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vom:
15.01.2002


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Rüstungsexport:

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Quelle: Frankfurter Rundschau, 9.1.2002 - Dokumenation:

Die Rüstungsexportpolitik könnte viel transparenter sein

Sibylle Bauer

Die Bilanz des rot-grünen Außenhandels mit Panzern und Waffen fällt ambivalent aus / Eine Analyse und ein europäischer Vergleich von Sibylle Bauer

Gemessen an den eigenen Ansprüchen - Transparenzgebot, Beurteilung der Menschenrechtssituation, äußerste Zurückhaltung bei Ausfuhren außerhalb der EU und der Nato - kommt die rot-grüne Bundesregierung beim Thema Rüstungsexportpolitik nicht über den Durchschnitt anderer europäischer Staaten hinaus. Der aktuell vorgelegte Regierungsbericht lasse viele Informationen im Dunkeln, resümiert Sibylle Bauer, Wissenschaftlerin am Institut für Europäische Studien der Freien Universität Brüssel. Wir dokumentieren leicht gekürzt ihre kritische Bestandsaufnahme.



Seit drei Jahren regiert Rot-Grün. Aber der Rüstungsexport ist trotz der durch den Regierungswechsel geweckten Erwartungen nicht gesunken. Im Jahr 2000 erteilte die Bundesregierung Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 9,301 Milliarden Mark. Etwa 40 Prozent davon bestehen aus Sammelausfuhrgenehmigungen im Rahmen von Kooperationsprojekten mit Nato und Nato-gleichgestellten Ländern. Über den Wert der tatsächlich ausgeführten Rüstungsgüter gibt es keine Zahlen. Die gibt es nur für den weit enger gesteckten Bereich der Kriegswaffen: Hier wurden Waren im Wert von 1,330 Milliarden Mark, 53 Prozent weniger als im Vorjahr. Ein Drittel davon ging in Länder außerhalb der EU, Nato und Nato-gleichgestellten Staaten. Was sagen diese Zahlen über die deutsche Rüstungsexportpolitik aus?

Anlässlich des Ende November veröffentlichten zweiten deutschen Rüstungsexportberichts soll hier eine Bilanz rot-grüner Rüstungsexportpolitik versucht werden. Dabei stellt sich zunächst die Frage, woran man die Rüstungsexportpolitik der vergangenen drei Jahre misst - am eigenen Anspruch bzw. den Selbstverpflichtungen, der Politik der Vorgängerregierung oder dem europäischen bzw. internationalen Vergleich? Eine möglichst umfassende Bewertung erfordert die Einbeziehung all dieser Aspekte. Zunächst also zu den eigenen Ansprüchen.

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"Friedenspolitik muss die Vorherrschaft militärischer, bürokratischer und rüstungswirtschaftlicher Interessen brechen und Rüstungsproduktion in die Produktion ziviler Güter überführen. (...) Unser Ziel ist es, den Export von Waffen und Rüstungsgütern zu verhindern" (Grundsatzprogramm der SPD vom 20. Dezember 1989, geändert am 17. April 1998).

"Wir wollen Rüstungsexporte außerhalb der EU, der USA und Kanadas unterbinden und ihre Subventionierung beenden." (Bündnis 90 / Die Grünen, Vierjahres-Programm zur Bundestagswahl 1998).

Gemessen an diesen Vorgaben ist die rot-grüne Rüstungsexportpolitik zweifellos gescheitert. Aber Politik lässt sich leider selten an Wahlprogrammen messen. Deshalb soll hier zu einem weiteren Bewertungskriterium übergegangen werden, den Vorgaben aus der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998. Darin hat sich die neue Bundesregierung dazu verpflichtet:

1.darauf hinzuwirken, dass ein verpflichtender europäischer Verhaltenskodex ein Transparenzgebot und die Anforderung einer Beurteilung des Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer enthalten solle. Diesem Kodex sollte die transnationale europäische Rüstungsindustrie für ihre Exporttätigkeit unterworfen werden;

2.den nationalen deutschen Rüstungsexport außerhalb der Nato und der EU restriktiv zu handhaben;

3.bei Rüstungsexportentscheidungen den Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium einzuführen; und

4.dem Deutschen Bundestag jährlich einen Rüstungsexportbericht vorzulegen.

Während den letzten beiden Verpflichtungen formal nachgekommen worden ist (wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, ob mit der Art der Umsetzung das Maß des Möglichen ausgeschöpft wurde), ist die Erfüllung der ersten beiden Vorgaben weniger klar festzumachen.

