Redebeitrag für den Ostermarsch Rhein-Ruhr in Dortmund am 1. April 2024

 

- Sperrfrist: 01.04., Redebeginn: ca. 13.30 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

Antifaschismus und Friedenskampf gehören zusammen. Denn Faschismus heißt Krieg. Damals wie heute. Auch die Nazis von heute haben nichts anderes als Krieg, Leichenberge und Blutbäder im Kopf. Das können sie nicht verbergen. Da können sie noch so viel Kreide fressen und noch so wehleidig aufheulen, dass man sie noch nicht einmal bei „privaten Treffen“ unbemerkt den Rassenkrieg planen lässt.

Wieso „Rassenkrieg“? Es ging doch bloß um „Remigration“. Ist das nicht etwas ganz anderes? Man kann Worte und Unworte nicht nur mit anderen Worten erklären, sondern auch durch Taten: Am 15. März 2019 verübte der australische Neonazi Brenton Tarrant ein Attentat auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch. Er ermordete 51 Menschen im Alter von drei bis 71 Jahren. 50 weitere Menschen wurden -zum Teil schwer – verletzt.

Kurz vor seiner Tat stellte Tarrant ein Pamphlet ins Netz mit dem Titel: „Der große Austausch“. Die Lüge vom großen Austausch ist die aktuelle Naziversion der jüdischen Weltverschwörung. Dieses Mal sollen die Juden schuld an den weltweiten Migrations- und Fluchtbewegungen sein. Das angebliche Verschwörungsziel ist die „Überfremdung“ der „weißen Vorherrschaft“. Diese eingebildete Verschwörung treibt eingebildete Herrenmenschen zu unfassbar brutalen Taten. Nicht nur in Christchurch – auch in Halle und Hanau.

Brenton Tarrants mörderischer Rassenwahn ist nicht auf seinem eigenen Mist gewachsen. Seine unfassbare Bluttat wäre auch für ihn selbst undenkbar geblieben – ohne inspirierende Vorbilder wie den norwegischen Massenmörder Anders Breivik und – inspirierende Vordenker wie den österreichischen Laptop-Täter Martin Sellner. Im März 2018 - ein Jahr vor dem Attentat - zeigte sich Tarrant bei Sellner mit einer Spende von 1500,- Euro für seine ideologische Inspiration erkenntlich.

Nach dem Attentat bestritt Sellner außer einer Dankesmail jeglichen weiteren Kontakt zu Tarrant. Das war glatt gelogen. Der sichergestellte Mailverkehr spricht für sich. Eine Mail von Tarrant endet mit dem Aufruf: „Keep on fighting the good fight!“ Sellner antwortete dem werdenden Massenmörder: „It’s great to see our unity in this time of danger.“

Die aufgedeckte „unity“ mit dem Christchurch-Attentäter führte bereits 2019 zum Einreiseverbot für Sellner in die USA und nach Großbritannien. Sein Einreiseverbot nach Deutschland erfolgte erst jetzt nach der öffentlichen Empörung über seinen Remigrationsvortrag auf dem Potsdamer Geheimtreffen. Wenn das Verbot Bestand hat, bleibt uns Sellner in Dorstfeld erspart. Sein Verleger ,Götz Kubischeck, war schon da – am 19. Januar 2024.

In Dorstfeld begegnete Kubischeck dem „freundlichen Gesicht des Nationalsozialismus“. So nennt sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich selbst. Er hat sich mit seinem Wahlkreisbüro in Oberdorstfeld , im Iggelhorst 23, eingenistet. Dort fand das Treffen mit Kubischeck statt. Dazu eigeladen hatte auch der AfD-Jugendverband, Die Junge Alternative. Ihr Landesvorsitzender Felix Cassel und sein Stellvertreter Nils Hartwig nahmen an dem Treffen teil.

Das Treffen war geheim. Der „vertraulichen“ Einladung ist zu entnehmen, dass es darum gehen sollte, wie mit den Wahlsiegen der AfD – Zitat – „eine patriotische Erneuerung unserer Verhältnisse in die Wege geleitet werden“ könne. Man wollte -Zitat- „über die Bedingungen und das Wesen einer Wende“ nachdenken. Dürfen wir das so verstehen, dass da 11 Tage vor dem 30. Januar über „Machtergreifung“ sowie politische und ethnische „Säuberungen“ schwadroniert wurde? Ja, das dürfen wir.

Matthias Helferich ist der einzige fraktionslose AfD-Abgeordnete. Für die AfD-Bundestagsfraktion ist er -man höre und staune – zu rechtsextrem. Für die AfD-NRW ist er nicht zu rechtsextrem. Auf dem letzten Landesparteitag in Marl, im Februar 2024, ist Helferich in den Landesvorstand gewählt worden. Diese Wahl ist ein klares Signal: Die AfD-NRW will endlich auch als gesichert rechtsextrem eingestuft werden!

Der Jugendverband Junge Alternative ist bereits bundesweit als gesichert rechtsextrem eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Einstufung bestätigt. Die J(ott) A ist keine Parteigliederung, sondern ein eingetragener Verein. Für ein Verbot fehlt eigentlich nur noch die Zustimmung der Innenministerin. Sehr geehrte Frau Fazer, sagen Sie „ja“ zum Verbot der J(ott) A!

