Redebeitrag für den Ostermarsch Sachsen-Anhalt in Colbitz am 22. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Ostermarschteilnehmer

Das erste was ich heute Morgen gelesen habe, war die Losung für diesen Tag aus dem Buch des Propheten Jesaja im 2. Kapitel: Zur letzten Zeit wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen. Ein schönes Wort an diesem Tag, 2.600 Jahre alt.

Wir haben dieses Jahr ein Jahr der Erinnerungen:

Fast auf den Tag genau vor 50 Jahren kam ein Lied von Udo Jürgens auf dem Markt, welches kaum einer kennt. Ich glaube, so hieß das Lied und hat eine Vision aufgezeigt, die heute so aktuell ist wie damals.

(Lied einspielen)

"Ich glaube" - Songtext

Ich glaube (Text & Musik: Udo Jürgens)
Ich glaube - dass der Acker, den wir pflügen,
nur eine kleine Weile uns gehört.
ich glaube - nicht mehr an die alten Lügen,
er wär auch nur ein Menschenleben wert...
Ich glaube - dass den Hungernden zu Speisen,
Ihm besser dient als noch so kluger Rat...
Ich glaube - Mensch sein und es auch beweisen
das ist viel nützlicher als jede Heldentat...
Refr.
Ich glaube - diese Welt müsste groß genug
weit genug, reich genug für uns alle sein
Ich glaube - dieses Leben ist schön genug,
bunt genug, Grund genug sich daran zu erfreuen..
.

Ich glaube - dass man die erst man fragen müsste,
mit deren Blut und Geld man Kriege führt.
Ich glaube - dass man nichts vom Krieg mehr wüsste,
wenn wer ihn will auch am meisten spürt...
Ich glaube - dass die Haut und Ihre Farbe,
den Wert nicht eines Menschen je bestimmt.
Ich glaube - niemand brauchte mehr zu darben,
wenn auch der geben wird, der heut nur nimmt!
Refr.
Ich glaube - diese Welt müsste groß genug
weit genug, reich genug für uns alle sein
Ich glaube - dieses Leben ist schön genug,
bunt genug, Grund genug sich daran zu erfreuen...

Es kann heute keiner sagen, es ist nicht darauf hingewiesen worden, was für diese Welt wichtig und notwendig wäre. Ende der 60 ziger Jahre, also vor 50 Jahren gab es viele politische Umbrüche, die Hoffnung auf Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit machten. Viele dieser Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Auch wenn eine ganze Reihe von Staaten ihre koloniale Unabhängigkeit bekam, wurde die Welt nicht friedlicher, weil verschiedene Interessen politischer Machtblöcke sich nicht um das scherten, was die Menschen in ihren Ländern wollten. Diktatorisch wurden Menschenrechte mit Füssen getreten.

Ziemlich genau vor 30 Jahren im April 1989, saß ich mit drei Colbitzer Einwohnern bei uns im Pfarrhaus zusammen und wir fragten uns, was jetzt zu tun ist. Irgendwie hatten wir das Gefühl etwas tun zu müssen, bei allem Risiko, welches damals damit verbunden war. Zu diesem Zeitpunkt war Michael Gorbatschow schon fast vier Jahre in der Sowjetunion an der Regierung und wir hörten etwas von Perestroika und Glasnost.

Im Frühjahr 1989 platzte dann die Ankündigung von Gorbatschow in unsere Überlegungen, die sowjetischen Truppen in der DDR zu reduzieren. Von einem vollständigen Rückzug war damals noch nicht die Rede. Das machte uns aber Mut einen Brief an Erich Honecker zu schreiben. Drei Monate feilten wir an den Formulierungen, bis wir ihn dann im August 1989 abgeschickt haben. Wir haben Honecker gebeten sich dafür einzusetzen, dass bei dem Abzug der Sowjettruppen, die Colbitz-Letzlinger Heide vordringlichst bei den Truppenreduzierungen berücksichtigt werden sollte. Wir haben auf diesen Brief nie eine Antwort erhalten, aber die „Colbitzer Bürgerinitiative“ zur zivilen Nutzung der Heide war gegründet. Und bald wurde das Ende der DDR eingeläutet. Ich erinnere mich, dass wir ein Jahr später, 1990 einmütige Resolutionen vom Landtag, 5 Kreistagen und 102 Gemeindevertretungen hatten, die sich für eine ausschließlich zivile Nutzung ausgesprochen haben. 1992 haben wir mehr als 70.000 Unterschriften und 3.000 Kinderzeichnungen an die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth im Bundestag in Bonn übergeben.

