Komitee für Grundrechte
und Demokratie



Arbeitsberichte des Komitees


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Arbeitsberichte des Komitees

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Berichtszeitraum: November 1998 bis Oktober 2000

Arbeits-Bericht 1999/2000

Seit der letzten Mitgliederversammlung am 25.10.1998 haben die seinerzeit neu gewählten Gremien regelmäßig getagt und die Schwerpunkte der Komitee-Arbeit beraten. Die beiden Komitee-Sekretariate in Sensbachtal (bis Anfang 1999) und Köln haben in Kooperation mit dem Geschäftsführenden Vorstand, Roland Roth und Wolf-Dieter Narr, sowie mit Vorstands- und Arbeitsausschuß-Mitgliedern, die für jeweilige Schwerpunkte Zuständigkeiten übernommen haben, die Beschlüsse umgesetzt. Wir konzentrieren den Arbeitsbericht auf die wichtigsten Schwerpunkte der Komitee-Arbeit. Viele kleinere Aktivitäten und Engagements müssen wegen der gebotenen Kürze unerwähnt bleiben.

1. Friedenspolitik

Seit Jahren warnte das Komitee vor einer möglichen kriegerischen Eskalation des Konfliktes um den Kosovo und unterbreitete Vorschläge zur Deeskalation und zivilen Konfliktbearbeitung, die von der herrschenden Politik jedoch nicht aufgegriffen wurden. Ende Oktober 1998 faßte der Deutsche Bundestag den Beschluß, sich im Eventualfall eines Krieges gegen Jugoslawien im Rahmen der NATO zu beteiligen. Trotz anfänglicher Erfolge der OSZE-Mission im Kosovo arbeitete die NATO auf einen Krieg hin. Der Verhandlungsprozeß in Rambouillet und Paris - der im Grunde keiner war - stand unter der Kriegsdrohung. Am 24.3.1999 griff die NATO die Bundesrepublik Jugoslawien an und führte einen 78tägigen Bombenkrieg bis zum 10.6.1999.

Mitglieder des Komitees organisierten während des Krieges Mahnwachen und Demonstrationen an kriegsbeteiligten Militärflughäfen in der Bundesrepublik und am Bundesverteidigungsministerium in Bonn. Die BürgerInnen-Information "
Krieg auf dem Balkan - Deutschland ist wieder dabei" wurde an den Großverteiler verschickt und erreichte eine Auflage von 35.000 Exemplaren.

Ein aus dem Komitee-Umfeld am 1.4.1999 vor dem Verteidigungsministerium verteilter und mehrfach veröffentlichter
Aufruf an die kriegsbeteiligten Soldaten, ihren Einsatz zu verweigern, fand in der Friedensbewegung weite Resonanz. Im Sommer 1999 wurde die Staatsanwaltschaft Berlin wegen der Veröffentlichung des Aufrufes in der "tageszeitung" tätig. Gegen alle UnterzeichnerInnen wurden Verfahren wegen Aufrufes zu einer Straftat (Gehorsamsverweigerung und Fahnenflucht) eingeleitet. Die Prozesse wurden intensiv begleitet und beobachtet. Bei fast allen Prozessen waren Komitee-VertreterInnen zugegen. Allen Betroffenen wurde Beratung angeboten. Ein eigener regelmäßiger Rundbrief mit Prozeßinformationen wurde verbreitet.

Begleitende Öffentlichkeitsarbeit, Presseerklärungen, Aufsätze und Interviews führten zu einer sehr großen Resonanz in den Medien - von einem Fernsehbeitrag in "Ratgeber Recht" über Veröffentlichungen in regionalen und überregionalen Tages- und Wochenzeitschriften (u.a. auch "Der Spiegel", "Süddeutsche Zeitung", "Frankfurter Rundschau") bis hin zu Beiträgen in juristischen Fachzeitschriften. Bei mehreren Veranstaltungen und Konferenzen wurde von Komitee-Mitgliedern über die Prozesse berichtet.

Schon vor dem Krieg hatte das Komitee die
BürgerInnen-Information "Die Neue NATO" herausgegeben, die bei vielen Ostermärschen verteilt wurde. Diese Schrift weist auf die Umorientierung der NATO für kriegerische Interventionen in aller Welt hin. Die neue NATO-Doktrin wurde während des Krieges beim NATO-Gipfel in Washington am 23.4.2000 anläßlich des 50jährigen Bestehens der NATO verabschiedet.

