Redebeitrag für den Ostermarsch in Kamenz am 1. April 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreunde,

stolz und bewusst bekennen wir, die wir heute wieder hier versammelt sind, uns zum Frieden. Damit bewegen wir uns allerdings am unteren Ende der Aufmerksamkeitsskala der Politik. Die Friedensbewegung mit ihren Überlegungen und Forderungen wird als überholt, als traumtänzerisch, als uneinig und gar als „rechtsunterwandert“  hingestellt...

Vieles ist der Politik und der medialen Öffentlichkeit derzeit wichtiger als unser Wunsch nach Frieden und unsere Forderungen nach diplomatischen Lösungen von Konflikten und Kriegen, egal, um welchen Konflikt auf der Welt es sich handelt – und davon gibt es derzeit viele... Vor zwei Jahren formierten sich hier in Kamenz auf dem Markt Menschen, die erschüttert waren vom Überfall der russischen Armee auf die Ukraine, weil man sich dort nicht über politische Ausrichtungen im Inneren, zwischen den beiden Staaten und zu  Menschenrechtsfragen verständigen konnte.

Man kann also sagen: Seit dem Beginn des Russland-Ukrainekrieges gibt es uns als Friedensbündnis zum Beispiel hier in Kamenz, und wir merkten bisher nicht all zu viel mediales Interesse an uns und am Thema Frieden.

Am Thema Krieg allerdings schon, wie wir es stündlich aus Funk, Fernsehen und Presse erfahren.

Wir vermissen ernsthafte Bemühungen beider Konfliktparteien, aber auch der weltweiten Diplomatie, diesem unsäglichen Leiden und Sterben auf beiden Seiten der Front, dieser Materialschlacht und der Vernichtung wertvoller Güter ein Ende zu bereiten.

Wir haben den Eindruck, dieser Krieg hier in Europa ist der Politik in vielerlei Hinsicht eine willkommene Basis für einen ordentlichen Aufschwung in Richtung Mobilisierung und Aufrüstung.

Und damit können und wollen wir uns nicht einverstanden erklären! Die Rüstungsetats werden überall aufgestockt. Kriegstüchtig statt kriegsmüde sollen wir werden, mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht ist zu rechnen, Schutzräume sind wieder ein Thema, Zivilschutzthemen an Schulen sollen in die Lehrpläne integriert werden …..

Pistorius jubelt über einen „historischen Moment“, weil Frankreich und Deutschland ein neues „Rüstungsprojekt der Zukunft“  gemeinsam auf den Weg bringen: Der Kampfpanzer SMART der Zukunft rettet den Frieden...(???),

Regierungsvertreter Deutschlands und Europas suchen verzweifelt nach krummen Wegen, damit der Kanzler nicht wegen der Verweigerung von Taurus-Lieferungen abgekanzelt wird.

Herr Gauck meint, Taurus- Lieferungen würden Deutschland nicht zu Kriegsbeteiligten machen. Überall in der Welt wird Munition aufgekauft, um der Ukraine noch mehr Kanonenfutter zu liefern, wo jeder Schuss ein Vermögen kostet, Menschen vernichtet und die Umwelt zerstört wird.

Wusstet Ihr, dass das Militär weltweit nicht an internationale Klimaabkommen gebunden ist  -  weder hinsichtlich der Produktion noch beim Verbrauch ??? Der Verbrauch von Öl, Benzin und Kerosin zum Betreiben der Luftwaffen, der Panzer und Fahrzeuge bei Manövern und Auslandseinsätzen stieg in den letzten Jahren derart an, dass eine korrekte Erfassung nicht in Ansätzen möglich ist – vielleicht auch nicht gewollt, zumal ja eine Gegenüberstellung mit dem Verbrauch für das Leben auf dieser Erde und der gleichzeitigen politischen Forderung nach Einsparungen an Heizung, Strom und Kraftstoffverbrauch erst deutlich machen würde, in welchem Irrsinn wir uns bewegen.

Und Frau Strack-Zack-Zimmermann als vehemente Gallionsfigur für umfassende Militarisierung soll zur Mobilisierung der EU als künftiges EU-Parlamentsmitglied demnächst für forschen Wind in Brüssel sorgen... „Vorwärts mit Waffen“ - so heißt ja offenbar ihr Lebensmotto.

Die Medien ergehen sich täglich in Kriegsberichterstattungen, ohne jemals die Ursachen oder die Gewinner an Kriegen zu benennen – ganz zu schweigen vom Fehlen der Frage, wie denn aus diesem kriegerischen Dilemma herauszufinden wäre und wer dies tun könnte und müsste – im Interesse der notleidenden Bevölkerung, der Umwelt, des Lebens auf diesem Planeten....

