Redebeitrag für den Ostermarsch in Ausgburg am 30. März 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Recht auf Verteidigung?

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
auf dem nächsten Planeten, den der kleine Prinz besuchte, wohnten zwei Feinde. Sieh da, ein Verbündeter, sagten sie beide. Du wirst mir bei meiner Verteidigung helfen. – Oh, meine Rose hat dafür ihre drei Dornen. – Der andere beschießt mich aber; es ist schrecklich! – Und du? – Ich muss natürlich zurückschießen. – Könnt ihr nicht miteinander sprechen? – Der andere will nicht! – Seid ihr vielleicht beide ein bisschen dumm? fragte der kleine Prinz und reiste schnell weiter.

Das Recht auf Selbstverteidigung eines Landes scheint unumstritten. In der UN-Charta ist es garantiert ebenso wie in der kirchlichen Lehre vom „gerechten Krieg“. Seit dem 27. Februar 22, spätestens aber seit dem 8. Oktober 23 wissen wir genau, was es bedeutet. Warum bei dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober mehr als 1200 Menschen sterben mussten, wissen wir nicht. Aber wir wissen, was seit dem 8. Oktober passiert ist. Um sich gegen den Angriff vom 7. Oktober zu verteidigen, hat die israelische Armee systematisch den größten Teil der Wohnungen und der Infrastruktur von mehr als 2 Millionen Menschen zerstört und mehr als 30 Tausend von ihnen umgebracht, die Verletzten, die keine Versorgung mehr finden, und die Verhungernden, denen die Mittel zum Leben genommen wurden, noch gar nicht gezählt. Das braucht Israel für seine zukünftige Sicherheit.

Das Recht auf Verteidigung ist das unbeschränkte Recht auf Angriff gegen den Angreifer. Dass jedes Recht seine Grenze hat, wo Rechte anderer verletzt werden, gilt nicht. Auch das mosaische Gesetz „Auge um Auge“ ist außer Kraft; stattdessen gilt das Gesetz des Lamech, eines Verwandten Kains: „Ja, einen Mann erschlage ich für meine Wunde, und ein Kind für meine Strieme“ (Gen.4,23).

Alle halten das Recht auf Verteidigung für Gott-gegeben, und wir müssen es mit Waffenhilfe und Wirtschaftsboykott durchsetzen. Auf Jesus von Nazareth können wir uns dabei leider nicht berufen: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge gegen Auge und Zahn gegen Zahn. Ich aber sage euch, nicht zu widerstehen dem Bösen“ (Mt.5,39). Ein ungeheurer Satz!

Das Nicht-Widerstehen ist ein Ausbuchstabieren des Gebots DU SOLLST NICHT TÖTEN. Es ist kein Erleiden oder sich Beugen, sondern eine aktive Veränderung der Konfliktsituation. Das zeigen die Beispiele, die Jesus nennt. Jedesmal fällt das Opfer „aus der Rolle“ und reagiert unerwartet: Ich lasse mich von dir nicht erniedrigen. Würde ich Dich bekämpfen oder beschimpfen oder weglaufen, bestätigte ich dich in Deiner Rolle als Unterdrücker. So aber gebe ich dir die Möglichkeit, mich als Person, als Mitmenschen wahrzunehmen und damit dein Denken zu verändern.

Im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg las ich von einem Theologen die Bemerkung, es gelte nicht nur das Gebot „Du sollst nicht töten“, sondern auch „Du sollst das Töten nicht zulassen“. Damit wollte er allen Ernstes die Waffenhilfe für die Ukraine ethisch begründen, die doch genau das Töten zum Ziel hat! Auch die mächtigsten Menschen der westlichen Welt können dieses Töten nicht beenden, solange sie nicht mit dem „Feind“ sprechen. In Konfrontation können sie es nur ungeheuer verschlimmern, von einigen Tausend zu Beginn auf etliche Hunderttausend bis jetzt.

Unsere heutige Welt ist geprägt von Politikern und Medien, deren Denken nicht vom Willen zum Frieden bestimmt ist, sondern vom Willen zum Sieg über den „Feind“. Wir waren schon einmal viel weiter. Hannes Gronninger drückt unsere ganze Verzweiflung darüber in seinem Grußwort für unseren kürzlich verstorbenen Freund Peter Feininger aus:

Schade, dass du gehen musst, lang schon vor der Zeit.

Ja, wir hätten dich doch so gebraucht, in dieser schweren Zeit. In einer Zeit, wo nichts mehr so ist, wie es mal war, nichts, wie wir es uns „erkämpft“ haben, nichts, wo wir doch viel verbessern wollten. Nichts ist geblieben von unseren Hoffnungen auf eine friedliche Welt, auf eine gerechtere Welt, auf eine menschlichere Welt.

Am Ende deines engagierten Lebens hast du auf die Trümmer unserer Hoffnung geschaut.

Hast dich aus dem Staub gemacht,
hast die letzten Kräfte für dich gebraucht.

Hast uns zurück gelassen.

Hast uns aber gezeigt, hast uns ermutigt, dass auch wir „kämpfen“ können / müssen um zu uns selber sagen zu können, wir haben unser Möglichstes getan. Ganz herzlichen Dank für deine Inspiration und deine Hilfe.

Ich möchte ein Wort hinzufügen: nicht nur um unser Möglichstes zu tun, sondern einfach, um unserer Menschlichkeit treu zu bleiben. Lasst uns für die Wahrheit einstehen (Satyagraha) und das Böse nicht zuerst im Anderen, im Gegner, sondern zuallererst in uns selbst und auf unserer eigenen Seite wahrnehmen und bekämpfen; die Muslime nennen das den „großen Dschihad“. Meinen Dank und meine Hochachtung für alle, die diesen Kampf zu führen versuchen. Danke, Hannes, danke, Peter!

Danke an Euch alle.

 

Jost Eschenburg ist aktiv bei pax christi in Ausgburg.