Es dauerte nicht lange, schon 1992 bröckelte die Fraktion derer, die die zivile Nutzung favorisierten. Zuerst waren es einige Gemeindeparlamente, die mit Arbeitsplätzen geködert wurden, dann wurde der Fraktionszwang in Land- und Kreistagen stärker, so dass die große Einmütigkeit zerbrach.

Das einzige was wir erreicht hatten, war, dass bei der Abstimmung 1992 zum Truppenübungsplatzkonzept in Deutschland, über den Truppenübungsplatz Altmark im Bundestag eine separate Abstimmung durchgeführt wurde. Die hat aber für eine Herausnahme aus dem Truppenübungsplatzkonzept keine Mehrheit gefunden hat.

Auch als es später eine Regierung von SPD und Grünen/B90 gab, ist dieses leider nicht korrigiert worden, obwohl einige von denen, die vorher hier mit demonstriert haben, nun Regierungsverantwortung wahrgenommen haben.

Mit dem Heidekompromiss, denn der damalige Ministerpräsident Reinhard Höppner vor der Veröffentlichung einem Vertreter der Offenen Heide und mir in einem persönlichen Gespräch erklärte, war die weitere Nutzung durch die Bundeswehr besiegelt. Das hat zu viel Resignation geführt. Im August 1994 übernahm die Bundeswehr den Truppenübungsplatz. Schon vorher hat die „Offene Heide“ das Grundanliegen der „Colbitzer Bürgerinitiative“ übernommen und weitergeführt.

30 Jahre nach den ersten Überlegungen für eine zivile Nutzung dieses Areal sind wir kaum einen Schritt weiter. Die Bundeswehr und andere NATO Truppen üben in der Heide, nicht nur zur Vereidigung des eigenen Landes, sondern auch Einsätze ausserhalb Deutschlands, wobei man schon genau unterscheiden muss, welchem Zweck der Einsatz dient. Solange es Diktatoren gibt, die das eigene Volk unterdrücken, sind UN Einsätze notwendig, um Menschen zu schützen und Teile eines Landes zu befrieden.

Vielleicht ist Ihnen der Text von Udo Jürgens noch in Erinnerung: Ich glaube, diese Welt müsste groß genug, weit genug, reich genug, für uns alle sein. Dieses Leben ist schön genug, bunt genug, Grund genug, sich daran zu erfreun.

Als Pfarrer habe ich immer auch die biblischen Worte im Hinterkopf, die uns im Alten und neuen Testament überliefert sind. Stichworte wie Schwerter zu Flugscharen, nimm dich des Fremdlings an, übe Nächstenliebe, sei friedfertig, teile mit denen die hungern, sei gerecht gegenüber jedermann, bebaue und bewahre die Erde. Diese Worte der Bibel sagen nichts anderes aus. Wir können sie zusammenfassen in dem was wir im Konzilen Prozess 1988 gestartet haben: Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung. Mehr Worte brauchen wir nicht. Lasst uns dieses weiter vorantreiben und denen die die politische Mehrheit haben, dieses immer wieder aufs Neue ins Gewissen reden. Wir wollen nicht aufhören uns dafür zu engagieren, damit die Welt friedlicher, gerechter und lebensfreundlicher wird. Jeder mit den Möglichkeiten, die er dafür für sinnvoll hält. Wir wollen unsere Gebete in der Kirche und auch außerhalb dafür nicht verstummen lassen. Gemeinsam können wir diese Vision einer gerechten und friedlichen Welt schaffen. Diese Hoffnung lasse ich mir nicht nehmen. So wie es die heutige Losung benennt: Zur letzten Zeit wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen.

Auch wenn dies für manche keine klassische Andacht war, möchte ich bewusst mit den Worten schließen: Amen. Das heißt „So sei es oder Das werde war“.

Ich danke Ihnen.

 

Pfarrer Dieter Kerntopf ist Gemeindepfarrer der Ev. Kirchengemeinde Colbitz.