Und wenn es denn einer wagt -  sei es der Papst oder Rolf Mützenich -  Vernunft und Verhandlungen einzufordern, um Kriege zu beenden, weil Außen- und Sicherheitspolitik mehr sein muss als Waffenlieferungen, dann werden sie geächtet und ihre Forderungen in der Öffentlichkeit als negative und wirre Entgleisung dargestellt – sie wüssten nicht, was sie sagen...

Sie werden genauso geächtet und verunglimpft wie ehemalige hochrangige Militärs, die schon lange vor der Zuspitzung der Konflikte in Europa und der Ausweitung der NATO warnten und von der Wahrung der Sicherheitsinteressen Russlands sprachen.

Putinversteher ist ihr neuer Titel. Der kleinliche Streit um das Wort „Einfrieren“ und dessen Deutung ist mehr als lächerlich, denn er ist vorgeschoben. Jeder vernünftige Mensch würde sich fragen, ob man aus dieser Idee etwas entwickeln könnte, das dem Krieg ein Ende gebietet und das allen nützlich ist.

Doch dazu fehlt der Wille. Abwehr nach außen und nach innen statt Suche nach MITEINANDER – auf diesem Entwicklungsstand bewegt sich derzeit die Politik.

Ich habe den Großteil meines Lebens im Kalten Krieg verbracht, bin aber mit dem Lied der Kleinen weißen Friedenstaube groß geworden und mit der Mahnung und Haltung unserer Großeltern und Eltern: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“  Der Friedensgedanke wurde uns zu Hause und in der Schule nahe gebracht und wir verinnerlichten ihn. Für uns war damals Krieg keine Option im Denken. Diese Lockerheit änderte sich mit dem Nato-Doppelbeschluss und der Stationierung weitreichender Atomraketen in Europa und der Welt durch die Nato, worauf der Warschauer Vertrag reagierte und ein Wettrüsten uns in Angst versetzte. Gerade hier von Kamenz, von den Offizieren der OHS LSK/LV wurden in den 80er Jahren Überlegungen in die politischen Ebenen getragen, dass ein Umdenken passieren müsse, weil die Waffenpotentiale zur x-fachen Vernichtung der Welt reichten, uns jedoch der Garantie für einen sicheren Frieden keinen Schritt näher brächten. Jede Waffe birgt Gefahr, weil sie jederzeit zum Einsatz gebracht werden kann. Allein die Produktion solcher Waffen führt zu einem Vielfachen CO2-Ausstoß im Vergleich zu Fahrzeugbewegungen und ist ein wahrer Klimakiller. Ganz abgesehen von den Folgen beim Einsatz.

An diese Zeit vielseitiger und intensiver Verhandlungen, des Abschließens von Verträgen für Frieden und Sicherheit in Europa und der Welt erinnere ich mich noch lebhaft und weiß noch, wie erleichtert wir damals waren, als sich Ergebnisse abzeichneten. Es schien eine Zeit der politischen Vernunft angebrochen zu sein, weil nicht mehr die Rüstungslobby die Politik zu bestimmen schien.

Allerdings: Dabei hätte man aufmerksamer sein sollen und die militärischen Operationen auch in den ferneren Ländern, die Einmischungen, Verdächtigungen, Putschunterstützungen, Söldnerbewegungen und Militärkonflikte in der Welt seitens der USA, aber auch der Nato viel kritischer im Auge behalten müssen.

Die Kriege in Jugoslawien, Irak, Syrien, selbst der sog. „arabische Frühling“ bis hin zu Afghanistan zeigten, dass es weltweit stets um  Interessen ging und geht, die geopolitisch, wirtschaftlich und militärisch determiniert sind. Nichts hat sich mit der Auflösung des Warschauer Vertrages nach der politischen Wende zum Positiven geändert, im Gegenteil.

Ich stimme mit vielen kritischen Bewertern der gegenwärtigen Lage überein, wenn gesagt wird und die erste Überlegung sein sollte: „Wo liegen die Interessen der beteiligten Konfliktparteien, WER ist daran beteiligt? Wo liegen die Ursachen, was ist die Wirkung?“

Und was ist nun daran falsch – wenn man diese Dinge auf den Tisch legt und dann fragt:

Wie kommt man ohne Militär, ohne den Verlust an Menschenleben und Zerstörung aus diesem Interessenkonflikt heraus? Wo bieten sich Ansätze für Gespräche und Verhandlungen? Wie kann ein Kompromiss aussehen?

