Redebeitrag für den Ostermarsch Gronau am 2. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wo wir hier stehen, muss ich wohl kaum erklären – vor Urenco, Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage, vom sogen.Atomausstieg bislang beharrlich ausgenommen! Dabei wäre es so wichtig, endlich diese Lücke zu schließen!
Denn: Urananreichung – das wissen wir spätestens seit dem Gezerre um die Urananreicherungsanlage im Iran – dient, wenn politisch gewollt – auch zur Herstellung waffenfähigen Urans und damit von Atomwaffen, Atomsprengköpfen, Atombomben.
 

Urananreichung ist ein wichtiges Glied der Uran-Kette, an deren Anfang der Abbau dieses Elements steht, fernab unserer Länder, wo ganze Landstriche radioaktiv verseucht werden, riesige Abraumhalden radioaktiv strahlenden Gerölls bleiben, Wasser und Böden verseucht sind – mit fatalen Folgen für die Gesundheit der Menschen, die dort leben (müssen). Am anderen Ende dieser Kette: die Atomwaffen!

Mit Schrecken erleben wir, wie zunehmend behauptet wird, Kernenergie helfe, dem Klimawandel entgegenzutreten und sei CO2-neutral. Erst vor wenigen Tagen hat Frankreichs Präsident Macron eine diesbezügliche Initiative gestartet. Und selbst unter jungen Leuten – FFF zum Trotz - verfängt dieses Argument!
Dem gegenüber gilt es unbedingt festzuhalten: nein, das stimmt so nicht und ist Augenwischerei – im Gegenteil: Atomenenergie birgt immer auch die Gefahr eines Atomkriegs – DAS ist die Wahr-heit!! Und gerade Staaten, die ein militärisches Atomprogramm haben oder es anstreben, investieren besonders stark in Kernenergie!

Auch URENCO und das ETC Jülich wollen in den USA, aber auch in Großbritannien, Kanada und den Niederlanden in immer neue Atomprojekte einsteigen. Es geht dabei um neue militärisch nutzbare Reaktortypen sowie höher angereichertes Uran 235.....

Nicht nur die USA „modernisieren“ ihr nukleares Waffenarsenal, machen es „smarter“, leichter zu handhaben, in der Hoffnung auf weniger „Kollateralschäden“, was politisch-strategisch die Gefahr des Einsatzes erhöht – auch Premierminister Johnson kündigte vor nur 2 Wochen an, Großbritannien werde in den nächsten Jahren seine Atomsprengköpfe von 180 auf 260 erhöhen – eine Erhöh-ung um mehr als 40%. Da scheint sich leider der schon lange gehegte Verdacht zu bestätigen, der Bau der Ausbau des AKW Hinkley Point diene in Wirklichkeit vor allem der Herstellung waffenfähigen Materials und nicht primär der Stromerzeugung für die britische Bevölkerung.

Die neue Militärdoktrin der USA beinhaltet ausdrücklich die Möglichkeit begrenzter nuklearer Angriffe - als vorbeugend gerechtfertigt – atomare Erstschläge, wohlgemerkt -, wenn die Infra-struktur eines alliierten Landes empfindlich bedroht oder angegriffen würde! Zusammen mit der Entwicklung immer zielgenauerer Waffen und sogenannter Mini-Nukes stellt dies ein enorme Gefahr dar – auch für einen sogen. “Atomkrieg aus Versehen“, durch technologischen Fortschritt bedingte immer kürzere Vorwarnzeiten und die immer geringere Möglichkeit, bei einem Fehlalarm steuernd einzugreifen. Davor warnen Experten aus der IT und KI, aber noch hört niemand auf sie.....
Auch in Büchel, bei uns in der Eifel, wo die ca.20 letzten US-Atombomben lagern, ist eine Modernisierung geplant – statt diese Waffen endlich abzuziehen. 2010 gab es bereits einen Beschluss der Mehrheit der damaligen Bundestagsabgeordneten, diese Bomben abzuziehen – zu seiner Umsetzung kam es bis heute, 11 Jahre danach,nicht !! Obwohl sich die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung in repäsentativen Umfragen immer wieder dafür ausspricht, die atomare Teil-habe zu beenden!

 

Soldaten der Luftwaffe üben in Büchel tagtäglich einen völkerrechtswidrigen Akt, indem sie üben, die dort gelagerten Atombomben in ihr Ziel zu bringen und dort abzuwerfen, bzw.sie in Zukunft zielgenau abzufeuern.

