Redebeitrag für den Ostermarsch in Siegen am 30. März 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Siegener Mitstreiterinnen und Mitstreiter für den Frieden und die Beendigung der Kriege weltweit!

Ich freue mich, dass auch in diesem Jahr wieder ein breites Bündnis aufgerufen hat, in der Tradition der Ostermärsche für unsere Forderungen zu demonstrieren. Dass heute viele Menschen palästinensischer Herkunft hierher gekommen sind begrüße ich sehr. Der Krieg der israelischen Armee im Gaza-Streifen ist barbarisch, richtet sich auch gegen Frauen und Kinder und hat keineswegs das Ziel, der jüdischen Bevölkerung in Israel zu ermöglichen, in Frieden und Sicherheit zu leben, wie die Regierung Netanjahu vorgibt. Es geht ihr um die Schaffung eines Groß-Israel, das auf Kosten des palästinensischen Volkes errichtet bzw. erweitert werden soll. Die Sicherheit jüdischer Menschen kann niemals mit der Unterdrückung, Vertreibung und teilweise Vernichtung der dort lebenden palästinensischen Bevölkerung erreicht werden. Frieden und Freiheit kann es nur für alle geben. Dazu wird in einer anderen Rede mehr gesagt werden.

Der Ostermarsch 2024 findet in einer brisanten Situation für die ganze Menschheit statt: Sie steht vor nie gekannten Herausforderungen: Die schon begonnene Umweltkatastrophe droht alle menschlichen Lebensgrundlagen langfristig zu vernichten.

Die sozialen Gegensätze spitzen sich zu wie nie zuvor: Während fast 1 Milliarde Menschen hungern oder nicht genügend zu essen haben, beherrscht ein verschwindend kleiner Teil der Menschheit den gesamten Reichtum und nutzt ihn für sein eigenes Profit- und Machtinteresse.

Etwa 100 Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht – und das ist erst der Anfang für eine durch Kriege, Umweltzerstörung und blanken Hunger erzwungene Völkerwanderung nie gekannten Ausmaßes.

Die herrschende Wirtschaftsordnung, ich nenne sie Kapitalismus und Imperialismus, die auf stetiges Wachstum, Plünderung aller Reserven des Erdballs und unumschränkte Konkurrenz um alle Rohstoff- und Profitquellen aufbaut, gerät an ihre Grenzen: Geht es so weiter, wird die Menschheit in der Barbarei untergehen.

Für uns alle müsste eigentlich klar sein, was diese Herausforderungen für alle Staaten, alle Regierungen, alle Menschen dieser Welt bedeuten müssten: Doch wohl die Konzentration aller Mittel auf die Verhinderung der Umweltkatastrophe und des unendlichen Leidens der Hungernden, Herstellung von sozialer Gerechtigkeit, Umbau der Volkswirtschaften zu einer umweltgerechten Kreislaufwirtschaft, die auf regenerativen Energien aufbaut. Und dazu internationale Zusammenarbeit und Solidarität, wie es dringend und unabdingbar  wäre.

Den Glauben daran, dass ausgerechnet der Kapitalismus seine von ihm selbst geschaffene Katastrophe beenden würde, sollten wir alle dabei begraben.

Betrachten wir nämlich die tatsächlichen Handlungen der Regierenden und lassen für einen Augenblick mal ihre Sonntags-Reden weg, sehen wir: das Gegenteil ist der Fall. Verstärkung der Konkurrenz aller führenden Mächte bis hin zu Kriegen, zu gigantischer Aufrüstung, unverantwortlicher militaristischer Propaganda und Vorbereitung auf einen atomar geführten III. Weltkrieg – das scheint der „Ausweg“ dieser Mächte aus der von ihnen hervorgerufenen Krise zu sein. Dabei scheinen sie keinerlei Skrupel zu haben, jedes Verbrechen an der Menschheit zu verüben: Im Ukraine – Krieg, der sich in einer ähnlichen Sackgasse wie der I. Weltkrieg befindet – wird ein Regiment nach dem anderen in die Schlachten geschickt, damit sie in kürzester Zeit verbluten. Statt diesen wahnsinnigen Krieg zu beenden, diskutieren die Regierenden in Russland und der Ukraine, wie sie neue Rekrutierungen durchführen können, während auf beiden Seiten die Kriegsmüdigkeit zunimmt und Tausende davor fliehen, an der Front verheizt zu werden. Die NATO verspricht sogar, die Ukraine „bis zum Sieg“ zu unterstützen. Wenn es etwas gibt, was in diesem barbarischen Krieg in die Zukunft weist, dann sind es bestimmt nicht immer neue Waffenlieferungen, Drohungen mit Massenvernichtungswaffen, Zwangsrekrutierungen und Hochfahren der Rüstungsproduktion auf beiden kriegsführenden Seiten. Für mich ist es diese Kriegsmüdigkeit, das teilweise organisierte Verstecken der jungen Menschen, die an die Front geschickt werden sollen, die verzweifelten Kämpfe von Müttern, die ihre Söhne und Töchter nicht für diesen Wahnsinn hergeben wollen. Ich sah ein Video, wo ukrainische Mütter auf Uniformierte einschlugen, die ihre Söhne aus einem Auto herausziehen wollten, um sie zur Armee zu bringen. Ich las Texte von Organisationen aus der Ukraine und Russland, die sich versprachen, sich gegenseitig in ihrem Kampf gegen diesen Krieg zu unterstützen. Viele von Ihnen werden sagen, das seien Einzelbeispiele, ich selbst kann Ihnen tatsächlich nicht sagen, wie weit sich dieser Widerstand auf beiden Seiten entwickelt hat. Antikriegsproteste werden auf beiden Seiten brutal unterdrückt, Tausende wurden verhaftet und sind heute im Gefängnis. Es wäre aber mal an der Zeit, dass unsere Medien darüber informieren statt ihre Sendungen und Zeitungsblätter mit Taurus-Debatten zu füllen.

Die Bundesregierung und die CDU-Opposition überbieten sich mit immer neuen Aufrüstungsfantasien und fordern, Deutschland müsse wieder „kriegstüchtig“ werden.

Entschieden müssen wir diesem Kurs entgegentreten. Auf dem Flugblatt unserer Friedensgruppe „Stoppt den Krieg“ haben wir die Forderungen zusammengefasst, die wir heute im Friedenskampf für besonders wichtig halten. Ich will sie jetzt nicht wiederholen, Ihr könnt sie nachlesen.

Aber mir ist folgendes wichtig: Wir fordern das nicht, weil wir glauben, irgendwie müssten und könnten sich die Regierenden und die eigentlich Herrschenden doch endlich einigen, könnten einsehen, dass sie von ihrem menschheits-gefährdenden Kurs abgehen müssten. Wir sehen, dass sie nicht im Sinne des Friedens handeln, sondern Kriege vorbereiten, um dahinterstehende ökonomische und geopolitische Interessen durchzusetzen. Deshalb müssen wir unseren Forderungen auf der Straße Nachdruck verleihen. Es braucht weltweit einen gemeinsamen Kampf gegen die Profiteure der Kriege und keinen Kampf zwischen den Völkern! Frieden und Freiheit für alle unterdrückten Völker!

Ich möchte enden mit den berühmten Sätzen von Berthold Brecht: Nehmt ihnen die Welt aus der Hand, eh´sie verbrannt! Reden erst die Völker selber, werden sie schnell einig sein!

 

Traugott Nassauer ist aktiv im Bündnis "Stopptdenkrieg".