Am 11. Juni 1999 veranstaltete das Komitee in Köln - im Kontext der Weltwirtschafts- und EU-Gipfel - eine ganztägige Podiumsdiskussion zum Thema "Die neue Nato als Kern der unipolaren Weltordnung". Volker Böge, Otfried Nassauer, Wolf-Dieter Narr, Maria Mies und Andreas Buro informierten und diskutierten über die militärische Seite der Neuordnung der Welt im Gefolge ökonomischer Globalisierung.

Im Herbst 1999 schickten wir erneut eine BürgerInnen-Information "Kosovo - Jugoslawien - NATO: Bilanz eines angeblich humanitären Krieges" an unseren Großverteiler. Das Heft erreichte in einer 2. Auflage eine Verbreitung von 21.000 Exemplaren.

Im Herbst 1999 veröffentlichte das Komitee Stellungnahmen des friedenspolitischen Sprechers, Andreas Buro, zu den kriegerischen Konflikten in Osttimor und in
Tschetschenien.

Zum Menschenrechtstag am 10. Dezember 1999 veranstalteten wir in Berlin eine Aktion, in der es um die satirische Entlarvung des "humanitären Militärinterventionismus" ging. Minister Scharping wurde in diesem Rahmen symbolisch eine "Menschenrechtsbombe" überreicht.

Zum Jahresbeginn 2000 veröffentlichte das Komitee die pazifistisch-menschenrechtliche Streitschrift "Wider kriegerische Menschenrechte", in der die Autoren Wolf-Dieter Narr, Roland Roth und Klaus Vack den Krieg gegen Jugoslawien kritisch bewerten und jeglichem angeblich humanitären Militärinterventionismus eine Absage erteilen.

Im Juni 2000 veröffentlichte das Komitee die Erklärung "
Montenegro darf nicht zerstört werden. Prävention jetzt", in der ein Stabilitätspakt für die gesamte Balkan-Region gefordert wird.

Während des Jahres 2000 wurde mehrfach zu friedenspolitischen Themen Stellung bezogen.

Insbesondere wurden
Aufsätze zur Militarisierung der EU - von Volker Böge - veröffentlicht.

Zum
Antikriegstag - 1. September 2000 - veröffentlichten wir die BürgerInnen-Information zur "Neuen Bundeswehr", die zur weltweit einsetzbaren, kriegsführungsfähigen Armee im Rahmen der neuen NATO-Strategie und EU-Militarisierung umgerüstet werden soll.

Zum 4./5. November 2000 haben wir OrganisationsvertreterInnen von Friedensgruppen zu einer Perspektivkonferenz geladen. Etwa 40 Personen aus unterschiedlichen Gruppierungen beteiligten sich an einer kritischen Rückschau zur Lage der Friedensbewegung während des Krieges. Zugleich wurden Perspektiven für künftige Aktionsformen und Kooperationsperspektiven beraten.

Ein Rechtshilfefonds, der außerhalb des Komitees geführt wird, dient vor allem der Prozeßkostenhilfe für Totalverweigerer. Auch in den letzten beidenJahren konnten einige Betroffene unterstützt werden. Im Hinblick auf die Berliner Prozesse (s.o.) wurde ein Spendenaufruf für diesen Sonderfonds verbreitet.

Andreas Buro ist weiterhin leitend im - vom Komitee mitinitiierten - Dialogkreis für eine friedliche Lösung des türkisch-kurdischen Konfliktes aktiv. Der
Dialogkreis gibt vierteljährlich die Zeitschrift "Nützliche Nachrichten" heraus, die über Hintergründe des Konfliktes und politische Lösungsperspektiven berichtet.

Das Komitee arbeitet weiterhin in folgenden friedenspolitischen Kooperationen:
Netzwerk Friedenskooperative (Bonn), Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerung (Bremen), Trägerkreis "Atomwaffen abschaffen" (Dortmund), Helsinki Citizens` Assembly [http://hcagermany.homepage.com] (Bonn), Forum Ziviler Friedensdienst [http://www.forumzfd.de] (Minden/Bonn).