Matthias Helferich ist übrigens zugelassener Rechtsanwalt. Als solcher ist er auf die „verfassungsmäßige Ordnung“ der Bundesrepublik Deutschland vereidigt. Sein Eid auf unsere Verfassung ist der blanke Hohn! Helferichs erklärtes juristisches Vorbild ist nämlich Roland Freisler. Roland Freisler war Hitlers höchster Richter. Als Präsident des sogenannten „Volksgerichtshofs“ war er für etwa 2600 Todesurteile verantwortlich. Außerdem war Freisler einer von 15 Teilnehmern der Wannseekonferenz. Auf diesem Geheimtreffen wurde die Deportation und die Ermordung der Jüdinnen und Juden Europas geplant. Ein Jurist, der sich solch einen Massen- und Völkermörder wie Roland Freisler zum Vorbild nimmt, ist eine Schande für den Rechtsstaat. Solch einem furchtbaren Juristen gehört die Zulassung entzogen!

À propos Schande für den Rechtsstaat: Vor kurzem hat der Verfassungsschutz erkannt, dass er die Verfassung vor dem eigenen langjährigen Chef Hans-Georg Maaßen schützen muss. Die Erkenntnis ist richtig, aber bemerkenswert spät. Eigentlich hätte Maaßen schon vor über 20 Jahren unmissverständlich klargemacht werden müssen, dass die unantastbare Würde des Menschen auch für einen Menschen mit dem Vornamen Murat gilt. Ich spreche von der Würde des Murat Kurnaz.

Die Würde des Murat Kurnaz: Im November 2001 wurde der 19-jährige Bremer Murat Kurnaz in Pakistan von sogenannten Sicherheitskräften gekidnappt und für ein Kopfgeld von 3000 Dollar an die US-Streitkräfte in Afghanistan verkauft. Von ihnen wurde er zunächst bei Kandahar und dann in Guantanamo gefangen gehalten – und gefoltert: Unter anderem durch den Entzug von Sauerstoff bis zur Bewusstlosigkeit. Nach einem halben Jahr gelangten die US-Verhörspezialisten immer mehr zu der Auffassung, dass sich aus Murat Kurnaz tatsächlich keine belastenden Informationen herausfoltern ließen. Im September 2002 überzeugten sich dann auch drei eigens nach Guantanamo eingeflogene deutsche Verhörspezialisten vom BND und dem Verfassungsschutz von seiner Unschuld. Dennoch musste Murat Kurnaz noch fast vier weitere Jahre – bis zum August 2006 – in Guantanamo leiden. Seine Haftbedingungen waren -laut Amnesty international – „würdelos bis zum Ende“.

Die Bundesrepublik Deutschland hätte Murat Kurnaz dieses jahrelange Leiden ersparen können. Aber sie verweigerte ihm die Heimreise. Mit folgender Begründung: Er, Murat Kurnaz, habe seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland verfallen lassen, weil er sich länger als sechs Monate im Ausland aufgehalten hatte, ohne die zuständigen Behörden zu informieren. Der furchtbare Jurist, der diese Begründung verbrochen hat, war Hans-Georg Maaßen in seiner damaligen Funktion als Leiter des Referats „Ausländerrecht“ im Innenministerium.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Auf dieses antifaschistische Grundprinzip sind alle Beamtinnen und Beamten der Bundesrepublik Deutschland vereidigt. Ein Beamter, der vorsätzlich Artikel 1 des Grundgesetzes mit Füßen tritt, gehört gefeuert und nicht befördert! Wenn so einer zum obersten Verfassungsschützer aufsteigt, dann droht die Perversion des Rechtsstaats in einen Rechts-Staat, der nicht mehr von Recht, sondern von rechts kommt. Und wir müssen uns fragen: Wer schützt eigentlich unsere Verfassung vor ihren angeblichen Schützern?

Maaßens aufhaltsamer Aufstieg ist leider kein Einzelfall. Der politisch Hauptverantwortliche im Fall Kurnaz ist heute unser Bundespräsident. Dennoch will ich Steinmeier ausdrücklich nicht mit Maaßen auf eine Stufe stellen. Bei Steinmeier habe ich die Hoffnung, dass er es irgendwann doch noch schafft, sich bei Murat Kurnaz zu entschuldigen.

Hans-Georg Maaßen scheint dagegen wirklich ein hoffnungsloser Fall von gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit zu sein. Am 11. November 2023 erschien in der Weltwoche ein Artikel von ihm mit der Überschrift „Chemotherapie für Deutschland“. In diesem Artikel vergleicht Herr Maaßen allen Ernstes Millionen von Menschen, die er überhaupt nicht kennt und die ihm irgendwie „kulturfremd“ vorkommen, mit Krebszellen. Dazu fällt mir nichts mehr ein – außer einer Frage: Hat Herr Maaßen bei seiner völkischen „Chemotherapie für Deutschland“ auch an die Chemikalie Zyklon B gedacht?

