Redebeitrag für den Ostermarsch Ingolstadt am 16. April 2022

 

- Sperrfrist:16. April 2022, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

„Zeig dein Gesicht für den Frieden!“ Unter diesem Motto steht der heutige Friedensmarsch.

Gut, dass so viele gekommen sind und ihr Gesicht zeigen. Ein schönes Bild ist das!

Schlimme Bilder sehen wir ja genug in diesen Tagen: Verletzte auf den Straßen ukrainischer Städte. Durch Bomben und Raketen zerstörte Wohngebiete, Krankenhäuser, Schulen. Kindergärten. Leichen in den Straßen von Butscha nach Erschießungen von Zivilisten. Verletzte und getötete Soldaten auf beiden Seiten. Verzweifelte und trauernde Menschen. Im Krieg entstehen schreckliche Szenen, grausame Bilder.

Umso wichtiger ist, dass wir heute unsere Gesichter für den Frieden zeigen. Wir hier in Ingolstadt und in vielen anderen Städten in Deutschland und in Europa tun Menschen das. - In dem Motto „Zeig dein Gesicht für den Frieden!“ steckt noch mehr, als auf einem Friedensmarsch gegen weiteres Aufrüsten und Waffenhandel zu demonstrieren.

In der Bergpredigt sagt Jesus zum Thema Gewalt „Wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, dem halt die andere auch noch hin.“ Jesus gibt damit einen Hinweis, wie Menschen ihr Gesicht für den Frieden zeigen können. Im Konfliktfall sollen sie auch die andere Backe hinhalten.

Sie mögen jetzt sagen, das ist ja wieder typisch christlich. Funktioniert sowieso nicht. So ein weltfremder Vorschlag, zu schön um wahr sein, oder? Damit mögen Sie Recht haben. Die Menschen in der Ukraine sagen nicht umsonst deutlich, was sie brauchen: mehr Waffen brauchen, um sich zu verteidigen.

Aber wie soll das Blutvergießen aufhören? Durch noch mehr Bomben? Kann Gewalt durch Gewalt beendet werden? Wann werden geflüchtete Menschen je wieder in ihre Heimat zurückkehren können?

Jesus schlägt eine Alternative vor. Die zwei klassischen Wege, um auf Gewalt zu reagieren, sind ja

Gegengewalt. Wir kennen das. Waffenlieferungen. Aufrüstung. Und

Fliehen. Wir heißen die Geflohenen willkommen und sind froh, wenn wir helfen können.

Der dritte Weg, den Jesus vorschlägt, sieht vor, Gewalt aktiv, aber gewaltfrei zu begegnen.

Der berühmte Satz „die andere Wange hinhalten“ beschreibt genau das.

Wer auch die andere Wange hinhält, leistet friedlich Widerstand. Das Motto lautet „Du magst mich schlagen, aber du kannst mich nicht entehren! Ich habe - ich behalte meine Würde und bin nicht dein Opfer!“. So zeigt der Geschlagene sein Gesicht. Dadurch wird Gewalt deeskaliert. Die unerwartete Aktion irritiert den Schläger. Dabei wahrt er auch noch sein Gesicht! Er wird ja nicht zurückgeschlagen. So herrscht für einen kostbaren Moment Frieden. Ein Anfang ist gemacht.

Wenn wir also heute unser Gesicht für den Frieden zeigen, dann ist die Botschaft klar. Wir sind für den dritten Weg, um auf Gewalt zu reagieren. Wir stellen uns auf die Seite der Opfer von Krieg und Gewalt. Wir wollen nicht noch mehr Bomben, Verletzte, Tote. Menschen sollen - in Würde – dort leben können, wo sie es wünschen.

Darum zeigen wir unser Gesicht für den Frieden! Die Schläger - die Menschen an der Macht - sollen zur Vernunft kommen. Gewaltlose Lösungen sind möglich. Wie sonst soll dieser Krieg in der Ukraine, sollen die Kriege dieser Welt zu einem Ende kommen?

Herr Putin, zeigen auch Sie Ihr Gesicht für den Frieden! Sie können das – jederzeit - jetzt. Wir hätten großen Respekt, wenn Sie Ihre Entscheidung für Krieg zurücknehmen würden. Kehren Sie zurück an den Verhandlungstisch. Wer Krieg durch Worte anfängt, kann ihn auch genauso beenden. Durch Worte. Mit der Wahrheit. Aus Achtung der Würde aller Menschen. Möglichst schnell. Damit das Blutvergießen aufhört. Darum,

Herr Putin, machen Sie es wie wir und zeigen Sie Ihr Gesicht für den Frieden.

 

Maren Michaelis, Pfarrerin der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Matthäus in Ingolstadt.