2. Flucht und Migration

Die
Situation der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Deutschland hat sich durch den Regierungswechsel, die sozialdemokratisch-grüne Politik der neuen Mitte nicht im geringsten zum vielleicht wahlgläubig erwarteten Besseren gewendet. Vielmehr wird mit aller staatlichen Härte die menschenrechtsverletzende Politik festungsförmiger und zuhauf Menschenleben opfernder Abschottung, sozialgesetzlicher Abschreckung und repressiver Abschiebung fortgesetzt.

Es sind inzwischen nur noch wenige politische Initiativen, darunter vermehrt migrantische Selbstorganisationen, die menschenrechtlich radikale Kritik formulieren und zu Aktionen aufrufen. Doch immer weniger Bürgerinnen und Bürger lassen sich zum Protest gegen die staatliche Asylpolitik mobilisieren, bestenfalls gelingt dies noch auf lokaler Ebene.

Insofern fällt es auch dem Komitee für Grundrechte und Demokratie zunehmend schwerer, so sehr es auch publizistisch in Erklärungen und Artikeln die unerträglichen Lebensbedingungen von Flüchtlingen und Asylsuchenden auf die menschrechtspolitische Tagesordnung zu hieven bemüht ist, mobilisierend wirksam und initiativ zu werden.

Anläßlich der ersten Innenministerkonferenz unter einem sozialdemokratischen Bundesinnenminister am 19./20. November 1998 hat das Komitee zu einer
Mahnwache nach Bonn aufgerufen, um der Opfer deutscher Asylpolitik zu erinnern. Für diese Aktion wurde eine Liste derjenigen, die in der Bundesrepublik Deutschland Asyl suchten und dabei den Tod fanden, erstellt und veröffentlicht. Im Rahmen unserer Protestveranstaltung am Haus der Geschichte in Bonn wurde diese Dokumentation mit weiteren Materialien dem Haus der Geschichte übergeben und in deren Bestand aufgenommen. Die Dokumentation wurde auch von zahlreichen anderen Organisationen und asylrechtsengagierten Gruppen angefordert und für Mahnwachen verwandt.

Um im selben Jahr am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, die regierungsamtlichen Verbrechen in Sachen Abschiebung anzuklagen, veröffentlichte das Komitee eine halbseitige, von einem Spender finanzierte Anzeige in der Süddeutschen Zeitung. Anders als in teuer bezahlten Anzeigen, die allein die etablierte, auf die politische Klasse fixierte Presse nähren, sind in bürgerlichen Medien staatskritische Erklärungen zur Asylpolitik kaum noch "unterzubekommen".

Während des NATO-Krieges war einer der Schwerpunkte der Arbeit des Komitees der Antikriegsprotest. Dieser NATO-Krieg war auch ein Krieg um Flüchtlinge. Die Nato-Intervention, die dem vorgeblichen Schutz der kosovarischen Bevölkerung galt, deren massenhafte Flucht immerhin natobombend erst befördert wurde, sog ihre politische Zustimmung aus Bildern des kosovarischen Flüchtlingselends. Erstmalig wurden Flüchtlinge entsprechend den NATO-Krisenszenarien militärisch und NGO-humanitär regional eingehegt und in Lager eingezäunt, um ihre Fluchtbewegung in die westeuropäischen Zentren zu verhindern.

Das Komitee hatkleinere Aktionen gegen Abschiebehaft und Abschiebungen unterstützt, sowie sich gegen die grundrechtseinschränkende Residenzpflicht von Asylsuchenden und gegen das diskriminierende "Sachleistungsprinzip" engagiert. Verschiedentlich wurde der Protest der kurdischen Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl aus den Reihen des Komitees solidarisch begleitet. Die kleine AG "Flucht und Migration" hat sich in einer ersten Runde mit der Green-Card-entfachten Einwanderungsdebatte beschäftigtund will dazu eine komiteeliche Stellungnahme erarbeiten.

Im Bereich der Asylarbeit wird das Komitee oft auch mit "Einzel fällen" konfrontiert. In solchen Situationen versuchen wir meist durch Appelle oder Petitionen an die politisch verantwortlichen Institutionen Solidarität zu üben. Häufig kann auch der Kontakt zu einer vor Ort tätigen Gruppe hergestellt werden.

3. Demonstrationsrecht und Demonstrationsbeobachtungen

Um des Schutzes der Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit (Demonstrationsrecht) willen haben wir unsere
Demonstrationsbeobachtungen fortgesetzt.