Politiker, die selbstherrlich andere Menschen zu tödlichen Krankheiten erklären, sind Verbrecher. Und damit meine ich namentlich nicht nur den völkischen „Chemotherapeuten“ Maaßen, sondern auch den demagogischen „Wundbrandt“-Heiler Björn Höcke, der in diesem Jahr Ministerpräsident von Thüringen werden will. Völkische Deutschland-Heiler mit größenwahnsinnigen Blutbadfantasien kann und darf sich unser Land nie wieder leisten. Das sind wir uns und unserer Geschichte schuldig.

Im Geltungsbereich des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar. Die Beamtenpension von Herrn Maaßen ist es nicht. Warum legt er sich nicht einfach selbst in die soziale Hängematte unseres angeblich „neosozialistischen Gesellschaftssystems“. Ahnt er, dass das „üppige Bürgergeld“ vielleicht gar nicht so üppig ist? Wie dem auch sei: Wir müssen uns um Hans-Georg Maaßen keine Sorgen machen. Selbst wenn am Ende seines Bürgergelds noch ein bisschen Monat übrig sein sollte. Denn dann kann er immer noch seine Gönnerin, Gloria von Thurn und Taxis fragen, ob sie noch eines ihrer 500 Zimmer für ihn frei hat.

Für offenkundige Faschisten wie Björn Höcke hat unser -jawohl antifaschistisches – Grundgesetz die Einschränkung der Grundrechte vorgesehen. In Höckes Fall ist es höchste Zeit für den Entzug des passiven Wahlrechts. Das beste Mittel gegen faschistischen Größenwahn ist kalter Machtentzug. Das klingt hart. Aber es hilft. Auch dem Betroffenen, der sich fragen kann: Gibt es ein Leben jenseits von Hass, Hetze und Gewalt? Und wenn ja, was kann ich daraus machen? Vielleicht kann sich ja auch ein Björn Höcke neu erfinden. Nur eines muss klar sein: Ein Politiker, der nicht davor zurückschreckt, mit einer SA-Parole Wahlkampf zu machen, der kann keinem Kind als Geschichtslehrer zugemutet werden.

Integration kann auch scheitern. Und der Versuch, die schon vor Jahrzehnten verbotene Borussenfront unter immer neuen Decknamen hier in Dorstfeld zu integrieren, ist gescheitert. Wann wird das endlich mal begriffen? Vieles von dem, was hier in Dorstfeld geschieht und geduldet wird, erinnert fatal an die sogenannte „akzeptierende Sozialarbeit“ mit Nazis beim Thüringer Heimatschutz, aus der dann der NSU, der Nationalsozialistische Untergrund, hervorging. Und wer meint, ein derartiges Konzept könnte in Dorstfeld funktionieren, der sollte das bitteschön einmal der Familie Kubasik erklären!

Als die NSU-Morde noch Döner-Morde genannt wurden, gab es eine SOKO-Bosporus. Wenn es damals auch eine SOKO-Dorstfeld gegeben hätte, könnte Mehmet Kubasik vielleicht heute noch leben. Wer weiß? Das von Kanzlerin Merkel gegebene Versprechen einer „lückenlosen Aufklärung“ ist bis heute nicht eingelöst. Das ist kein Wunder angesichts einer Aufklärungsarbeit, zu der auch das Schreddern von Akten und die Vernichtung von Beweismitteln gehörten. Bemerkenswert bleibt auch das gehäufte Auftreten einer Krankheit, die man wohl den „plötzlichen Zeugentod“ nennen muss. Aber soviel ist klar: Das sogenannte „Terror-Trio“ konnte auf ein großes Unterstützerumfeld zurückgreifen. Über 70 Personen aus diesem Umfeld haben wir mit unseren Steuergeldern bezahlt.

Sehr geehrte Beamtinnen und Beamte der Polizei. Wie Sie wissen, macht der braune Terror auch vor Ihnen nicht Halt. Ich erinnere nicht nur an den besonders unaufgeklärten Fall Ihrer ermordeten Kollegin Michèle Kiesewetter. Ich möchte Sie auch herzlich dazu einladen, sich an der nun folgenden Schweigeminute zu beteiligen für Ihre von dem Dortmunder Neonazi Michael Berger am 14. Juni 2000 ermordete Kollegin Yvonne Hachtkemper sowie Ihre Kollegen Thomas Goretzky und Matthias Larisch von Woitowitz

Ich bitte um eine Gedenkminute für Yvonne Hachtkemper, Thomas Goretzky und Matthias Larisch von Woitowitz

Ich bedanke mich und komme zum Schluss:

Nach Bergers Mordtat verwüsteten die Dortmunder Nazis den Gedenkort in Brackel und verbreiteten Aufkleber mit der Aufschrift: „Berger war ein Freund von uns. 3:1 für Deutschland. Für die Dortmunder Naziszene ist ein getöteter Polizist ein Tor für Deutschland!

Auch das dürfen wir niemals vergessen!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

 

Helmut Manz ist aktiv veim Bündnis "Dortmund gegen rechts".