd. US$ ‑ das ist eine Steigerung um acht Prozent. Insgesamt will Trump für den Atomwaffenkomplex also 30 Milliarden ausgeben. 30 Milliarden für Atomwaffen – einfach unvorstellbar!

Ich denke, wir Deutschen könnten ihm prima helfen, bei diesem Posten Geld zu sparen: Abzug der Atomwaffen aus Büchel, schon spart Trump eine Menge Geld. Wenn wir ihm verbieten, in Deutschland neue Raketen zu stationieren, dann braucht er diese auch nicht zu produzieren und spart noch mehr ein. Deutschland könnte – und sollte! – sich überhaupt entschließen, aus der nuklearen Mittäterschaft in der NATO auszusteigen. Dann spart Trump gleich nochmals einige Milliarden mehr und braucht die nicht seinen Ministerien für Bildung und Umweltschutz wegnehmen.

 

zusammengestellt von Regina Hagen, aktiv in der Kampagne »Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt«

Stand: 10.04.2019