Am 26.1.1999 begannen in Bonn die sogenannten Konsensverhandlungen zum Ausstieg aus der Atomenergieproduktion unter Ausschluß der Bürger und Bürgerinnen, die sich schon seit Jahren gegen die Atomenergie engagieren. Aus diesem Anlaß war zu einer Demonstration an der Bannmeile des Regierungsviertels aufgerufen worden, deren Verlauf wir beobachteten.

Im Juni 1999 fandenin Köln der EU- und der Weltwirtschaftsgipfel statt. Anläßlich dieser Gipfel fanden mehrere kleine und größere Demonstrationen statt, die von uns beobachtend begleitet wurden. Nach mehreren aktuellen Berichten für die Presse über die Demonstrationen und die Versuche ihrer Be- bzw. Verhinderung wurde ein ausführlicher Bericht erstellt, der im Jahrbuch und als eigener Sonderdruck veröffentlicht wurde: "Das Janusgesicht der bürgernahen Kölner Gipfel: Repressive Toleranz" .

Am 1. Mai 2000 organisierte eine Berliner Gruppe eine erste Demonstrationsbeobachtung während der "revolutionären 1. Mai"-Demonstration.

Die Demonstration gegen Abschiebungen von Asylsuchenden vom Flughafen Berlin-Schönefeld wurde am 1. Juli 2000 beobachtet. Der Bericht darüber fand die Aufmerksamkeit der Presse.

Am 15. Oktober 2000 begannen anläßlich des bevorstehenden Transports von hochradioaktivem Müll aus dem AKW Philippsburg zur Wiederaufarbeitung nach La Hague (Frankreich) die Proteste in Philippsburg und wurden von uns an diesem Tag beobachtet. Die weiteren Vorgänge konnten weitgehend nicht von uns beobachtet werden. Jedoch erhielten wir regelmäßig Informationen. Ein Vorstandsmitglied konnte bei einer längerfristig geplanten Informationsveranstaltung Erfahrungen mit dem polizeilichen Umgang mit diesen Demonstrationen sammeln. Auf dieser Grundlage protestierten wir in einer Presseerklärung gegen das versammlungsfeindliche Vorgehen. Mit den erlassenen Verfügungen und erstinstanzlichen Urteilen zur Verhinderung des Protestes setzten wir uns ausführlich auseinander und veröffentlichten eine Stellungnahme.

In Artikeln und auf Veranstaltungen berichteten wir über unsere Demonstrationsbeobachtungen, unsere Erfahrungen damit und unsere Gründe für diese Form der Aktion.

Über Möglichkeiten und Probleme der Beobachtung rechter Demonstrationen und der Gegendemonstrationen setzten wir uns im Komitee auseinander. Wenn wir uns auch noch nicht für eine Demonstrationsbeobachtung bei einem solchen Anlaß entscheiden konnten, so ist doch selbstverständlich und unumstritten, daß wir uns für das unverkürzte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einsetzen und allen Versuchen der Einschränkung dieses Grundrechts entgegentreten.

Wir wandten uns gegen die Instrumentalisierung bzw. Enteignung des Demonstrationsrechts durch Regierung und Parteien zum 9. November 2000.

Bereits im August 2000 veröffentlichte der Geschäftsführende Vorstand die
Erklärung Ruck nach rechts. Zur Augenmaßlosigkeit der NPD-Verbotsdiskussion und anderer repressiv schäumender "Härteformeln", mit der gegen weiteren Grundrechteabbau protestiert wird.

4. Lebenslange Freiheitsstrafe und Haftbedingungen

Die Projektgruppe "
Wider die lebenslange Freiheitsstrafe" hatte zum 20.11.1999 zu einem Treffen zum Thema "Verknastung der Gesellschaft zurückdrängen" eingeladen. Auf der Grundlage eines Papieres von Oliver Brüchert (Mitglied der Projektgruppe und Redaktionsleiter der "Neuen Kriminalpolitik") wurde überlegt, was der Politik zunehmender Inhaftierungen entgegengesetzt werden könne. Darüber hinaus wurde der Skandal der immer länger andauernden Untersuchungshaft thematisiert. Im Kontext dieses Treffens wurde eine Stellungnahme von Ernst Ergenzinger "Tod hinter deutschen Gittern" veröffentlicht, in der auf das Problem eingegangen wird, daß etliche zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte noch im Knast sterben, also nicht - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert - noch einen Lebensrest in Freiheit verbringen können.

