Redebeitrag von Barbara Heller für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2017 in Bremen

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

liebe Freundinnen und Freunde,

ich begrüße alle Anwesenden zur Kundgebung zum Antikriegstag 2017. Bundesweit finden um den 1. September mehr als 150 Veranstaltungen gegen den Krieg statt.

Zur heutigen Veranstaltung in Bremen haben eingeladen

  • der DGB (der Deutsche Gewerkschaftsbund) Bremen-Elbe-Weser
  • das Bremer Friedensforum
  • Arbeit und Leben, Bremen e.V.
  • der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt

Das Motto der heutigen Veranstaltung lautet: Offensive für Soziales! Nein zur Aufrüstung! Der Weserkurier vom 30.08.2017 schreibt passend zu unserem Thema: „Das Armutsrisiko ist in Bremen im Bundesvergleich nach wie vor am höchsten. Mehr als jeder fünfte (22,6 %) ist im Zwei-Städte-Staat von Armut bedroht.“ Gleichzeitig ist Bremen Rüstungshochburg. Nirgendwo sonst in der Bundesrepublik gibt es eine größere Dichte von Rüstungsbetrieben und von Beschäftigten in der Rüstungsindustrie. Offensichtlich trägt diese Tatsache aber nicht zum Wohlstand des Gemeinwesens bei. Die Gewinne bleiben bei den Eignern und Konzernen. In Bremen gibt es, im Vergleich mit anderen Großstädten, prozentual mit die meisten Millionäre. Gleichzeitig sind in dieser reichen Stadt so viele Menschen arm wie in keiner anderen Stadt in Deutschland.

Während bei uns im Land die nötigsten Mittel für Soziales fehlen, ist die Bundeswehr zur Zeit in 15 Auslandseinsätzen, und das, obwohl die überwältigende Mehrzahl der Bundesbürger*innen Auslandseinsätze ablehnt. Aber es soll noch schlimmer kommen: Die Verdopplung des Kriegsetats, die aggressiven Werbekampagnen der Bundeswehr um immer mehr Nachwuchs und die Kalte-Kriegs-Rhetorik gegen Russland, die immer mehr die öffentliche Meinung bestimmt, all' das geht in eine verhängnisvolle Richtung.

Gegen Russland nimmt die Drohkulisse immer dramatischere Formen an. Im Herbst werden wieder Zehntausende US-Soldaten an die russische Grenze verlegt. Der Aufmarsch passiert über Deutschland und mit deutscher Unterstützung. Mitte September wird in der Ostsee, also unmittelbar an den Grenzen Russlands ein NATO-Großmanöver stattfinden, unter Beteiligung von Finnland und Schweden, die formal immer noch nicht paktgebunden sind. Der schöne Traum von der Ostsee als einem „Meer des Friedens“ ist ausgeträumt, die Ostsee ist heute ein NATO-Binnenmeer. Die NATO, deren Haushalt mehr als 10mal so groß ist wie der Militärhaushalt von Russland, hat Russland fast vollständig umzingelt. Die USA haben weltweit fast 1000 Militärstützpunkte, die Russen haben etwa 10. Aber die öffentliche Meinung hat Russland als Aggressor ausgemacht. Fakten spielen da keine Rolle.

Das Völkerrecht wird nur zitiert, wenn es gegen Russland in Stellung gebracht werden kann. Was ist mit den Kriegen gegen Jugoslawien, gegen den Irak, gegen Libyen, gegen Syrien? In all' diesen Ländern wurde und wird das Völkerrecht gebrochen, und zwar vorrangig von den Nato-Staaten, von der sog. westlichen Wertegemeinschaft.

Es ist in den letzten Monaten vor allem im Zusammenhang mit Trump und den USA viel von fake-news die Rede gewesen. Ich denke, es ist an der Zeit auch die Sprachregelungen in unserem Land einer Verifizierung zu unterziehen, d.h. zu prüfen, wie es mit dem Wahrheitsgehalt der veröffentlichten Meinung aussieht. Wie ist es mit dem Völkerrecht? Wer hält sich daran und wer nicht? Gibt es doppelte Standards in der Bewertung von Krieg und Frieden? Wieso wird die Eroberung Aleppos als ein Massaker dargestellt und die Eroberung Mossuls als eine Befreiungstat? Ist es selbstverständlich, dass sich die Baltischen Staaten von Russland bedroht fühlen, Russland aber, umzingelt von Nato-Stützpunkten und zweimal von Deutschland zerstört, keinen Grund hat, sich bedroht zu fühlen? Wieso gibt es Sanktionen gegen Russland, aber keine Sanktionen gegen die Türkei, die nicht nur die Kurden im eigenen Land mit Tod und Zerstörung überzieht, sondern auch gegen Syrien Krieg führt und dort ganze Regionen besetzt hat und mit turkmenischer Bevölkerung besiedelt? Und was ist mit Saudi-Arabien, das weite Teile des Jemen zerstört hat, mit Hilfe deutscher Waffen einen Großteil der Infrastruktur zerstört hat, was zu Millionen von Hungernden und einer halben Million von Cholera-Kranken geführt hat?