Der 1998 verabschiedete EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte ist nach wie vor politisch, nicht aber rechtlich verbindlich. Er beinhaltet Menschenrechtskriterien, die allerdings u.a. von Menschenrechtsorganisationen als unzureichend und vage kritisiert wurden. Ein Transparenzgebot ist weder für Liefer- noch Empfängerländer enthalten. Dennoch gab es in den vergangenen drei Jahren in der Transparenzfrage Fortschritte. So wird dem Europäischen Parlament inzwischen jährlich ein Bericht über die Umsetzung des Kodex vorgelegt. Dessen statistischer Teil ist leider wenig aussagekräftig, interessanter ist die Dokumentation der Verhandlungen im zuständigen Gremium des EU-Ministerrates (COARM) und damit die Festschreibung von gemeinsamen Verfahrensweisen und Auslegungen.

Die vom Kabinett im Januar 2000 verabschiedeten "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" ersetzen die bis dahin gültigen Richtlinien, die noch aus dem Jahr 1982 stammen. Sie enthalten deutliche Veränderungen, v. a. im Bereich der Menschenrechtskriterien, des Endverbleibs von Rüstungsgütern, der Einflussnahme auf den Export von koproduzierten Rüstungsgütern und der Transparenz (mit der Selbstverpflichtung zur Vorlage eines jährlichen Berichts). Der EU-Verhaltenskodex wurde zum "integralen Bestandteil" der Grundsätze erklärt.

Während diese Neuerungen durchaus begrüßenswert sind, sind die Umsetzung der Richtlinien und damit die Nutzung des deutlichen Interpretationsspielraums die eigentlich wichtigen Kriterien für die Bewertung der Exportpolitik, zumal die Bundesregierung selbst eine Schlüsselfunktion des Berichts darin sieht, "Parlament und Öffentlichkeit über die Umsetzung der Grundsätze der deutschen Rüstungsexportpolitik (zu informieren)".

Transparenz ist deshalb der Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Absicht der Bundesregierung, die Richtlinien wirksam umzusetzen und die erklärte restriktive Rüstungsexportpolitik Realität werden zu lassen. Inwieweit der vorlegte Bericht die Exportpolitik transparent macht und deren Beurteilung ermöglicht, soll im Folgenden untersucht werden. (...)

Rüstungsexportinformationen sind nur dann umfassend, wenn Rüstungsexportpolitik dadurch im Detail nachvollziehbar gemacht wird. Es gibt eine ganze Bandbreite von Informationen, die für eine Bewertung der Exportpolitik relevant sind:

-Erteilte und abgelehnte Exportgenehmigungen und tatsächlich erfolgte Exporte im Detail (jeweils Empfängerland und Empfänger innerhalb des Landes; Stückzahl; Listenposition und genauere Beschreibung, u. a. Alter, Typ und Modell; und Wert);

-Listen möglicher Empfängerländer, die mit Kooperationspartnern vereinbart wurden (z. B. im Rahmen der in einem Rahmenabkommen über Rüstungskooperation vom Juli 2000 zwischen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden und Spanien vereinbarten Verfahren);

-Transfers von Komponenten, Gütern und Dienstleistungen im militärischen wie auch im Dual-use-Bereich sowie Ausrüstung für Polizei, Sicherheitseinheiten und Transfers von Folterinstrumenten und Repressionstechnologie;

-Transfers von Lizenzen, Blaupausen und Produktionsunterlagen;

-Entscheidungskriterien und -prozesse, unter anderem relevante Regierungsabkommen;

-beteiligte Rüstungsfirmen;

-finanzielle Aspekte (offsets, Finanzierungsmodalitäten, Bürgschaften und andere indirekte und direkte Subventionen);

-vertraglich festgelegte Bedingungen, z. B. das Verbot des Weiterexports bzw. die vorherige Einwilligung des Lieferlandes;

-Exportanträge, bevor die Entscheidung gefällt wird (wie dies in den USA, wenn auch eingeschränkt, der Fall ist).

Derzeit stellt keine Regierung all diese Informationen zur Verfügung. Würde man sich jedoch für jeden Teilaspekt an dem jeweils transparentesten Land orientieren, hätte man einen relativ umfassenden Bericht. Obwohl Regierungen auf sehr ähnliche Argumente zurückgreifen, um die Geheimhaltung spezifischer Informationen zu rechtfertigen, führt dies zur Offenlegung sehr unterschiedlicher Teildaten aus dem Bereich der Rüstungsexportpolitik.