Zu der Frage von Todesfällen in deutschen Gefängnissen hat die Projektgruppe eine umfassende Umfrage an alle Landesjustizministerien gerichtet, da die Bundesregierung eine diesbezügliche Anfrage der PDS so gut wie gar nicht beantwortet hatte. Die Landesministerien verweigerten komplett die Beantwortung wegen angeblich zu hohen Verwaltungsaufwandes. Daraufhin schickten wir einen stark reduzierten Fragenkatalog an die Ministerien, die nun größtenteils geantwortet haben. Die Ergebnisse müssen noch ausgewertet werden.

Aktiv wurde die Projektgruppe gegen das
DNA-Identitätsfeststellungsgesetz, dem gemäß auch Strafgefangene und ehemals Inhaftierte (im Fall schwerer Straftaten) in die neu eingerichtete BKA-Datei aufgenommen werden sollen. Obwohl die Anwendung des Gesetzes eigentlich unter Richtervorbehalt steht und eine Gefährlichkeitsprognose im Einzelfall erfordert, werden zum Teil "freiwillige" Speichelproben in den Knästen durchgesetzt oder es werden richterliche Anordnungen verschickt, die nicht mehr als die Zitation des Gesetzestextes enthalten. In diesem Kontext steht das Komitee auch in einem kontroversen Briefwechsel mit der Justizministerin Herta Däubler-Gmelin.

Das Komitee steht mit vielen Gefangenen in Briefkontakt. In Einzelfällen wurden auch Gefangenenbesuche vorgenommen. Die
Gefangenenbetreuung liegt nach wie vor in den Händen von Sonja Vack, die hierzu eigens beauftragt ist und gesondert über diesen Arbeitsbereich berichtet.

Neben der individuellen Gefangenenbetreuung bietet das Komitee mittellosen Gefangenen an, sich einmal im Jahr kostenlos ein Buch ihrer Wahl beschaffen zu lassen. Dieses Angebot wird über Knastzeitungen, Aushänge, Mitgefangene und Gefangenenseelsorger in den Anstalten verbreitet, so daß zumeist mehr Gefangene um ein Buch nachsuchen, als es der komiteeliche Bücherfonds zuläßt, der mit etwa 20.000 DM aus Spendenmitteln ausgestattet ist. 400 bis 500 Inhaftierte können aus diesem Fonds jährlich ein Buch erhalten, das das Sekretariat diesen zuvor über den offiziellen Buchhandel besorgt. Für viele Häftlinge ist die Aktion "Bücher für Gefangene" einer der wenigen verbliebenen Kontaktmöglichkeiten jenseits der Gefängnismauern.

Viele Gefangene nutzen den Kontakt, um sich beiProblemen im Strafvollzug beraten und unterstützen zu lassen.

5. Arbeitsgruppe zur Biomedizin

Die Projektgruppe zur
Biomedizin hat am 5. Mai 2000 eine Fachkonferenz zum Thema "Solidarität statt Selektion" veranstaltet. Diese Tagung sollte einer Beratung im Vorfeld einer vom Bundesgesundheitsministerium Ende Mai in Berlin angesetzten Anhörung zum Fortpflanzungsmedizingesetz dienen. Beraten wurden vor allem Fragen um die Notwendigkeit bzw. Gefährlichkeit eines Fortpflanzungsmedizingesetzes, mit dem eventuell die Präimplantationsdiagnostik ermöglicht werden soll. Diese ist vom jetzt gültigen Embryonenschutzgesetz her verboten.

Artikel zu biomedizinischen Themen von Kathrin Braun und Rainer Hohlfeld waren in der "Frankfurter Rundschau" sowie in der "tageszeitung" veröffentlicht. [s.a. das Schwerpunktthema
"Gentechnik" im "FriedensForum" 5/2000]

6. Arbeitsgruppe "Bildung ist Menschenrecht"

Die komiteeliche Arbeitsgruppe "Bildung ist Menschenrecht" organisierte vom 15. bis 16. Mai 1999 am Pädagogischen Institut in Falkenstein eine Arbeitstagung zum Thema "Sich selbst und die Welt begreifen - Anforderungen an eine zukunftsfähige Bildungspolitik". Die rund dreißig geladenen Bildungsexperten setzten sich in Vorträgen und Diskussionen kritisch mit der aktuellen bildungspolitischen Entwicklung auseinander und suchten nach Möglichkeiten, auf eine vor allem neoliberal geprägte Bildungsdebatte mit einer menschenrechtlich-demokratisch fundierten Bildungstheorie und -praxis öffentlich Einfluß zu nehmen. Die Arbeitsgruppe wird sich weiter mit der aktuellen Bildungsmisere beschäftigen.

