Redebeitrag für den Ostermarsch Bremen 16. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

danke für die Einladung! Wir sind gerne aus Norddeutschland zu Euch nach Süddeutschland gekommen, um gemeinsam gegen den Krieg zu demonstrieren.

Wir sind hier versammelt, um unsere Stimmen gegen den Krieg zu erheben, um ihn zu schnell wie möglich zu stoppen. Es ist ohne Zweifel ein völkerrechtswidriger und abzulehnender Krieg, der auch uns kalt erwischt hat. Und auch wiederum nicht, denn Aufrüstung führt zu Krieg. Wir warnen seit Jahren davor und sagen jetzt erst recht: Es muß eine Zeitenwende für den Frieden geben! Es soll uns eingetrichtert werden: Willst Du für den Frieden sein, mußt Du für Waffenlieferungen sein! Du sollst ohnmächtig sein und keinen Einfluß nehmen können. Das ist inakzeptabel und außerdem nicht wahr. Wir sind aktiv und werden noch aktiver, denn die Herrschenden wollen keinen Frieden nicht und wir müssen ihn durchsetzen.

In diesem Verständnis haben wir in Hamburg vor drei Jahren die Volksinitiative gegen Rüstungsexporte ins Leben gerufen. Wir sind ein Bündnis verschiedener Friedensgruppen, gewerkschaftlich und hochschulpolitisch Aktiver, Migrantenorganisationen, Kirchenmenschen und Künstler aller Art und zunehmend viele bislang Unorganisierte, die sich gerade jetzt neu engagieren wollen. Das unmittelbare Ziel ist, auf dem Wege der Volksgesetzgebung Waffenexporte und -Transporte (auch der Bundeswehr!) über den Hamburger Hafen zu verbieten. Verbunden mit dem Leitbild eines zivilen Hafens, über den nur für den Menschen nützliche Güter transportiert werden, die koloniale Ausbeutung und Standortkonkurrenz zugunsten internationaler Kooperation überwunden werden, mit der Herausbildung einer Friedensstadt Hamburg, die ihre globale Verantwortung im Sinne ihrer Verfassung von 1952 ernst- und wahrnimmt:

„Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein. Durch Förderung und Lenkung befähigt sie ihre Wirtschaft zur Erfüllung dieser Aufgaben und zur Deckung des wirtschaftlichen Bedarfs aller.“

Wir engagieren uns vielfältig: Wir haben uns u.a. mit ICAN zusammen erfolgreich dafür eingesetzt, daß auch HH den Städteappell gegen Atomwaffen unterschreibt und wir arbeiten weiter daran, daß die BRD den UN-Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet (hier könnten Bremen und Hamburg im Bundesrat gemeinsam initiativ werden). Überhaupt sollte die Stadt ihre Mitgliedschaft in Mayors for Peace aktiv gestalten und jetzt erst recht die Städtepartnerschaften wie mit St. Petersburg als Alternative zu Feindbildern, Krieg und Sanktionen ausbauen, statt sich am Boykott der kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen zu beteiligen! Zusammen mit Flüchtlingsinitiativen wirken wir für HH als Sicheren Hafen für alle Geflüchteten und für ein Ende der Kriege als die wichtigst Fluchtursache. (Kleine zynische Fußnote: Die Rüstungskonzerne profitieren doppelt daran: An den Waffen, mit denen Menschen getötet und vertrieben werden und an der Ausstattung des ganze Abschottungs- und Abschiebungsregime an den Grenzen Europas.)

Ich denke, wir haben hier nördlich und südlich der Elbe viele gemeinsame Ansätze. Wir haben uns dabei von Euren Bremer Initiativen inspirieren lassen: von dem Verbot von Atomtransporten durch den Hafen, aber auch dem Konversionsfonds und der Kampagne Ziviler Betrieb.

