Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Bielefeld am 30. März 2024

 

- Sperrfrist: 30.03., Redebeginn: ca,. 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Mut zum Verhandeln, Mut zum Waffenstillstand, Mut zum Frieden

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir beginnen mit dem Gedenken an die Opfer aller Kriege. Wir gedenken Insbesondere der Opfer des russischen Angriffs auf die Ukraine, ein Krieg mitten in Europa, der nun schon mehr als zwei Jahre andauert und wir gedenken der Opfer des Gazakrieges, ein Krieg, der mit dem brutalen Angriff der Hamas am 07.10 .2023 begann und in dem jetzt für knapp zwei Millionen Palästinenser:innen eine Hungersnot droht, weil Israels Regierung sich weigert, dringend benötigte Hilfsgüter in den Gazastreifen passieren zu lassen.

Seit mehr als zwei Jahren bombardieren russische Truppen jeden Tag zivile Ziele in der Ukraine. Seit nunmehr fünf Monaten bombardieren israelische Truppen jeden Tag Menschen, Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen in Gaza.

Die bewusste und systematische Zerstörung von Krankenhäusern und Einrichtungen des Gesundheitswesens kennzeichnet ihre Kriegsführung, sowohl in der Ukraine als auch in Gaza. Die russische Bombardierung der Geburtsklinik in Mariupol im März 2022 war kein Einzelfall. Die Weltgesundheitsorganisation zählte bereits im Mai 2023 100 Attacken auf Einrichtungen des Gesundheitssystems in der Ukraine. Eine aktuelle Zahl dazu ist mir nicht bekannt.

Für den Gazakrieg sind die Berichte der Ärzte für Menschenrechte Israel (Physicians for Human Rights) eine zuverlässige Quelle. Durch die israelischen Bombardierungen sind nur noch 8 von 36 Krankenhäuser in Gaza betriebsbereit. Mehr als 300 Gesundheitsfachkräfte wurden getötet und 350 verletzt. Durch die vollständige israelische Blockade fehlt es an Medikamenten, Treibstoff und Strom.

Jeden Tag sterben Menschen, Zehntausende, ja Hunderttausende. Sie werden vielleicht lebenslang traumatisiert sein. Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage. Jeden Tag werden wir erneut Zeug:innen des Mordens und einer beispiellosen Naturzerstörung, in der Ukraine, in Gaza, in allen Kriegen weltweit.

Wir stehen hier, weil wir uns alle für eine Beendigung des Kriegs in der Ukraine und im Gazakrieg einsetzen. Uns eint die Überzeugung zum Ziel des Friedens und zum Weg dorthin: Es sind Verhandlungen zu einem Waffenstillstand und Frieden in der Ukraine. Auch im Krieg zwischen Israel und der Hamas sind Verhandlungen für Waffenstillstand und Rückgabe der Geiseln sofort nötig. Empirische Untersuchungen aus der Friedensforschung zeigen, dass die meisten Kriegen mit einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen enden.

Waffenstillstand und Frieden jetzt, In der Ukraine, In Gaza, in allen Kriegen auf dieser Welt. Ich möchte es von Euch hören!......

Betrachten wir jetzt den Ukrainekrieg:

Vladimir Putin, sein Regime, trägt die Verantwortung für den Angriff auf die Ukraine. Daran gibt es nichts zu zweifeln. Doch im dahinter liegenden Konflikt für den Ukraine -Krieg geht es um weit mehr:

Der Ukrainekrieg ist gleichzeitig ein Krieg zwischen Russland und der NATO. Es geht um folgenden Konflikt: Darf die Ukraine Mitglied der NATO und damit zum Aufmarschgebiet für das US-Militär, der Hauptmacht in der NATO werden? Oder soll die Ukraine ein neutrales Land werden? Und mit gleichzeitiger Garantiesicherheit vor einem neuen russischen Angriff?

Und in diesem Konflikt tragen nicht nur unsere Regierungen in der EU eine Verantwortung, sondern ebenso wir Menschen, die Friedensbewegung und andere soziale Bewegungen. Unsere Einmischung bestimmt die aktuellen Erzählungen, wie wir zum Frieden kommen wesentlich mit.

Wir dürfen dem Militär und der Rüstungsindustrie nicht den Boden überlassen!

Die IPPNW hat gleich zu Beginn die Position vertreten: Wir müssen den Krieg vom Ende herdenken. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine kann jederzeit eskalieren, zu einem Weltkrieg, zu einem Atomkrieg. Eben weil die NATO -Länder Teil des Konflikts sind, und weil vier Atommächte in den Konflikt involviert sind: Russland einerseits, das seit Anfang des Krieges mit einem möglichen Einsatz von Atomwaffen droht und die drei Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich, die sich weigern, neue Schritte zu Rüstungskontrolle, vertrauensbildende Maßnahmen und danach Abrüstung zu eröffnen. Solche ersten Schritte in Richtung Frieden können und müssen im laufenden Krieg beginnen!

Denn die Gefahr, dass die vier beteiligten Atommächte jederzeit in einen Atomkrieg hineinschliddern können, ist sehr groß. Da ist die deutsche Politik gefragt, eine Eskalation in einen Atomkrieg zu verhüten.

Auch wir Friedensbewegte haben eine Verantwortung mitzuhelfen, den Krieg zu beenden, einen Atomkrieg und einen Weltkrieg zu vermeiden.

Wichtige Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und auch aus dem Militär sagen jetzt: Der Krieg in der Ukraine ist von keiner Seite zu gewinnen. Das ist die militärische Realität: Es handelt sich um einen Stellungskrieg. Die Lieferung von Tauruswaffen wäre kein Gamechanger, auch damit kann die Ukraine den Krieg nicht gewinnen.

Es gilt jetzt den Frieden zu gewinnen.

Es gilt jetzt auszuloten, wie und auf welchen Ebenen ernsthafte Vorgespräche für Verhandlungen zur Beendigung des Krieges geführt werden können. U.E. muss es mindestens zwei Verhandlungsebenen geben: Zwischen Russland und der Ukraine und eine internationale Ebene, in die neben Russland China miteinbezogen werden muss. Hier steht die IPPNW an der Seite von Rolf Mützenich und an der Seite des Papstes. Unsere Bundesregierung muss die Frage diskutieren, wie dieser Krieg beendet werden kann, mit neuen diplomatischen Mitteln.

Wir fordern alle Parteien in der Ampel- Koalition und auch die CDU auf, damit aufzuhören, Forderungen nach Waffenstillstand und Frieden zu verhöhnen.

Frieden muss und kann vom Frieden hergedacht und konzipiert werden.

Wir brauchen Mut zum Verhandeln, Mut zum Waffenstillstand und Mut zum Frieden

Vielen Dank.

 

Dr. Angelika Claussen ist Co-Vorstitzende der IPPNW.