7. Arbeitsgruppe Soziale Menschenrechte

Die AG
"Soziale Menschenrechte" bedarf der Wiederbelebung. Im Juni 1999 veröffentlichte das Komitee eine Erklärung "Wider die Regierungspolitik der Verarmung", in der vor allem auf die mit wolkiger Sprache umnebelten Sozialabbau-Forderungen des Schröder-Blair-Papiers eingegangen wird.

8. Ferienfreizeiten des Komitees für Kinder aus dem ehemaligen Jugoslawien

Im Sommer 1999 konnten
Ferienfreizeiten für insgesamt 1.400 Kinder, die vom Krieg betroffen waren, durch Patenschaften finanziert werden. Es war seit 1994 die sechste Ferienpatenschaften-Aktion. Im Anschluß an die 99er-Ferienfreizeiten erschien eine 48seitige bunt bebilderte Dokumentation, in der die Erfahrungen dieser Freizeiten anschaulich werden. Erneutwurden im Sommer 2000 Kinderferienfreizeiten für fast 1.500 Kinder veranstaltet. Eine Dokumentation ist zum Frühjahr 2001 geplant. Das Projekt kam in den sieben Jahren 1994 bis 2000 insgesamt rund 10.000 Kindern zugute. Die Koordination der Kinderfreizeiten liegt bei Helga Dieter und Hubertus Janssen. Seit Frühjahr 2000 liegt die Organisation der Spendeneinnahmen für die Freizeiten bei Günter Pabst, um das Kölner Büro etwas zu entlasten.

9. Wagenburgen

Nachdem wir bereits kurz vor der letzten Mitgliederversammlung - im September 1998 - die
Broschüre "Auf zur grundrechtlichen Verteidigung der Wagenburgen" veröffentlicht hatten, sind wir immer wieder seitens Wagenburggruppen auf Probleme mit Städten undGemeinden angesprochen worden. Mehrfach haben wir uns über Appelle und Korrespondenzen für die Akzeptanz dieser Wohnform eingesetzt, um Ausgrenzungen entgegenzuwirken. Konkret wurden wir im Berichtszeitraum in den Städten Stuttgart, Tübingen, Frankfurt und Leipzig in der einen oder anderen Form aktiv.

10. Jahres-Tagungen des Komitees

Inzwischen finden regelmäßig die komiteelichen Jahrestagungen in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Arnoldshain statt. Die Komiteetagungen verfolgen die Intention, sich innerkomiteelich intensiver mit Themen und Fragestellungen im Kontext der eigenen Menschen- und Bürgerrechtsarbeit auseinanderzusetzen.

Vom 17.-19. September 1999 organisierte das Komitee die Tagung "Für eine Europäische Union des Asyl- und Menschenrechtsschutzes". Die Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitiken der Mitgliedsstaaten werden mit der Ratifizierung des Amsterdamer Vertrags zunehmend in die Kompetenz der Europäischen Union übergehen. Damit sind nationalstaatlich ausgerichtete Bürger- und Menschenrechtsgruppen verstärkt vor die Aufgabe gestellt, den europäischen Kontext in ihren Initiativen mitzubedenken. Das Komitee hatte deshalb zu dieser Tagung sowohl bundesdeutsche Gruppen (Humanistische Union, Internationale Liga für Menschenrechte, Pro Asyl, Forschungsgesellschaft Flucht und Migration) als auch europäische Initiativen u.a. aus Großbritannien, den Niederlanden und Österreich eingeladen, um über den "Asyl- und Menschenrechtsschutz von unten" zu diskutieren. Die Tagung hat gezeigt, daß das Komitee bislang auf die europäische Dimension noch unzureichend eingestellt ist. Die Frage, wie sich europäische "Kooperation von unten", gemeinsame Handlungsperspektiven und politische Ansätze an konkreten Themenstellungen (z.B. an der Situation der "sans papiers" in Europa) entwickeln könnten, fand noch keine Antwort. Die Tagung stellte zumindest einen Schritt in diese Suchrichtung dar. Die bundesdeutschen Bürgerrechtsorganisationen "entdeckten" auf der Konferenz den Mangel an Austausch und Kooperation auf "nationaler" Ebene und verabredeten ein zukünftiges Treffen, um den gegenseitigen Austausch etwas zu befördern.

