Redebeitrag für den Ostermarsch Hamburg am 5. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freund*innen und Freunde,

ich begrüße euch herzlich im Namen des Flüchtlingsrats Hamburg.

In den letzten Monaten haben wir viel von den Strapazen und lebensbedrohlichen Umständen der Menschen gehört, die es schaffen, auf ihrer Flucht vor Verfolgung, Krieg und lebensbedrohlicher Not nach Europa zu kommen. Wir alle haben die Bilder vor Augen von der menschenverachtenden und menschenrechtswidrigen Unterbringung der Geflüchteten in Camps auf den griechischen Inseln und an der bosnisch-kroatischen Grenze.

Erfahren haben wir auch von den rechtswidrigen Pushbacks durch die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX, die mit militärischen Mitteln einen Krieg gegen Geflüchtete führt. FRONTEX ist dabei nicht nur beteiligt an den rechtswidrigen Pushbacks an der griechisch-türkischen und bosnisch-kroatischen Grenze, sondern unter anderem auch an den menschenrechtswidrigen Rückschiebungen von Geflüchteten, die von Libyen aus mit Booten über das Mittelmeer nach Europa starten. Aufgegriffene Geflüchtete werden der libyschen Küstenwache übergeben und dann in Libyschen Lagern untergebracht. Dort sind sie, wie immer wieder berichtet wird, schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt und müssen um ihr Leben fürchten.

Die Grenzschutzagentur Frontex wird gerade mit europäischen Mitteln in Höhe von 10 Milliarden Euro bis 2027 zu einer Einheit mit 10.000 eigenen Grenzschutzkräften und eigenen Militärbooten und Waffen aufgerüstet, um Geflüchtete daran zu hindern, nach Europa zu gelangen. Zur Zeit bestehen die operativen Einheiten zumeist aus Grenzschutzkräften aus den europäischen Mitgliedsstaaten und so kommt es vor, dass Menschen dabei sind, die sich nicht mit den illegalen Praktiken bei FRONTEX abfinden wollen und diese öffentlich machen, wie jüngst geschehen. Auch das soll in Zukunft wohl durch die neue Struktur von FRONTEX verhindert werden. Wie weit sich FRONTEX schon verselbstständigt hat, wird wohl auch daran deutlich, dass der Chef von FRONTEX, Fabrice Leggeri, bereits eigene Kontakte zur Waffenlobby aufgebaut hat, wie unlängst durch das ZDF aufgedeckt wurde.

Das alles reicht den europäischen Regierungen aber noch nicht. Abgesehen davon planen diese, wieder einmal allen voran die deutsche Regierung, ein neues europäisches Gesetz zur Abwehr und Abschiebung von Geflüchteten, das kurz „New Pact“ genannt wird. Dieses Gesetz kommt, so die Einschätzung der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, einer faktischen Abschaffung des Asylrechts in der europäischen Union gleich. Hiernach sollen Geflüchtete zukünftig in den Grenzstaaten der europäischen Union in großen Lagern festgesetzt werden und dort wird auch über ihre Asylanträge entschieden. Menschen, die kein Asyl erhalten, sollen dann sofort aus diesen Lagern abgeschoben werden. Im „New Pact“ soll auch vereinbart werden, dass europäische Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, stattdessen die anderen Länder bei der Abschiebung von Geflüchteten unterstützen sollen.

Aus all dem können wir nur schließen, dass unsere Regierung und andere in Europa nicht gewillt sind Menschen, die aufgrund von Verfolgung, Kriegen und lebensbedrohlicher Not fliehen, aufzunehmen und ihnen ein Leben in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Und dass, obwohl bei uns in Deutschland und anderen europäischen Ländern Landkreise, Städte und Gemeinden bereit sind, diese Menschen bei uns willkommen zu heißen. Viele dieser Landkreise, Städte und Gemeinden haben sich zu sicheren Häfen erklärt, aber eine Aufnahme von Geflüchteten wird insbesondere durch das Innenministerium unter Leitung von Herrn Seehofer, aber auch durch Länderregierungen, wie u.a. dem Hamburger Senat,  konsequent verhindert. Der rot-grüne Senat setzt sich nicht einmal dafür ein, dass in Hamburg zusätzlich 1.000 Geflüchtete aus griechischen Lagern aufgenommen werden, wie von vielen Initiativen in Hamburg gefordert wird. Ein entsprechendes Gesetz, dass das möglich gemacht hätte, hat der Senat im Bundesrat blockiert.