Darauf gibt es gewiss keine einfache und leichte Antwort, aber auf jeden Fall lohnt es sich, im Interesse der Vernunft und der Zukunft des Lebens auf dieser Erde sich darum Gedanken zu machen und ernsthaft dahingehend zu arbeiten.

Die Friedensbewegung ist sich einig: Ein verhandelter Frieden mit Zugeständnissen auf beiden Seiten ist besser als ein ewig währender Krieg mit Verlusten an Menschenleben, an Kultur, an Infrastruktur, an Umwelt und Menschlichkeit.

Unsere Friedenswünsche beziehen alle kriegerischen Konflikte in ihre Betrachtungen ein. Derzeit sind es mehr als hundert militärische Konflikte weltweit, die natürlich auch eine Ursache für Fluchtbewegungen sind.

Seit Oktober vorigen Jahres gibt es einen weiteren großen Kriegsherd – im Nahen Osten, der uns als Deutsche besonders bewegt, weil unsere historische Verantwortung besondere Sensibilität verlangt.

Doch deshalb ist es wichtig, bei allem Verständnis für Verteidigung nicht aus dem Auge zu verlieren, dass der Grat zwischen Verteidigung und Vernichtung Unbeteiligter schmal ist.

Deshalb tut sich unsere Regierung schwer, nach der Losung „Wir stehen bedingungslos zu Israel“ - dieses Wort „Bedingungslos“ unter völkerrechtlichen Aspekten zu betrachten, wenn eben die Verteidigung nicht Halt macht vor Vernichtung Unschuldiger oder die Rolle der Politik/der Politiker und ihre Interessen nicht hinterfragt wird. Auch und gerade hier ist besonders großes diplomatisches und politisches Geschick gefragt, um eine langfristige Lösung bislang ungeklärter und nicht durchgesetzter Vereinbarungen neu in Angriff zu nehmen. Zuerst aber ist es wichtig, dass auch dort die Waffen schweigen, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Die UN-Resolution aus den letzten Tagen, schwer genug errungen, ist jetzt erst einmal Maßstab und bietet hoffentlich Raum für vernünftige Entscheidungsfindungen.

Die Friedenskooperative in Deutschland, ein Netzwerk regionaler und örtlicher Initiativen im Rahmen der Friedensbewegung setzt sich ein für eine friedliche Welt, eine Welt ohne Atomwaffen, eine gerechtere Welt. Das Kamenzer Friedensbündnis als Teil dieser Bewegung, dieses Netzwerkes will mit Aktivitäten die Politiker unseres Landes auffordern, entsprechend ihrem Eid alles zu tun, damit von unserem Volk Schaden abgewendet wird, was zugleich auch heißt, nicht Konfliktpartei in weltweiten Auseinandersetzungen zu werden oder diese zu unterstützen. Die umfassendste Lösung dafür wäre, sich weltweit für Deeskalation und Abrüstung einzusetzen und das auch im eigenen Land zu realisieren.

Wo es keine Waffen gibt, gibt es weniger scharfe Konflikte. Das wäre die pazifistische Lösung, und sicher ein Traum, um den es sich aber zu ringen lohnt. Schritte dahin sind zweifellos die Wiederaufnahme von multilateralen Verhandlungen für Entspannung und Abrüstung, für gegenseitige Respektierung berechtigter Sicherheitsinteressen.

Deshalb sammeln wir heute hier auch Unterschriften gegen das gegenwärtige Gedankenspiel um den Besitz von EU- oder deutschen Atombomben. Und deshalb unterstützen wir und sammeln wir auch noch weitere Unterschriften unter eine Petition der Bautzner Initiative Friedenssuche  - Dazu wird einer der InitiatorInnen – Herr Peter Beer – noch sprechen.

Stehen wir heute und künftig zusammen für Frieden und Abrüstung. Lasst uns stark sein und kämpfen wir darum, dass nicht  eines Tages die Frage steht, die sich „Karat“ schon vor Jahren zu Zeiten des kalten Krieges gefragt haben:

„... wird nur noch Staub und Gestein, ausgebrannt allezeit auf der Erde sein...?“ Ihre Antwort war: „Uns hilft kein Gott, unsre Welt zu erhalten!“ So sehen wir das auch! Deshalb sind wir heute hier!

Vielen Dank.

 

Regina Schulz ist aktiv als Gründungsmitglied des Friedensbündnis Kamenz.