Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Traunstein am 30. März 2024

 

- Sperrfrist: 30.03., Redebeginn: ca. 10 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Mein Name ist Ana, und ich freue mich, dass ich heute für die Friedensiniative sprechen darf. Ich beginne mit meiner Familie:

Mein sehr kriegstauglicher Großvater verlor im ersten Weltkrieg sein Bein. Mein Onkel verlor 1943 bei Sewastopol sein 24 jähriges Leben. Mein Vater verlor von 1944 bis 1949 in russischer Gefangenschaft fünf Jahre seiner Jugend. Ich bin jetzt 72 Jahre alt, und so lange hatte ich das Glück im Frieden leben zu dürfen. Das hätte ich auch gern für meine Kinder und meine Enkel.

Aber jetzt ist das Ungeheuer wieder sehr nahe gerückt. Seit zwei Jahren tobt ein Krieg in der Ukraine, in dem unsere Regierung eine Seite mit Waffen unterstützt und die andere Seite leider eine Atommacht ist. Der Krieg eskaliert immer weiter, niemand weiß, wann unser Land hineingezogen wird. Die Weltuntergangsuhr steht auf 90 Sekunden vor Mitternacht. Ich habe Angst.

Viele Jahre kam der Krieg nur in der Vergangenheit vor oder in der Ferne. Mir scheint, wir haben seinen Schrecken vergessen.Wie sonst könnte es sein, dass wir wieder von Kriegstüchtigkeit sprechen, Heldentum, Sieg. Dass das Wort PazifistIn wieder ein Schimpfwort geworden ist. Ich möchte der Erinnerung nachhelfen:

Tod, Verstümmelung, Angst, Leid, Hunger, Not, Kälte, Flucht. Vertreibung.

Zerstörung von Städten, Infrastruktur, Kultur. Wohnungen, Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Kirchen, Museen, Denkmälern.

Krieg hinterlässt Traumata der Seele, -bei den Soldaten, die in ständiger Todesangst leben und die töten müssen. Manche macht das grausam. Daher kommt es im Krieg zu Folterung, Vergewaltigung und Mord.

-und bei der Zivilbevölkerung, die das alles erleidet. Die Auswirkungen belasten noch die nächste und übernächste Generation, zerstören die Gesellschaft und säen den Keim für Hass und für künftige Konflikte. Das betrifft alle Konfliktparteien.

Menschenrechte und Freiheit durch Kriegshandlungen verteidigen zu wollen, ist ein Widerspruch in sich. Der Krieg ist die schlimmste Menschenrechtsverletzung. Er setzt

alle Menschenrechte außer Kraft, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Würde, das Recht auf Wohnung, auf Nahrung. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Verweigerung des Kriegsdiensts. Im Krieg werden Soldaten zu Verbrauchsmaterial und Zivilistinnen zu Kollateralschäden.

Auch das gilt für beide Seiten

Der Krieg tötet alles Leben. Er hat einen großen Anteil an der Zerstörung des Planeten und befeuert die Klimakrise in einem ungeheuren Ausmaß. Krieg und Rüstung gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen

Allein der Kampfpanzer Leopard verbrennt hundert mal so viel Sprit wie ein SUV. Von Kampfjets und Kriegsschiffen gar nicht zu reden. Dazu kommen im Kriegsfall Brände, zerstörte, vergiftete und radioaktiv verseuchte Böden. Krieg ist Feuer. Wenn wir bei der Rüstung das 2-Prozent-Ziel anstreben, geben wir das 2-Grad-Ziel bei der Erderhitzung auf.

Um mit Papst Franziskus zu sprechen:

„Machen wir uns deutlich, dass der Krieg eine Niederlage für die Menschheit ist. Lasst uns verstehen, dass wir den Krieg besiegen müssen. Wir haben unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen. Wir haben ausgeklügelte Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen. Als wäre es etwas Normales, fahren wir fort, Zerstörung, Schmerz und Tod zu säen. Gewalt und Krieg sprechen die Sprache des Todes.“

Deshalb will ich nicht kriegstüchtig sein. Was aber kann uns helfen, friedensfähig zu werden? Was kann die beiden Kriege, die uns grade täglich die Nachrichten füllen, endlich beenden? Und die mehr als 200 weiteren bewaffneten Konflikte auf der Welt?

Waffen nicht. Sie sind das Problem, nicht die Lösung. Statt den Waffen zu vertrauen, vertraue ich lieber den Menschen.

Mehr als den Militärs vertraue ich den DiplomatInnen. Diplomatie ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Die meisten Kriege werden durch Verhandlungen beendet. Dabei ist eine neutrale Vermittlerin nötig,der beide Seiten vertrauen. In dieser Rolle hätte ich meine Regierung gern gesehen.

Zweitens vertraue ich dem Recht. Dem Völkerrecht, der Charta der Vereinen Nationen, dem Internationalen Gerichtshof. Die Krieg zwischen Russland und Ukraine und ebenso der zwischen Israel und Gaza erfüllen uns mit Empörung, wir suchen nach dem Schuldigen und geraten darüber selbst in Streit. Ich bin froh, dass im Zusammenhang mit beiden Konflikten Anklage vor dem IGS erhoben wurde und ich werde die Urteile respektieren. Ich fordere meine Regierung auf, das ebenfalls zu tun und das internationale Recht und den IGH in jeder Hinsicht zu unterstützen und zu stärken.

Für ein starkes Völkerrecht ist es nötig, dass sich alle Staaten daran halten, auch Russland, auch die USA. Es kann nur ein Völkerrecht geben.

Um zum dritten Mittel der Friedensfähigkeit zu kommen, zitiere ich noch einmal den Papst Franziskus: „Der Stärkste ist der, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut hat, die weiße Fahne zu hissen und zu verhandeln.“

Damit grüße ich die Friedensfähigen aller Länder. Die mutigen Menschen, die in Frieden leben wollen. Die sich für den Frieden engagieren, die demonstrieren. Die sich Panzern entgegenstellen stellen und Straßenschilder verdrehen. Die die Methoden Gandhis und Martin Luther Kings anwenden und weiterentwickeln. Die Kriegsdienstverweigerer und die Fahnenflüchtigen. Die, die NEIN sagen. Die wahren HeldInnen.

Das Schlusswort gebe ich ich an solche Helden aus vier verschiedenen Ländern:

Yurii Sheliazhenko, Kriegsdienstverweigerer und Friedensaktivist aus der Ukraine:

„Nur tiefgreifende globale Veränderungen werden den Krieg beenden, und ich glaube, dass die weltweite Friedensbewegung diese Veränderungen auch bewirken kann.“

Oleg Bodrov, Friedensaktivist aus Russland:

„Meiner Meinung nach ist es notwendig, dass die neue Generation der Bürger Russlands und der Ukraine sich weigert, sich gegenseitig zu töten.

Osama Ellewat, Exsoldat und Friedensaktivist aus Palästina:

„Krieg ist kein Schicksal. Wir können einen anderen Weg wählen.“

Rotem Levin, Exsoldat und Friedensaktivist aus Israel:

„Das System will, dass wir Feinde sind. Aber wir haben uns entschieden, Freunde zu sein.“

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

 

Ana Aigner für die FI Traunstein Traunreut Trostberg.