Zwei Grundmotive leiten uns in der Kampagne:

- Erstens: Wir wollen das alltägliche Geschäft mit dem Tod vor unserer Haustür sichtbar und damit unmöglich machen! Hamburg ist einer der größten Umschlagplätze für Waffen und Munition, Panzer und Kriegsschiffe, über den Hafen gehen täglich mehrere Tonnen Kriegsgerät in alle Welt. In und um Hamburg beteiligen sich mehr als 90 Unternehmen an der Rüstungsproduktion, Rüstungsriesen Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann oder den Lürssen Werften, zu denen auch Blohm und Voss gehört, das schon eine stolze deutsche Tradition der Belieferung von zwei Weltkriegen vorzuweisen hat.

Wir wollen die Unerträglichkeit beenden, daß Tag ein Tag aus Waffen und Munition u.a. in Länder wie Brasilien oder Kolumbien verkauft werden – wo systematisch „Aufständische“ umgebracht werden oder Menschen, nur weil sie arm oder schwarz sind; nach Saudi-Arabien, das einen brutalen Krieg im Jemen führt oder in die Türkei, in der besonders die kurdische Bevölkerung terrorisiert wird und einfach völkerrechtswidrig in Syrien einmarschiert wurde – mit deutschen Leopard-Panzern, deren Wannen hier an der Elbe produziert werden. Alles Krisenregionen also, in die Waffenlieferungen verboten sind!

Mit der Kampagne klären wir in der Bevölkerung auf, irritieren, involvieren und motivieren wir dazu, einen aktiven Beitrag zum Frieden mit zu realisieren, weil die Menschenrechte unteilbar sind und es unser aller Engagement bedarf.

- Zweitens: Von dem Waffenhandel profitieren nur die Rüstungsunternehmen, die Mehrheit der Bevölkerung nicht, auch hier nicht! Der militärisch-industrielle-ideologische Komplex ist nützlich für die Großmachtpolitik Deutschlands und schädlich für die Gesellschaften. Auch die Menschen, die ihren Lebensunterhalt in Rüstungsbetrieben verdienen (müssen), in der Logistik oder IT-Bereich, oder als Wissenschaftler dafür forschen, haben ein Interesse an der Befreiung von dieser entfremdeten Tätigkeit. Das machen u.a. die italienischen Hafenarbeiter deutlich, die sich weigern, die tödliche Fracht nach Saudi-Arabien, Israel und jetzt aktuell in die Ukraine zu liefern, weil sie wissen, daß Krieg nur „den Oberen“ nutzt. Auch die vielen Hochschulen, die Zivilklauseln eingeführt haben oder einführen werden, machen sich für einen „Frieden von unten“ mit verantwortlich, was heute relevanter denn je ist.

Damit komme ich zur nochmals gestiegenen Aktualität unserer Volksinitiative.

WIE richtig wir mit diesem „zivilem Ungehorsam“ liegen, ja insgesamt als Friedensbewegung liegen, zeigt sich gerade heute in Zeiten des Ukraine-Kriegs. Was die Menschen dort an Zerstörung erleiden müssen, an Angst und Perspektivlosigkeit, ist eben durch die unfaßbare Aufrüstung der letzten Jahrzehnte mit verursacht worden. Durch eine Politik, in der der Stärkere sich durchsetze, koste es, was es wolle und Drohungen, Erpressungen, Krieg, Völkerrechtsbruch und Waffengewalt völlig normal als Mittel der Politik gelten. Das lehnen wir grundsätzlich ab und fordern eine deutsche Außenpolitik ein, die sich nicht zur Kriegspartei macht, sondern Partei für den Frieden ergreift. Das heißt für einen sofortigen Waffenstillstand, Rückzug der russischen Truppen, alle Waffen nieder, Verhandlungen, in denen die Interessen beider Seite berücksichtigt werden und Schluß mit der NATO-Expansion: Es heißt insgesamt, die Machtpolitik zu beenden und eine tatsächlich neue Ära der internationalen Zusammenarbeit einzuleiten.