Deutscher Rüstungsexportbericht

Der Bericht schlüsselt genehmigte Listenpositionen, Anzahl und Gesamtwert der Genehmigungen nach Empfängerländern auf. Eine weitere Aufschlüsselung innerhalb der 22 Listenpositionen erfolgt nur teilweise. Für abgelehnte Exportanträge wird das Empfängerland, der Gesamtwert, die Listenposition und das für die jeweilige Listenposition ausschlaggebende Kriterium (bzw. die Kriterien) nach dem EU-Kodex angegeben. Zu tatsächlich erfolgten Exporten sind die Daten spärlicher, lediglich der Gesamtexportwert für Kriegswaffen wird angegeben. Für kommerzielle Exporte (und somit nicht für Überschusswaffen) ist, wiederum nur für Kriegswaffen, auch der Wert der Lieferungen in die zehn wichtigsten Empfängerländer zu finden. Wichtige Abkommen werden im Wortlaut dokumentiert.

Im Vergleich zum Vorjahr sind einige Verbesserungen zu vermerken. So werden Vergleichszahlen für 1996 bis 2000 geliefert, und zwar die Genehmigungswerte für Exporte von Rüstungsgütern, aufgeschlüsselt nach drei Ländergruppen. Zwei gesonderte Statistiken nennen die Genehmigungswerte für den Export von Kleinwaffen und Kleinwaffenmunition im Jahr 2000, aufgeschlüsselt nach drei Ländergruppen. Zudem erfolgt eine Aufstellung über Strafverfolgungsverfahren und ein Überblick über deutsche Exporte nach den wichtigsten internationalen Statistiken.

Der Bericht macht damit viele eingangs genannten Aspekte nicht sichtbar, so unter anderem: finanzielle Details; die genaue Beschreibung und Stückzahl der genehmigten und gelieferten Güter; Lieferfirmen; positive oder negative Antworten auf Voranfragen; den Endverbleib gelieferter Komponenten und Subsysteme und die Ausfuhr der in den Abschnitten B (Elektroschlagstöcke, Elektroschockgeräte, Daumenschrauben und Fußfesseln) und C (Dual-use-Güter, die militärisch und zivil nutzbar sind) der Außenwirtschaftsliste erfasste Güter.

Europäischer Vergleich

Nach Belgien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, den Niederlanden, Schweden, Spanien und, mit Einschränkung, Portugal hat Deutschland im Jahr 2000 als eines der letzten EU-Länder dem Parlament und der Öffentlichkeit systematisch Rüstungsexportdaten vorgelegt. Ein deutscher Exportbericht stand deshalb nicht nur in der Logik des Regierungswechsels, sondern auch im Trend der zunehmenden Transparenz in der EU. Einen dänischen Bericht gibt es seit diesem Jahr; die Vertraulichkeit des österreichischen Berichts wurde inzwischen aufgehoben.

Der Bericht für 2000 wurde erst Ende November 2001 veröffentlicht, was nicht nur im europäischen Vergleich, sondern auch bezüglich der Relevanz der Daten spät ist. In wenigen Ländern sind Informationen unmittelbar nach erfolgter Genehmigung (Finnland) bzw. monatlich (Irland) abrufbar. In Schweden wird ein aus Parteivertretern (Abgeordneten und ehemaligen Abgeordneten) zusammengesetztes Gremium monatlich im Voraus über anstehende Präzedenzfälle informiert, hat allerdings nur Beratungsfunktion und unterliegt der Geheimhaltungspflicht.

Der Bericht ist, wie die meisten anderen, auf dem Internet verfügbar (
http://www.bmwi.de), aber nicht leicht zu finden. Bisher wurde er nicht in andere Sprachen übersetzt, was die Vergleichbarkeit und Zugänglichkeit verringert. Die EU-Staaten haben sich bisher nicht auf ein einheitliches Format für nationale Exportberichte geeinigt, es sind aber erste Bemühungen in dieser Richtung zu verzeichnen.

Bezüglich der Aussagekraft, d.h. Qualität und Quantität der Informationen, unterscheiden sich die nationalen EU-Berichte erheblich. Der deutsche Bericht ist dem Mittelfeld zuzuordnen: Er spielt in keinem Teilbereich eine Vorreiterrolle, enthält aber durchaus einige Elemente, die von anderen Staaten bisher noch geheimgehalten werden. So werden zum Beispiel die Kriterien des EU-Verhaltenskodex genannt, mit denen die Ablehnung einer Genehmigung begründet wird. Nur die Niederlande geben ebenfalls - noch deutlich detailliertere - Informationen zu Ablehnungsbescheiden heraus.