„Wenn man die Großkopfigen reden hört, führens die Krieg nur aus Gottesfurcht und für alles, was gut und schön ist. Aber wenn man genauer hinsieht, sinds nicht so blöd, sondern führn die Krieg für Gewinn.“ Das lässt Bertolt Brecht die Mutter Courage sagen.

Also lasst uns genauer hinschauen: Es geht um Geld, Macht, Rohstoffe und Zugangswege. Um nichts anderes werden die aktuellen Kriege geführt. Selbst der Krieg gegen den IS erscheint in einem neuen Licht, seit wir wissen, dass unter Obama reihenweise dschihadistische Milizen in Syrien mit Waffen und Beratern aus den USA unterstützt wurden, um den gewählten Regierungschef Assad zu stürzen.

Der zentrale DGB-Aufruf zum 1. September 2017 ist überschrieben mit: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Glaubhaft bleibt diese Losung nur, wenn wir tatsächlich – wie der DGB-Aufruf schreibt – „mit all' unserer Kraft“ für diese Losung eintreten. Gewerkschaften, Friedensbewegung, Kirchen haben nicht verhindern können, dass Deutschland wieder Krieg führt. Die Bundeswehr „verteidigt“ Deutschland nicht nur am Hindukusch und in mehr als 10 anderen Ländern, die Bundesregierungen erlauben auch, dass von deutschem Boden aus Krieg geführt wird. Der US-Militärstützpunk Ramstein in Rheinlandpfalz ist das Drehkreuz für alle Drohneneinsätze im Mittleren und Nahen Osten. Tausende Zivilisten haben durch die US-Killerkommandos ihr Leben verloren.

Von Ramstein aus würde auch der Einsatz der auf deutschem Boden stationierten amerikanischen Atomwaffen befehligt. Was viele Menschen nicht wissen, (vermutlich) 20 Atomwaffen lagern in Büchel in der Eifel und sollen in den nächsten Jahren für Millionen Euro modernisiert werden. Auch Bundeswehrsoldaten üben mit deutschen Tornados im Rahmen der sog. Nuklearen Teilhabe den Einsatz von Atomwaffen. Auch das, aus unserer Sicht, ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht, gegen den Atomwaffensperrvertrag.

Wir verteilen hier heute vom Bremer Friedensforum den Aufruf : Für eine Politik der Vernunft! Aufrüstungsspirale stoppen - Frieden und Gerechtigkeit fördern! Der Aufruf wurde vom Forum Ziviler Friedensdienst e.V. initiiert und soll natürlich breite Unterstützung bekommen.

Vernunft ist dringend geboten! Unsere Erde ist in Not! Keine der Überlebensfragen der Menschheit ist in den letzten 25 Jahren auch nur im Ansatz gelöst worden. Im Gegenteil. Die Kriege nehmen ebenso zu wie der Terrorismus. Nie gab es so viele Flüchtlinge wie heute, vertrieben durch Kriege, durch Hunger und Durst, verursacht von Klimawandel und Freihandel. Weltweit geht die Schere zwischen obszönem Reichtum und bitterster Armut immer weiter auseinander.

Gegen diese Zustände hat Bertolt Brecht sein Gegenlied geschrieben.

Soll das heißen, daß wir uns bescheiden
Und „so ist es und so bleibt es“ sagen sollen?

Und, die Becher sehend, lieber Dürste leiden
Nach den leeren greifen sollen, nicht den vollen?

Soll das heißen, daß wir draußen bleiben
Ungeladen in der Kälte sitzen müssen
Weil da große Herrn geruhn, uns vorzuschreiben
Was da zukommt uns an Leiden und Genüssen?

Besser scheint 's uns doch, aufzubegehren
Und auf keine kleinste Freude zu verzichten
Und die Leidenstifter kräftig abzuwehren
Und die Welt uns endlich häuslich einzurichten!

 

Barbara Heller ist aktive beim Bremer Friedensforum.