Die Heuchelei und Hetze all derer, die diesen Krieg mit heraufbeschworen haben und jetzt aus „Solidarität“ mit der Ukraine nach noch mehr Waffen und Sanktionen schreien, weisen wir entschieden zurück! Noch nie hat es gestimmt, daß die Pazifisten schuld am Krieg sind. Es hat einen tieferen Sinn, der nicht nur in der deutschen Geschichte liegt, sondern für die Gegenwart und die Zukunft der Menschheit lebenswichtig ist, daß Waffen nicht in Krisen- und Kriegsregionen exportiert werden sollen. Denn Waffenlieferungen heizen den Krieg weiter an - dafür sind sie da -, die Eskalationsschraube macht den Krieg noch brutaler, langwieriger und verlustreicher. Das läßt zynischerweise die Sektkorken in den Rüstungsfirmen knallen, hilft den Menschen aber nicht.

Solidarität mit den Menschen (Zivilbevölkerung wie Soldaten) heißt aus unserer Sicht etwas ganz anderes: die Aggressivität der hiesigen Politik zu stoppen, damit ernstgemeinte Verhandlungen über eine friedliche Koexistenz der beiden (und anderen) Staaten endlich stattfinden können. Die Waffen müssen schweigen, damit die Menschen reden können!

Solidarität heißt humanitäre Hilfe, heißt Unterstützung für alle Geflüchteten, auch für Deserteure und Kriegsgegner.

Solidarität heißt100 Milliarden und mehr für die Lösung der globalen Probleme wie Armut und Hunger, Klimakatastrophe und Krieg, die nur in Frieden gelöst werden können.

Solidarität mit heißt auch die Abschaffung aller Atomwaffen, damit die Menschheit überleben und gut leben kann.

Und last but not least: Solidarität heißt eine Stärkung und Vernetzung der Friedenskräfte weltweit, weil wir die Alternative für eine Gesellschaft sind, die frei von Gewalt und reich an Menschlichkeit ist.

In diesem Sinne laden wir Euch ein, an der Verwirklichung des Verbots von Rüstungsexporten mitzuwirken, daraus mögen auch weitere Initiativen bundesweit und europaweit entstehen als Anfang vom Ende aller Rüstungsexporte und -Produktion.

Im Dezember haben wir 16.442 Unterschriften abgegeben, jetzt beginnt die zweite Phase, das Volksbegehren, und die Unterschriftensammlung wird voraussichtlich im September stattfinden. Spätestens dann werden wir auf Euch für tatkräftige Unterstützung wieder zukommen.

Ende Juni – Anfang Juli machen wir ein Tribunal gegen Waffenexporte mit Unterstützung der Bertrand Russel Peace Foundation, das Schauspielhaus macht einen Tag für die Volksinitiative mit Kultur und Kontroversen zu „Frieden schaffen ohne Waffen“, auch eine Veranstaltung zur Hamburger Verfassung ist in Planung.

Und am kommenden Samstag, den 23.4. ab 14 Uhr veranstalten wir einen „Tag des Friedens und der Völkerverständigung“ am Fischmarkt mit Reden, Musik, Infoständen und Programm für Kinder – seid auch hier herzlich eingeladen: https://ziviler-hafen.de/event/friedensfest-hamburg

Zum Schluß ein Gedicht des Hamburgers Wolfgang Borchert (1949):

Versuche es

Stell Dich mitten in den Regen,
glaube an den Tropfensegen,
spinn Dich in dies Rauschen ein
und versuche, gut zu sein!

Stell Dich mitten in den Wind,
glaub an ihn und sei ein Kind –
laß den Sturm in Dich hinein
und versuche, gut zu sein!

Stell Dich mitten in das Feuer –
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein
und versuche, gut zu sein!

Vielen Dank.

 

Gunhild Berdal ist aktiv bei der Volksinitiative gegen Rüstungsexporte aus dem Hamburger Hafen.