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Redebeitrag für die Demonstration "Atomkriegsmanöver 2023 absagen!" am 14. Oktober 2023 in Nörvenich
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Freunde,
der Krieg in der Ukraine hat die gefahr eines Atomkriegs dramatisch erhöht. Obwohl die NATO behauptet, dass die nukleare Abschreckung für unsere Sicherheit sorgt, sind Länder, die an der nuklearen Teilung beteiligt sind, potenzielle Ziele, wenn es zu Atomkrieg kommt. Das ist übrigens einer der wichtigsten Gründe, warum wir einen Waffenstillstand und diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges brauchen.
Mein Land, Belgien, ist eines der fünf europäischen Länder, die US-Atombomben auf ihrem Boden haben. Die Atomwaffen wurden Anfang der 1960er Jahre im Rahmen eines geheimen Abkommens zwischen Belgien und den USA stationiert. Seitdem weigert sich die Regierung das Vorhandensein von Atombomben in Belgien zu bestätigen und blockiert so jede normale parlamentarische Debatte.
Heute sind auf dem belgischen Luftwaffenstützpunkt Kleine Brogel schätzungsweise 10 bis 20 US-Atombomben vom Typ B61 gelagert. Belgischen Kampfjets sind wie in Deutschland für den Einsatz dieser Atombomben im Krieg zuständig. Diese Bomben werden demnächst durch neue B61-12-Atombomben ersetzt. Aufgrund ihrer Präzision und ihrer geringen Sprengkraft gelten diese Atomwaffen als "einsatzfähig", wodurch die Schwelle für einen Atomkrieg gesenkt wird. Dies alles geschieht ohne jede offizielle Erklärung oder öffentliche Debatte.
Die Nuklearpolitik der NATO birgt mehrere rechtliche und politische Probleme.
Erstens kann die Umsetzung des Konzepts der nuklearen Teilhabe als Weitergabe oder Kontrolle von Atomwaffen durch Nicht-Atomwaffenstaaten betrachtet werden, was einen Verstoß gegen des Nichtverbreitungsvertrags (NVV) von 1970 darstellen würde. Der NVV verbietet die direkte oder indirekte Weitergabe oder Kontrolle von Kernwaffen an Nichtkernwaffenstaaten, was der Fall wäre, wenn Kampfjets der Gastländer die Bomben einsetzen.
Ein zweites Problem ist, dass die Präsenz von US-Atomwaffen in Europa in keiner Weise transparent ist. Dies macht eine demokratische Debatte und Entscheidungsfindung praktisch unmöglich, was auch der Zweck zu sein scheint. Die Geheimhaltung der nuklearen Teilhabe ist in einer Demokratie inakzeptabel. Die Menschen haben ein Recht auf die Wahrheit und müssen die Möglichkeit haben, sich demokratisch zu äußern.
Ein drittes Problem ist die aggressive Haltung der NATO gegenüber neuen universellen Abrüstungsinitiativen und -abkommen, insbesondere dem Atomwaffenverbotsvertrag. Die NATO sieht in diesem Vertrag eine Bedrohung für ihre politische Einheit in Bezug auf die Nuklearstrategie. Das ist der Grund für die stark ablehnende Sprache in der jüngsten Erklärung der NATO auf dem Gipfel in Vilnius im letzten Sommer, in der den Atomwaffenverbotsvertrag als "entgegengesetzt", "inkonsistent" und "unvereinbar mit der nuklearen Abschreckungspolitik des Bündnisses" bezeichnet wird und "im Widerspruch zur bestehenden Nichtverbreitungs- und Abrüstungsarchitektur" was eine Lüge ist!
Viertens: Die NATO war in ihrer Nuklearpolitik schon immer zweideutig. Sie gibt Lippenbekenntnisse zum NVV ab, während ihre Atommächte weiterhin Milliarden in die Erneuerung oder Aufrüstung ihrer Atomwaffenarsenale stecken.
Die NATO und die USA fürchten den Folgen des Inkrafttretens der Atomwaffenverbotsvertrag. Die NATO hat auch starken Druck auf die Mitgliedstaaten ausgeübt, nicht als Beobachterstaat an der ersten "Meeting of State Parties" (MSP) dieser Vertrag teilzunehmen. Der Druck der USA und der NATO, die nukleare Abschreckung beizubehalten, ist groß.
Doch schließlich gab die Regierung dem Druck der Friedensbewegung nach und nahm als Beobachter an der MSP teil, wie auch Deutschland und den Niederlanden. Dies ist ein erster kleiner Bruch in der Position der NATO als Nuklearbündnis. Wir müssen den Druck weiter erhöhen, was nur möglich ist, wenn wir unseren Widerstand zeigen, am besten so massiv wie möglich.
Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie dringend nukleare Abrüstung ist. Die Herausforderung für die Friedensbewegung besteht darin, andere soziale Bewegungen von der Notwendigkeit der nuklearen Abrüstung zu überzeugen. Wie der Klimawandel sind auch Atomwaffen eine planetarische Bedrohung. Die Klima- und die Friedensbewegung kämpfen beide für den Erhalt des Planeten. Es ist ein gemeinsamer Kampf, für den wir unsere Kräfte bündeln müssen.
Als Friedensbewegung müssen wir uns für eine breite soziale und politische Bewegung mit einer Reihe gemeinsamer Forderungen einsetzen. Wir wollen:
- 1. vollständige Transparenz bei den Atomwaffen in Europa, um eine demokratische Debatte zu ermöglichen.
- 2. keine Lippenbekenntnisse zur atomaren Abrüstung, sondern konkrete Abrüstungsinitiativen, die zu Verhandlungen führen, um die wachsende atomare Gefahr in Europa zu bannen. Diese können nur erfolgreich sein, wenn es zu einem Waffenstillstand in der Ukraine kommt und die gegenseitigen Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden.
- 3. keine neue Stationierung von US-Atomwaffen und fordern ihren Abzug als erster Schritt zu einer atomwaffenfreien Zone in West-, Mittel- und Osteuropa. Ist dies möglich? Ja, natürlich. Es ist eine Frage des politischen Willens, Verfahren, einen Zeitrahmen und Verifikationsmechanismen für eine Atomwaffenfreie Zone auszuhandeln.
- 4. ein gesetzliches Verbot von Atomwaffen und der Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag.
Gemeinsam mit anderen Organisationen der Belgische Koalition gegen Atomwaffen setzen wir unsere Kampagne gegen die Atomare Abrüstung fort.
Am kommenden Wochenende werden wir eine Konferenz in Brüssel halten, um uns auf die für den 21. April nächsten Jahres geplante Aktion in Kleine Brogel vorzubereiten. Ihr seit alle herzlich willkommen!
Vielen Dank.
Ludo De Brabander ist aktiv bei der Belgischen Friedensgruppe "Vrede vzw".