Mit der Lagerung von Atomwaffen auf deutschem Gebiet, mit der Beteiligung an der atomaren Planung innerhalb der NATO also der sogen.Nuklearen Teilhabe, mit der Vorbereitung auf die Stationierung neuer zielgenauerer Atomwaffen, mit jeder Übung deutscher Bundeswehrpiloten, Atomwaffen in ihr Ziel zu fliegen und abzuwerfen, verstößt Deutschland gegen den Nichtverbreitungsvertrag von 1970, gegen den dieses Jahr in Kraft getretenen UN-Atomwaffenverbotsvertrag, sowie gegen den 2+4-Vertrag – und nichts dagegen geschieht!

Der 2+4-Vertrag wurde anläßlich der Wiedervereinigung Deutschlands geschlossen, in dem sich Deutschland verpflichtet, keine biologischen, keine chemischen sowie keine atomaren Waffen zu haben.

Mich bedrückt und bestürzt dieser letzte Umstand besonders, denn er berührt uns als Deutsche direkt und ausschließlich – wir brechen ein Versprechen, eine Zusage, die wir Gorbatschov gegen-über gegeben haben und die eine wesentliche Grundlage dafür war, dass er der Wiedervereinigung Deutschlands zustimmen konnte, indem er den Mut hatte, in unsere Fairness zu vertrauen wie auch in die damals starken Kräfte der Friedensbewegung in Westdeutschland – dieses uns gegebene Vertrauen verletzen wir tagtäglich und das beschämt mich und macht mich fassungslos!

Die deutsche Bundesregierung schweigt zu all diesen Tatsachen beharrlich und bestreitet den Bruch des Völkerrechts, der täglich in Büchel mit den Übungen deutscher Bundeswehrpiloten begangen wird.

Es ist kein Trost, dass auch die Atommächte ihrer im Nichtsverbreitungsvertrag festgelegten Verpflichtung nicht nachkommen. Die Mehrzahl der Staaten dieser Welt hat dem Verzicht auf eigene Atomwaffen nur deshalb zugestimmt, weil sich die Atommächte im Vertrag ausdrücklich zu „ernst-haften Verhandlungen mit dem Ziel der Abschaffung der Atomwaffen“ verpflichtet haben. Heute besitzen die damaligen Atommächte ein Vielfaches an Atomwaffenpotenzial als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens. Und, wie wir sehen, sie rüsten auf.....

Es ist ein Skandal, dass sich praktisch niemand an diesen Vertrag hält!!

Auch die Proteste gegen unsere Nukleare Teilhabe hier im Land bewirken im Grunde nichts. Selbst ziviler Ungehorsam, den einige verüben, indem sie aus Protest und in der Hoffnung, damit mehr Öffentlichkeit herzustellen, widerrechtlich das Fliegerhorstgelände betreten, endet nur immer wie-der mit der Verurteilung wegen Hausfriedensbruch – führt aber nicht zur weitergehenden juristischen und politischen Klärung der völkerrechtswidrigen Haltung Deutschlands.

Regelhaft wird darauf verwiesen, die Frage müsse politisch geklärt werden und Ziviler Ungehorsam sei dazu nicht das geeignete Mittel. Die Richter*innen haben recht – es MUSS politisch geklärt werden! Deshalb rufe ich Euch alle auf, den Politiker*innen, die für die Bundestagswahl im September kandidieren, mitzuteilen, dass sie nur gewählt werden, wenn sie sich glasklar gegen die Fortsetzung der Nuklearen Teilhabe aussprechen! Stärkt damit auch diejenigen Politiker*innen, die bereits heute für das Ende der Nuklearen Teilhabe sind, die in ihren Parteien aber bisher nur ein kleine Minderheit sind!

FFF sei`s gedankt, dass die Klimafrage inzwischen von fast allen Parteien als eigenes Thema entdeckt wurde – sogar Ministerpräsident Laschet will die Bundestagswahl für die CDU zu einer Klima-Wahl machen!

Klima und eine gesunde Umwelt sind für unser (Über-)Leben auf diesem Planeten überlebenswichtig – genauso ist es der Frieden. Beide sind die zwei Seiten ein- und derselben Medaille und lassen sich nicht trennen – zumal Krieg und dessen Vorbereitung zu den Klimakillern erster Ordnung gehört!

Lasst uns diese Zusammenhänge laut kundtun und deshalb dafür sorgen, dass es im Herbst nicht nur eine Klima- sondern auch eine Friedens-Wahl wird!

Vielen Dank.

 

Dr. Brigitte Hornstein ist aktiv bei der IPPNW in Münster.