Die Aufschlüsselung der erteilten Genehmigungen in Drittländer (Beispiel: Lieferung von "Herstellungsausrüstung für kleinkalibrige Munition" nach Usbekistan) ist in Deutschland durchaus detaillierter als beispielsweise in Schweden, erreicht jedoch nicht den britischen Präzisionsgrad und wird zudem nicht für alle Länder vorgenommen. Eine Reihe anderer EU-Staaten (u. a. Finnland und Belgien) veröffentlicht weit mehr Informationen zu erfolgten Ausfuhren, als dies in Deutschland der Fall ist. Belgien präzisiert auch die Empfängerkategorie (Industrie, privat und andere), wenn auch nicht den genauen Empfänger. Im Gegensatz zu Deutschland informieren unter anderen Irland, Großbritannien und Spanien (mit unterschiedlichen Details) über Exporte von Dual-use-Gütern. In Italien werden exportierte Rüstungsgüter nach Unternehmen aufgeschlüsselt. Darüber hinaus werden dort die Banken aufgelistet, die bestimmte Transfers finanzieren.

Kritische Anmerkungen

1.Vergleichszahlen aus dem Vorjahr

Der Bericht betont, dass 2000 53 Prozent weniger Kriegswaffen exportiert wurden als im Vorjahr. Im Vorjahr wurde wiederum herausgestellt, dass etwa ein Drittel der Kriegswaffenexporte auf die Lieferung von zwei U-Booten nach Israel zurückging. Dies geht noch auf Vereinbarungen in Zusammenhang mit dem Golf-Krieg zurück. Es klingt merkwürdig an, die aus diesem Grunde hohen Zahlen vom Vorjahr als Vergleichspunkt zu betonen und daraus eine drastische Verringerung der Exporte zu folgern. Die Vertragsabschlüsse über die Lieferung von U-Booten nach Südkorea und von U-Booten und Fregatten nach Südafrika sind bisher nicht in den Statistiken reflektiert. Deshalb ist im kommenden Jahr mit einem Anstieg von Kriegswaffenexporten in Drittländer zu rechnen.

2.Rolle der Lieferungen in Entwicklungsländer

Die Aussage des Berichts, Kriegswaffenexporte in Entwicklungsländer (laut Definition der DAC/OECD-Liste) hätten 2000 keine Rolle gespielt, ist falsch. Sowohl Brasilien wie auch die Türkei - laut der von der Bundesregierung verwendeten DAC/OECD-Definition Entwicklungsländer - waren Empfänger deutscher Kriegswaffen.

3.Zum Problem der monetären Bemessung von Rüstungsexporten

Für die vergleichende Bewertung der Rüstungsexportpolitik wird aus praktischen Gründen oft auf das finanzielle Volumen als Vergleichsgröße zurückgegriffen. Während diese Zahlen objektiv wirken, sind die verfügbaren Zahlen auf Grund von Problemen der Datenerhebung und der traditionellen Geheimhaltung oft irreführend. Mangelnde Daten zu direkten und indirekten Subventionen, Exportkrediten, offsets und Korruptionszahlungen machen es fast unmöglich, Ausgaben und Gewinn der exportierenden und importierenden Staaten sowie der beteiligten Unternehmen korrekt zu bemessen.

Hinzu kommt, dass für die Bewertung der Exportpolitik relevante Faktoren nicht monetär gemessen werden können, so zum Beispiel die politische und militärische Einschätzung des Rüstungstransfers, u. a. bezüglich der Veränderung regionaler Gleichgewichte und des Einflusses auf Wettrüsten. Die tatsächliche Wirkung beispielsweise von Kleinwaffen, die wertmäßig vergleichsweise wenig ins Gewicht fallen, kann bezüglich der Zerstörungskraft menschlichen Lebens in der Kategorie "Geld" nicht erfasst werden. Erst die genaue Beschreibung, Stückzahlen und der Empfänger lassen Schlüsse auf die Bedeutung individueller Exporte zu.

