Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Schwerin am 30. März 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Nur die Hoffnung,
daß es immer wieder hell wird,
läßt uns die langen, finsteren
Nächte durchstehen.
Annegret Kranenberg

 

Liebe Ostermarschbesucher und -besucherinnen, liebe Umstehende und neugierig am Rand Stehende,

in diesen dunklen, kriegerischen Tagen müssen wir uns wahrlich alle immer wieder dieser Hoffnung gegenseitig versichern. Deshalb sind wir auch heute zusammengekommen. Dafür ausdrücklich meinen ganz herzlichen Dank.

Spätestens seit dem Ausbruch und der zunehmenden Intensivierung militärischer Kämpfe in der Ukraine rückt auch die Möglichkeit eines Einsatzes von Atomwaffen wieder in den Vordergrund. Aber anstatt Angebote atomarer Abrüstung in Verhandlungen einzubringen, rüsten mit enormem Ressourcenverbrauch alle Atommächte ihr atomares Waffenarsenal auf. Die deutsche Bundesregierung ist mit ihrer völkerrechtswidrigen atomaren Teilhabe aktiv daran beteiligt. In Büchel am einzigen Atomwaffenstandort in Deutschland wird mit mehr als 1,2 Milliarden Euro der Militärflughafen um- und ausgebaut. Deutsche Soldaten sollen mit neuen, in den USA eingekauften Tarnkappenbombern den effektiven Atomwaffeneinsatz üben, gegebenenfalls auch real abwerfen.

Entgegen den Behauptungen unserer Regierung bringt diese atomare Aufrüstung mehr Unsicherheiten statt Sicherheit. Letztlich kann diese Aufrüstung sehenden Auges in ein atomares Inferno führen. Die kritische Atomwissenschaftler sind sich einig, dass wir seit Hiroshima noch nie so nah an einem neuen atomaren Inferno standen wie heute. Die Vorstellung mancher Militärs und Politiker, einen begrenzten Atomkrieg zu führen, ist irreal und gefährlich. Schon in der Vergangenheit hat die atomare Abschreckung nicht funktioniert und schon mehrmals die Welt an den Rand des Abgrund eines Atomwaffeneinsatzes geführt. Im Zeitalter künstlicher Intelligenz, gekündigter Abrüstungsverträge, zunehmender Spannungen zwischen den wichtigsten Atommächten und einer größeren Verletzlichkeit unserer Gesellschaften ist ein solches Konstrukt heute absolut obsolet.

Unsere Regierung wird nicht müde zu behaupten, sie müsse diesen Weg der atomaren Aufrüstung gehen, um nicht erpressbar zu werden. Nicht erpressbar wird man aber, wenn man ernsthafte Angebote der Abrüstung macht und diese auch in glaubhafte Politik umsetzt. Ein wichtiges Instrument dazu ist der UN-Atomwaffenverbotsvertrag. Diesen Vertrag haben bisher 98 Staaten unterzeichnet und 70 Staaten ratifiziert. Damit wollen sie sich aus der atomaren Geiselhaft befreien. Zustande gekommen ist dieser Vertrag durch eine aktive weltweite Zivilgesellschaft, die die nicht zu akzeptierenden humanitären Folgen eines Atomwaffeneinsatzes hinnehmen will. Das gibt Hoffnung!

Wir alle müssen unsere Aktivitäten von unten intensivieren. Schon einmal hat die weltweite Zivilgesellschaft ihre Regierungen dazu gebracht, ihre atomare Aufrüstungspolitik zu ändern. Es wird Zeit, dass wir für unser Überleben wieder stärkeren Druck auf unsere Entscheidungsträger machen. Würde Deutschland wie drei andere NATO-Länder diesem Vertrag beitreten oder sich z.B. in Waffenstillstandsverhandlungen im Ukrainekrieg konstruktiv einbringen – dann wären wir schon einen Schritt weiter zu mehr statt zu weniger Sicherheit. Wenn wir dann diese eingesparten finanziellen, materiellen und mentalen Ressourcen für den gerechten Ausgleich im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels einsetzen könnten, würden wir noch mehr Sicherheit erreichen. Vielleicht kämen wir als Gesellschaft endlich zu dem Schluss, dass nur eine zivile Konfliktlösung und Verhandlungen unser aller Überleben sichert, alles andere letztlich nur in Tod und Zerstörung endet, wie wir es zur Zeit wieder erleben.

Wie der berühmte Wissenschaftler und Atomwaffengegner Alber Einstein prophezeite: “Entweder schaffen wir die Bombe ab oder die Bombe schafft uns alle ab.” Ich danke Euch für Euer geduldiges Zuhören.

 

Ernst-Ludwig Iskenius ist Kinderarzt im Ruhestand und IPPNW-Mitglied.