Auf der Welt gibt es zur Zeit laut Angaben der Vereinten Nationen über 80 Millionen Geflüchtete. In 2020 sind davon von nur 461 Tausend nach Europa und nur 120 Tausend nach Deutschland gekommen. Deutschland hat damit im Jahr 2020 nur 0,2 % aller Geflüchteten weltweit aufgenommen. Die meisten Geflüchteten, das sind ca. 80-85%, verbleiben in ihren Herkunftsregionen, 60% können nicht einmal ihre Heimatländer verlassen.

Hier müssen wir uns fragen, wie es kommt, dass sich so viele Menschen weltweit auf der Flucht befinden. Wir müssen uns auch fragen, welche Verantwortung die  Industrienationen, zu denen auch die europäischen Länder und gerade auch Deutschland gehören, haben.

  • Deutschland ist z.Zt. mit 5,5% aller Waffenlieferungen weltweit der viert größte Waffenlieferant nach den USA, Russland und Frankreich.
  • Deutschland gehört mit einen CO2-Ausstoß von ca. 9 Tonnen pro Person zu den weltweit größten CO2-Produzenten und trägt damit wesentlich zum Klimawandel bei, der schon jetzt ca. 20 Millionen Menschen weltweit zur Flucht zwingt.
  • Deutschland vertritt seine Interessen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht weltweit in vielen Fällen ohne Rücksicht auf die Menschenrechtssituation und auf Umweltzerstörung, wenn es darum geht, Rohstoffe für die Industrieproduktion zu beschaffen, billig zu produzieren oder militärischen Einfluss zu sichern, wie z.B. in Afghanistan oder Mali.

In diese Logik passt, dass Deutschland und auch Hamburg, Geflüchtete in ein Land wie Afghanistan, in dem es seit Jahren einen erbitterten Bürgerkrieg mit bis zu 10.000 zivilen Opfern jährlich gibt, abschiebt. Bei den letzten zwei Sammelabschiebungen im Febr. und März waren aus Hamburg 4 afghanische Menschen betroffen, denen jetzt eine ungewisse und lebensbedrohliche Zukunft bevorsteht. Die nächste bundesweite Sammelabschiebung nach Afghanistan findet bereits in der nächsten Woche am 7. April statt. Zu befürchten ist, dass sich der rot-grüne Hamburger Senat wieder daran beteiligt.

Hier müssen wir uns fragen: Dient die deutschen Militärpräsenz in Afghanistan oder in anderen Ländern der Welt wirklich dazu, die Menschen dort zu unterstützen, wie immer behauptet wird, oder nicht eher dazu, um solche menschenrechtswidrigen Praktiken durchführen zu können und sonstige eigenen Interessen durchzusetzen?

Das alles muss uns angehen!

Wir benötigen, um die Probleme der Zukunft zu lösen und allen Menschen ein menschenwürdiges und gesichertes Leben zu ermöglichen, weltweite Solidarität untereinander und gegenseitigen Austausch.

Wir fordern:

  • Gleiche Rechte für Alle statt Entrechtung, Unterdrückung und Ausbeutung!
  • Bewegungsfreiheit und offenen Grenzen für alle statt Abschottung durch Abschaffung von Rechten von Geflüchteten und Militarisierung der Grenzen!
  • Sofortiger Stopp aller Waffenlieferungen!
  • Sofortiger Stopp aller Abschiebungen und konkret der für nächste Woche geplanten Sammelabschiebung nach Afghanistan!

 

Franz Forsmann ist aktiv beim Hamburger Flüchtlimgsrat.