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Redebeitrag für den Ostermarsch in Eggenfelden am 1. April 2024
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe um den Frieden besorgte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
der Philosoph Emmanuel Kant weist in seiner Schriſt „Zum ewigen Frieden auf etwas sehr Wesentliche hin, von dem zurzeit viel zu wenig zu hören und zu lesen ist: ‚Frieden ist kein natürlicher Zustand, sondern er muss gestiſtet werden‘ – Frieden stiſten genau das geschah in der Vergangenheit nicht und geschieht leider auch heute nicht. Wir müssen „kriegstüchtig“ werden gab dagegen unser Verteidigungsminister vor und diese „Denke“ findet große Resonanz bei fast allen im Bundestag vertretenen Parteien, nicht mehr ganz neu leider auch verstärkt bei der ehemaligen Friedenspartei den Grünen! Zugleich zeigen die viel zu sparsamen und kritischen Reaktionen auf die Äußerung von Pistorius, wie sehr sich schon unser Denken in diese Richtung verschoben hat. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass wir heute hier sind, denn: das letzte Mal als Deutschland kriegstüchtig war, ging das für die Menschheit fürchterlich aus! Nein, wir müssen nicht kriegstüchtig werden, wir müssen friedenstüchtig werden. Stattdessen befeuert auch Deutschland munter mit Rekordausgaben des Verteidigungshaushaltes von rund 90 Mrd. Euro das Säbelrasseln – das sind übrigens auch Mrd. von Euro, die für den Umbau unserer Wirtschaſt zu einem naturverträglichen Lebensstil fehlen.
Als Friedensstiſter haben nicht nur die sog. „Bösen“ – aktuell sind das vor allem Russland und die Hamas - versagt, wie es uns Politiker und Medien täglich eindringlich nahelegen. Viel zu kurz kommt dagegen, dass auch die sog. „Guten“, also Amerika und der Westen, ja und auch Israel als Friedensstiſter versagt haben. Und weil das viel zu kurz kommt, möchte ich nur ein paar Beispiele nennen:
- NATO-Osterweiterung: Obwohl es bei der Wiedervereinigung Zusagen des Westens gab, dass sich die NATO bei einem vereinten NATO-Deutschland nicht nach Osten erweitern werde, geschah das Gegenteil. Man stelle sich nur mal vor, der Warschauer Pakt, das Gegenstück zur NATO während des Kalten Krieges hätte sich nicht aufgelöst, sondern seine Gebiete um Mexiko und Kanada erweitert!
- Auch wenn es uns so vermittelt wird: Die weltweiten deutlich über 700 Militärstützpunkte Amerikas verteilt über fast den gesamten Globus kann Russland nicht als Friedensinitiative ansehen, noch dazu, wenn diese Stützpunkte durch die NATO-Osterweiterung immer näher an die Grenzen Russlands heranrücken. Im Gegensatz dazu hat übrigens Russland nur etwas mehr als 10 Militärstützpunkte in anderen Ländern, wobei sich die allermeisten in den angrenzenden Ländern befinden. Wenn wir übrigens schon von einer imperialen Macht sprechen, dann müssen wir bei Amerika anfangen und nicht bei Russland.
- Der Putsch in der Ukraine gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten und einer darauffolgenden, nicht demokratisch legitimierten Übergangsregierung, die einen entschieden pro westlichen Kurs verfolgte. Daraufhin hatten sich dann die heute umkämpſten Gebiete Donezk und Luhansk für unabhängig erklärt. Gegen diese Unabhängigkeitserklärung ging die pro westliche Kiewer Regierung mit aller kriegerischen Härte vor, was bei uns in den Medien kaum Erwähnung fand.
- Zeitgleich mit der NATO-Osterweiterung wurden vom Westen auch mehrere Abrüstungsverträge mit Russland aufgekündigt, ebenfalls keine friedensstiſtende Maßnahme des Westens. Dazu tragen auch die immensen Militärausgaben der NATO-Länder bei, die deutlich über dem 10fachen Russlands liegen.
Nun noch ein paar Gedanken zum Krieg in Israel:
Die Hamas ist wahrlich keine Organisation, die man mögen kann – und doch bekommt sie gerade jetzt nach ihrem grauenhaſten Überfall auf Israel immer mehr Zustimmung unter den Palästinensern. „Wie geht denn das?“ fragen sich zurecht viele Menschen auf der Welt. Erklärt werden kann dies nur, mit der fast aussichtslosen Situation der Palästinenser, und zwar sowohl im größten Freiluſtgefängnis der Welt, dem Gaza-Streifen als auch im Westjordanland. Dort gab es schon vor 20 Jahren 100 000 illegale Siedler, heute sind es bereits 700 000 illegale Siedler, die von israelischen Sicherheitskräſten bestens geschützt werden. Es gibt für die Palästinenser im Westjordanland auch keine Reisefreiheit. Und der sogenannte, wertebasierte Westen schaut zu. Zu Recht fühlen sich die Palästinenser verraten und verkauſt. Nicht nur im Gaza-Streifen, sondern auch im Westjordanland ist das Leben für die Palästinenser ein ständiger Karfreitag. Und warum erlaubt die israelische Regierung unter Netanjahu ausgerechnet der Hamas, dass sie sich finanziell bestens ausstatten kann? Nun, ich denke die Antwort hat Netanjahu schon viele Jahre vor dem schrecklichen Überfall durch die Hamas gegeben: Netanjahu sagte laut der israelischen Zeitung Haaretz sinngemäß, dass man eine „starke“ Hamas brauche. Dies sei der beste Schutz, um eine Zweistaatenlösung zu verhindern! Denn solange die Hamas mit terroristischen Aktionen um sich schlage, so lange kann man Forderungen nach einer Zweistaatenlösung erfolgreich verhindern! Und dies ist auch der Kernpunkt des Konfliktes!
Der 1979 im israelischen Haifa geborene Philosoph Omri Boehm hat vor kurzem auf etwas ganz Entscheidendes hingewiesen, er sagte: Die einzige Möglichkeit, Leben der Menschen auf der einen Seite als unendlich wichtig zu begreifen besteht darin, Leben der Menschen auf der anderen Seite als gleichermaßen unendlich wichtig anzusehen. Das hat Putin nicht begriffen, das haben aber viele amerikanische Präsidenten auch nicht begriffen und das begreiſt heute auch kein Selenskij, keine Hamas und kein Netanjahu! Und offensichtlich begreifen das heute auch so gut wie alle deutschen Spitzenpolitiker, allen voran Annalena Baerbock nicht. Im Spätherbst letzten Jahres, hat sie bei knapp 10 000 toten Zivilisten im Gazastreifen einen Waffenstillstand abgelehnt. Heute sind es über 30.000, (übrigens 3 mal so viele, wie nach 2 Jahren Krieg in der Ukraine), darunter ganz viele Frauen und Kinder – von dem übrigen Leid und der Zerstörung eines ganzen Landes ganz zu schweigen.
Die einzige Möglichkeit, Leben der Menschen auf der einen Seite als unendlich wichtig zu begreifen besteht darin, Leben der Menschen auf der anderen Seite als gleichermaßen unendlich wichtig anzusehen. Und ich sage ergänzend dazu: Die einzige Möglichkeit, diesem Anspruch gerecht zu werden, ist dem größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, den Kriegen, den Karfreitagen unserer Zeit eine Absage zu erteilen und friedensstiſtende Maßnahmen in den Mittelpunkt zu stellen, dass es gar nicht zu Kriegen kommt und: Verhandeln statt schießen!
Sepp Rettenbeck ist aktiv in der Friedensinitiative Rottal-Inn.