Für wertmäßige Erfassungen entsteht ein weiteres Problem, wenn nicht neue, sondern gebrauchte Waffen aus Altbeständen der Bundeswehr geliefert werden. Deren Preise sind oft künstlicher / politischer Natur und nur über Umwege vergleichbar zu machen. Dies gilt vor allem auch dann, wenn solche Waffen nicht im vorgefundenen Zustand, sondern nach einer Modernisierung geliefert werden. Überschusswaffen werden zudem häufig verschenkt oder billig abgegeben.

4.Kategorisierung der Empfängerländer

Die Unterteilung von Empfängerländern in EU, Nato und Nato-gleichgestellte Länder (Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz) und Drittländer impliziert, dass erstere rüstungsexportpolitisch unproblematisch sind. Dies geht auf die in den Richtlinien verankerte Genehmigungserwartung für diese Ländergruppe zurück. Auch innerhalb dieser Kategorie gibt es jedoch Staaten, die nach den Richtlinien wie dem EU-Kodex als Empfänger von Rüstungsgütern umstritten sind. Ein in den Medien und der Öffentlichkeit viel diskutiertes Beispiel ist die Türkei. Hier könnten u. a. die Kodexkriterien zu Menschenrechtsverletzungen, regionaler Stabilität und Beachtung des internationalen Rechts für eine Genehmigungsversagung herangezogen werden.

Ein zweites Problem besteht darin, dass eine klare Unterscheidung der Empfängerkategorien in der Realität nicht leicht möglich ist. Dies liegt vor allem daran, dass Komponenten und Subsysteme einen bedeutenden Prozentsatz der deutschen Exporte in EU und Nato-Staaten ausmachen. Diese werden wiederum in Waffensysteme eingebaut und möglicherweise in Drittländer weiterexportiert. Der Rüstungsexportbericht informiert jedoch nur über Direktexporte, nicht über den Endverbleib der jeweiligen Güter. Der von Frankreich in die Vereinigten Arabischen Emirate gelieferte Panzer Leclerc Tropicalisé enthält beispielsweise ein deutsches Getriebe. Eine Ironie der Debatte um den Export deutscher Panzer in die Türkei besteht darin, dass nicht nur französische, sondern auch US-amerikanische Panzer deutsche Komponenten enthalten. So würde auch die Lieferung eines Konkurrenzmodells, des US-amerikanischen M-1-Abrams-Panzers, im Endeffekt den Export deutscher Rüstungstechnologie (Kanone, Kette) in die Türkei zur Folge haben. Auch im schwedischen Kampfflugzeug Gripen sind deutsche Komponenten enthalten. Bei zunehmender rüstungswirtschaftlicher Integration und Internationalisierung ist somit denkbar, dass der Export deutscher Rüstungstechnologie in Entwicklungsländer nur noch im Rahmen der Ausfuhr von Koproduktionen erfolgt, und zwar durch das Land, in dem die Endfertigung stattfindet.

Diese Prozesse haben zur Folge, dass die Wertschöpfungsanteile der an der Produktion eines Waffensystems beteiligten Länder nicht mehr klar ermittelt werden können. Damit kann das Produktionsland nicht mehr eindeutig identifiziert werden. Es ist somit noch schwieriger als bisher, nationale Anteile am weltweiten Waffenhandel zu bemessen. Kaum nachvollziehbar ist gegenwärtig die Zulieferung von Subsystemen und Komponenten, die regierungsoffizielle Statistiken nicht aufschlüsseln.

5.Grenzen der Transparenz

Der Bericht begründet die Geheimhaltung einiger Daten mit den Bestimmungen des Statistik- und des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Die Veröffentlichung vieler in Deutschland geheim gehaltener Informationen in anderen EU-Ländern wirft die Frage auf, warum die Geheimhaltungsbestimmungen aufrechterhalten werden, denn das Argument des Wettbewerbsnachteils wird damit entkräftet.

Zur Begründung einer Gesetzesänderung kann Artikel 26, Absatz 1 des Grundgesetzes herangezogen werden. Bereits die Existenz des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des Außenwirtschaftsgesetzes zeigt eindeutig, dass es sich bei Rüstungsgütern und Kriegswaffen nicht um beliebige Waren handelt, sondern um Güter, die zur Störung des Weltfriedens und der Vorbereitung eines Angriffskrieges geeignet sind.

Während die Rechtslage zum Teil anders interpretiert werden könnte, ist die Änderung der Gesetzeslage vorzuziehen, um eine klare rechtliche Grundlage zu schaffen. Hier ist der Bundestag in seiner gesetzgebenden Kapazität gefordert. Es gibt aktuell eine Initiative zur Verschärfung des Waffengesetzes, wo auch mehr Transparenz vorgesehen ist. Es geht also, wenn man will. (...)