Zur Jahrestagung vom 15.-17. September 2000 ("Verpolizeilichung der Bundesrepublik Deutschland - Polizei und Bürgerrechte in den Städten") lud das Komitee BürgerrechtlerInnen, Polizisten, PolizeiforscherInnen und Kriminologen ein, um die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Polizei zu untersuchen. Die TeilnehmerInnen des Treffens diskutierten die neuen polizeilichen Befugnisse, deren legale Absicherung in Polizeigesetzen und kommunalen Satzungen sowie die neuen polizeilichen Kontrolltechniken. Übereinstimmend wurde festgehalten, daß die Tendenzen zur Überwachungsgesellschaft mit dem Abbau der sozialen Sicherungssysteme korrellieren. Das Komitee will in einer Projektgruppe versuchen, sich mit diesen aufgezeigten Tendenzen einer bürgerrechtsgefährdenden Verpolizeilichung verstärkt zu beschäftigen, diese öffentlich zu thematisieren und nach Formen möglicher Gegenwehr zu suchen. Eine Dokumentation der Tagungsbeiträge ist in Vorbereitung.

11. Entschädigung der überlebenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

Das Komitee hat sich in Presseerklärungen anläßlich des kleinlichen und schändlichen Gezerres bundesdeutscher Politiker und Konzerne dafür eingesetzt, die symbolische Entschädigung für jenes Unrecht, das im Namen und im Interesse Deutschlands den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern angetan wurde, unverzüglich auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus widmet sich auch das Jahrbuch 1999/2000 dieser Thematik und erinnert an die Dringlichkeit einer unbürokratischen, großzügig gehandhabten und sofortigen Entschädigung. Doch der schändliche Umgang mit den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern ist symptomatisch für Politik und Kultur der doppelmoralischen Bundesrepublik Deutschland und ihrer politischen und wirtschaftlichen Repräsentanten im Jahr 2000 insgesamt.

12. Anti-Terror-Sonderrechtssystem

Am 19. Dezember 1999 durchsuchte die Bundesanwaltschaft das alternative Kulturzentrum MehringHof nach einem vermeintlichen Sprengstoffdepot der "Revolutionären Zellen" und ließ in diesem Zusammenhang drei der vorgeblichen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung Verdächtigten in Untersuchungshaft nehmen. Darunter befand sich Harald Glöde, Mitarbeiter der "Forschungsgesellschaft Flucht und Migration" und Mitstreiter in der AG Flucht und Migration des Komitees. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie gab dazu eine Erklärung heraus, in der es die Freilassung der Inhaftierten fordert und zur Revision des allein zum fortwährenden Schaden des Rechtsstaates aufrechterhaltenen Sonderrechtssystems aufruft.

Darüber hinaus wandte sich das Komitee an die Fraktionen der SPD, der GRÜNEN und der PDS sowie an das Justizministerium mit dem Vorschlag, das Straf- und Strafprozeßrecht wenigstens hinsichtlich der sogenannten Anti-Terror-Sondergesetze (u.a.  129a) zu reformieren. Das Komitee beabsichtigt, den Prozeß gegen die Inhaftierten zu beobachten.

13. Zusammenarbeit mit anderen Bürgerrechtsgruppen und weitere Kooperationen

Das Komitee steht in regelmäßigem Austausch mit verschiedenen anderen Bürgerrechts-, Asylrechts- und Friedensgruppen und -organisationen. Mit der Humanistische Union (HU) [
http://www.humanistische-union.de] und der Gustav-Heinemann-Initiative (GHI) [http://www.gustav-heinemann-initiative.de] geben wir nach wie vor die Zeitschrift "vorgänge" heraus. Mit diesen beiden Organisationen und dem Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen geben wir seit 1997 den jährlich erscheinenden Grundrechtereport (Rowohlt-Verlag) heraus.

Mit der HU, der GHI und der Internationalen Liga für Menschenrechte [
http://www.ilmr.org] haben wir uns am 7./8. April 2000 zu einer gemeinsamen Beratung getroffen und dabei u.a. vereinbart, diese Konferenz alljährlich zu wiederholen, um in einigen Punkten gemeinsam auftreten zu können.

