Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Bielefeld am 30. März 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Genossinnen und Genossen,

wir leben in "Wendezeiten". Wer erinnert sich an die geistig-moralische Wende von Helmut Kohl?

Damit wurde die neoliberale Ära in Deutschland eingeläutet, deren schlimmster Ausdruck in Form der Schuldenbremse in der Verfassung verankert wurde.

Vor zwei Jahren verkündete Olaf Scholz die "Zeitenwende" und rechtfertigte damit das 100 Mrd. Sondervermögen für die Aufrüstung, um Deutschland wieder "kriegstauglich" zu machen. Und nun fordert Christian Lindner die "Sozialstaatswende". Damit kündigt er massive Kürzungen des Sozialstaats an.

Schon im aktuellen Haushaltsentwurf sind massive Kürzungen vorgenommen worden. Versprochene Entlastungen blieben aus. Wo ist denn das Energiegeld, das die steigenden Preise der CO2-Abgaben kompensieren soll?

Warum wird beim Wohngeld gekürzt?

Und wo bleibt denn die Kindergrundsicherung im Kampf gegen Kinderarmut?

Liebe Freundinnen und Freunde, wer über Nacht 100 Milliarden für die Bundeswehr aufbringen kann, der kann auch den Nah- und Fernverkehr ausbauen, pünktlicher und verlässlicher machen. Er kann den ökologischen Umbau der Industrie unterstützen. Er kann unsere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen vernünftig finanzieren. Er kann Menschen eine zukunftssichere Rente gewährleisten.

 

Liebe Freundinnen und Freunde, Deutschland hat kein Finanzierungsproblem. Es hat ein Regierungsproblem.

Warum werden aber all diese notwendigen Investitionen nicht vorgenommen? Die Schuldenbremse ist doch nur ein Vorwand. Es gibt genug Möglichkeiten, sie zu umgehen, man muss es nur wollen. Aber man hält trotzdem daran fest. Warum?

Ziel von Linders "Sozialstaatswende" sind massive Kürzungen im Sozialetat mit dem Ziel, die "Arbeit" für das Kapital billiger zu machen. Sozialausgaben und Lohnnebenkosten sollen gesenkt werden, um die Profitrate für Unternehmen zu erhöhen.

Eine notwendige Bedingung dieser Sozialstaatswende ist jedoch eine Zeitenwende. Mit Zeitenwende ist die unumstößliche Akzeptanz der Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit gemeint. In Kombination mit dem religiösen Glauben an die Schuldenbremse entsteht dadurch ein giftiger Cocktail gegen den Sozialstaat und die Gewerkschaften.

Aktuell wird die Debatte geführt, wie das 2%-Ziel für die Aufrüstung nach dem Auslaufen des Sondervermögens finanziert wird. Scholz hat klar gemacht, dass dieses Ziel unumstößlich ist und aus dem Haushalt finanziert wird. Wenn die Schuldenbremse eingehalten wird, führt dies sehr wahrscheinlich zu neuen Verteilungsauseinandersetzungen.

Findige Grüne und Sozialdemokraten fordern daher eine Reform der Schuldenbremse, damit man aufrüsten kann, ohne die Sozialausgaben zu kürzen. Und da frage ich mich liebe Freundinnen und Freunde, wie naiv man sein kann?! Wer so etwas fordert, hat leider nichts verstanden.

Gerade die Kombination von Schuldenbremse und Aufrüstung bietet Lindner und seinen Spießgesellen einen nie dagewesenen Vorwand, um die Lohnnebenkosten und die Steuerbelastungen für das Kapital zu senken. Das ist gerade der Sinn der "Sozialstaatswende". Sie funktioniert nur, wenn sowohl die Schuldenbremse als auch die Zeitenwende unangetastet bleiben.

Wenn wir also die Sozialstaatswende verhindern wollen, müssen wir als Friedensbewegung die Schuldenbremse ebenso sehr bekämpfen wie die Zeitenwende!

Vielen Dank.

 

Onur Ocak ist aktiv für die Partei Die Linke in Bielefeld.