6.Kleinwaffenausfuhr

Die Ausfuhr von Handfeuerwaffen und -teilen in die USA im Wert von 442,4 Millionen Mark mag erstaunen, da sich aus der Summe auf die Ausfuhr vieler Tausender von Kleinwaffen schließen lässt (die Stückzahl wird geheim gehalten). Ob eine solche Aufrüstung ziviler Gesellschaften erstrebenswert ist, soll hier nur als Frage in den Raum gestellt werden.

Vergleich mit anderen EU-Staaten

Ein detaillierter Vergleich der EU-Exportpolitiken ist auf Grund der sehr unterschiedlichen Methoden bei der Datenerhebung nicht möglich. Angaben in den regierungsoffiziellen Berichten sind nicht kompatibel, da Warenlisten, Erhebungsmethoden und Erfassungszeiträume divergieren. Deshalb muss neben den nationalen Berichten auf andere Datensätze zurückgegriffen werden, die von Forschungsinstituten erstellt werden, in der Regel auf der Grundlage von öffentlich zugänglichen Informationen. Die Verbesserung des EU-Berichts und die Harmonisierung nationaler Berichte würden die Vergleichbarkeit erheblich verbessern. In den internationalen Statistiken ist Deutschland im Schnitt der fünftgrößte Rüstungsexporteur weltweit, in der EU die Nummer drei. (...)

Rot-grüne Rüstungsexportpolitik?

Termine, Tagesordnungen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates sind vertraulich. Dies macht die mittlerweile oft nach dem Mehrheitsprinzip gefällten Entscheidungen über wichtige Rüstungsexportentscheidungen undurchsichtig. Klare Differenzen in den Positionen der Koalitionspartner und der vertretenen Ministerien wurden in einer Reihe von durchgesickerten Informationen über das Abstimmungsverhalten der bei Rüstungsexportentscheidungen stimmberechtigten Mitglieder des Bundessicherheitsrates deutlich. Letztes Beispiel: Ein 46-seitiger Katalog von Bundeswehr-Überschusswaffen, der auf Weisung von Verteidigungsminister Scharping 53 Verteidigungsattachés zugesandt worden war, wurde nach Zeitungsberichten nach Intervention des Auswärtigen Amts unter Minister Fischer nicht an alle vorgesehenen Empfänger verteilt.

Die Analyse zeigt: Der vorliegende Rüstungsexportbericht gibt nicht ausreichend Auskunft über von der jetzigen Regierung verantwortete Exporte, um eine abschließende Bewertung der rot-grünen Rüstungsexportpolitik vornehmen zu können. Dabei wird deutlich, dass der Spielraum in der Transparenzfrage seitens der Bundesregierung bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Auf der anderen Seite könnte sich der Bundestag die Voraussetzungen für eine stärkere Einbindung in den Entscheidungsprozess durch eine Beratungsfunktion und eine stärkere Kontrollfunktion durch detaillierte Information schaffen.

Der Deutsche Bundestag kann seine Kontroll- und Beratungsfunktion nur durch ein Höchstmaß an Transparenz wahrnehmen. Umgekehrt steckt das Parlament durch Gesetze die rechtliche Grundlage der Regierungspolitik ab, unter anderem für die Offenlegung und den Schutz von Daten, und erweitert oder beschränkt damit den eigenen Gestaltungsspielraum. Nach dem schwedischen Modell, bei dem die Exekutive ebenfalls für die Entscheidungen zuständig ist, wird einigen Abgeordneten dennoch Beratungsfunktion eingeräumt.

Auch in Politikbereichen, in denen die Exekutive Entscheidungen fällt, und dazu gehört nach unserer Verfassung der Rüstungsexport, muss der Bundestag seine Kontrollfunktionen wahrnehmen können. Eine restriktive Politik muss durch aktives Interesse von Bundestag, Bevölkerung und NGOs eingefordert, unterstützt und getragen werden. Maximale Transparenz ist deshalb eine Schlüsselvoraussetzung für die Umsetzung einer Rüstungspolitik, die wirtschaftliche Interessen den Menschenrechten, der Prävention gewaltsamer Konflikte und der nachhaltigen Entwicklung unterordnet.


Sibylle Bauer ist Wissenschaftlerin am Institut für Europäische Studien der Freien Universität Brüssel

E-Mail:   abauer@ulb.ac.be
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