Regelmäßig und gut arbeiten wir mit dem
Netzwerk Friedenskooperative (Bonn) zusammen und sind an der redaktionellen Bearbeitung der Zeitschrift "Friedensforum" beteiligt.

Häufig erhalten wir Anfragen, ob Mitglieder des Komitees zu verschiedenen Themen und über Arbeitsschwerpunkte des Komitees referieren können. Vorstands- und Arbeitsausschußmitglieder übernehmen im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten solche Aufgaben. Vom Kölner Sekretariat können wir dies in begrenztem Umfang leisten. Zum Demonstrationsrecht und unseren Demonstrationsbeobachtungen, zum Asylrecht, zu Friedensfragen (insbesondere zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien) und zum Thema Innere Sicherheit haben wir verschiedentlich Vorträge gehalten oder Arbeitsgruppen bei Tagungengestaltet und damit auch unsere Kooperationen mit anderen Bürgerrechtsgruppen intensiviert.

14. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Komitees stehen in Zusammenhang mit den jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkten und machen einen wichtigen Teil der Arbeit aus. Kontinuierlich haben wir Presseerklärungen zu aktuellen Fragen und den uns schwerpunktmäßig beschäftigenden Themen herausgegeben. Des öfteren verschicken wir auch in unserem "Artikeldienst" Aufsätze von Vorstands- und Arbeitsausschußmitgliedern. Diese werden nicht selten von kleinen Zeitschriften abgedruckt; in die großen Zeitungen gelangen solche Texte jedoch nur in Ausnahmefällen. Die wichtigsten Komitee-Stellungnahmen werden jeweils im Dokumententeil des Jahrbuches wiedergegeben.

15. Allgemeine Korrespondenz

Regelmäßig schreiben uns Bürger und Bürgerinnen, die in Konflikten und Schwierigkeiten Hilfe suchen oder die Informationen zu Bürgerrechtsfragenbenötigen. Diese Anfragen beantworten wir grundsätzlich alle. Bei Hilfeersuchen können wir nur relativ selten selber tätig werden. Jedoch können wir häufig Vorschläge machen, auf Literatur verweisen und Kontakte vermitteln zu anderen Gruppen, Organisationen etc., die sich z.B. auf den entsprechenden Bereich spezialisiert haben. Oft unterstützen wir Personen und Gruppen in ihren Anliegen, beispielsweise indem wir uns in Briefen für ihr Anliegen verwenden, Petitionen unterstützen o.ä.

16. Publikationen

Neben den bereits erwähnten thematisch zugeordneten
Publikationen haben wir die beiden Jahrbücher (1998/99 und 1999/2000) zu den Schwerpunkten "Menschenrechte, Demokratie und Gesundheit" sowie "Kinderrechte und Menschenrechte" herausgegeben.

Die INFORMATIONEN des Komitees erscheinen ca. sechsmal jährlich und werden jeweils an den Großverteiler verschickt (ca. 1.000 Mitglieder / FörderInnen; 6.000 InteressentInnen/SpenderInnen; 300 PressevertreterInnen).

17. Ausblick

Seit 1.1.1999 setzt das Kölner Sekretariat sämtliche Komiteearbeit in die Praxis um. Als letzte Aufgaben, die noch bis 1998 in Sensbachtal verrichtet wurden, gingen die Bereiche Buchhaltung/Finanzverwaltung, Führen der Mitglieder- und InteressentInnen-Dateien, Vorbereitung von Großversänden und die Bearbeitung der Buchwünsche für Gefangene nach Köln.

Dank der langfristigen Vorbereitung hat auch die endgültige Übertragung der Sekretariatsarbeiten aus unserer Sicht sehr gut funktioniert. Seit 1999 ist auch der Vereinssitz nach Köln verlegt worden. Das Komitee wird jetz im Vereinsregister des Kölner Amtsgerichts geführt.

Wir danken allen, die unsere Arbeit in den zurückliegenden beiden Jahren unterstützt haben - sei es als Fördermitglied, durch Spenden oder auch Zuspruch und Ermutigung. Wir hoffen, daß die Mitglieder und FörderInnen dem Komitee und seiner politischen Arbeit und Ausrichtung auch künftig die Treue haltenwerden.

MARTIN SINGE / ELKE STEVEN / DIRK VOGELSKAMP



E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
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