Redebeitrag von Thomas Meinhardt (Pax Christi) für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2017 in Frankfurt

 

- Es gilt das gesprochene Wort ->
- Sperrfrist: 1.9., Redebeginn: ca. 17 Uhr -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich spreche zu Euch als ehrenamtlicher Vorsitzender der katholischen Friedensbewegung pax christi im Bistum Limburg und für die „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“. Die Aktion Aufschrei ist ein großes zivilgesellschaftliches Bündnis aus über 100 Organisationen aus der bundesdeutschen Friedensbewegung, und zahlreichen gesellschaftlichen und kirchlichen Verbänden.

Der 1. September 1939, der sich heute zum 78. Mal jährt, ist für uns Mahnung alles dafür zu tun, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgeht.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben in §§ 26 (1) deshalb formuliert: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, … sind verfassungswidrig.“ Und in §§ 26 (2) heißt es dann: „Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden.“

Niemand dachte damals daran, dass Deutschland jemals wieder Waffen herstellen, geschweige denn exportieren würde.

Doch spätestens ab 1961 wurden diese Bestimmungen des GG durch zunehmende Waffenexporte immer mehr privatwirtschaftlichen und außenpolitischen Interessen geopfert. So war die Bundesrepublik Deutschland seit Ende der 70er Jahre durchgängig einer der 5. größten Rüstungsexporteure der Welt.

Um der Absicht des Grundgesetzes wieder Geltung zu verschaffen, fordert die Aktion Aufschrei deshalb eine Klarstellung des GG 26 (2): „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt ein Rüstungsexportgesetz.“

Diese Forderung zielt darauf ab der Intention des GG wieder Geltung zu verschaffen.

Mit den sog. „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Rüstungsgütern“, haben ab 1982 alle Bundesregierungen die Grundlage ihres Handelns selbst festgelegt. In den seit dem Jahr 2000 weitgehend unverändert geltenden Richtlinien heißt es beispielsweise: „Die Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungsland … wird bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen. In Bezug auf Exporte in Länder außerhalb der NATO heißt es dort: „Der Export von Kriegswaffen wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen … für eine ausnahmsweise Genehmigung sprechen.“

Würde die Bundesregierung diese selbstauferlegten Verpflichtungen einhalten, dann würden die Deutschen Waffenexporte vielleicht noch 40% der in den letzten Jahren genehmigten Rüstungsexporte ausmachen! Das ist aus unserer Sicht noch lange nicht ausreichend, wäre aber ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung.

Hier stellt sich die Frage, warum eigentlich alle Bundesregierungen der letzten drei Jahrzehnte immer wieder Politische Richtlinien beschlossen haben, die dann mit der Realität der eigenen Waffenexportpolitik überhaupt nichts zu tun haben. Denn: In den letzten Jahren gingen immer mehr als 50% aller deutschen Rüstungslieferungen an Länder außerhalb der NATO und der NATO gleichgestellte Staaten. Zusätzlich wurde auch noch an NATO-Staaten wie die Türkei Waffen exportiert, der selbst die Bundesregierung eine katastrophale Menschenrechtspolitik bescheinigt.

Wir fordern deshalb als Ausführungsgesetz zum Grundgesetz ein einheitliches und restriktives Rüstungsexportkontrollgesetz, dessen Einhaltung auch gerichtlich einklagbar ist.

Warum ist es wichtig, auch kleine Schritte hin zu einem Rüstungsexportverbot zu fordern?

Weil damit Menschenleben gerettet werden können! Alle derzeitigen Kriege mit ihren unzähligen Opfern können nur so geführt werden, weil die USA, Russland, die EU-Staaten und China sie mit ihren Waffenlieferungen am Laufen halten. Diese Staaten sind für weit mehr als 90 % des weltweiten Waffenhandels verantwortlich und Deutschland ist immer unter den TOP 5 dabei!

Rüstungsexporte sind der Treibstoff der Kriege und innerstaatlichen gewalttätigen Auseinandersetzungen. Und Kriege und Bürgerkriege wiederum sind eine der zentralen Ursachen für Flucht und Vertreibung von Millionen von Menschen. Das gilt ganz besonders für den sogenannten Krisenbogen von Afghanistan bis Marokko, aber auch für die Länder in der Sahelzone, in Ost- und Zentralafrika. Und fast überall sind auch deutsche Waffen im Einsatz.

Ein besonders perfides Beispiel sind die immer noch anhaltenden Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar. Alles Staaten mit autoritären Regimen und katastrophaler Menschenrechtslage. Sie fördere islamistischer Terrorgruppen und, sie führen seit 2015 einen verheerenden Krieg im Jemen. Die reichsten Staaten im Nahen Osten bombardieren die Bevölkerung des ärmsten Landes der Region mit der Folge, dass mittlerweile 2/3 der jemenitischen Bevölkerung hungert. Tausende Zivilisten wurden vor allem durch saudische Luftangriffe getötet, ca. 2,5 Millionen Menschen irren als Binnenflüchtlinge im Land umher. Die UN spricht von einer der größten humanitären Katastrophen der Gegenwart.

Und für das saudische Regime, das hauptverantwortlich für diese humanitäre Katastrophe ist, werden bis in diese Tage weiterhin Rüstungslieferungen genehmigt. So werden u.a. die Lieferung weiterer Patrouillenboote genehmigt, die dazu genutzt werden können, die bestehende Seeblockade zu intensivieren und damit auch die Lieferung von Nahrungsmitteln und Medikamenten an die jemenitische Bevölkerung zu verhindern.

Wenn die Bundesregierung wirklich etwas gegen die Fluchtursachen unternehmen will, dann müsste sie neben einer anderen Wirtschaftspolitik vor allem ihre Rüstungslieferungen insbesondere in Krisen- und Konfliktregionen vollständig beenden. Und sie müsste bei unseren europäischen Partner für einen solchen Politikwechsel in der gesamten EU eintreten. Damit wäre der Waffenhandel noch nicht beendet, aber die ständigen Aufrüstungsspiralen würden gebremst.

Statt Soldaten und Waffen in Konfliktregionen zu schicken, könnte Europa durch partnerschaftliche Wirtschaftspolitik und die massive Erhöhung der Mittel für zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung wirklich etwas für die Lösung von Konflikten, für den Aufbau von Demokratie und den Schutz der Menschenrechte tun. Das wäre eine Politik, die auch zur politischen und wirtschaftlichen Stärkung Europas beitragen würde.

Der Weg für den hier skizzierten Politikwechsel scheint vielen weit und unendlich mühsam. Doch wir haben in den letzten sechs Jahren schon einiges erreicht:

  • Die Transparenz und damit auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung über Rüstungsexporte hat sich erheblich verbessert.
  • Einzelne große und folgenreiche Rüstungsexportvorhaben wie der Export von Leopard II-Panzern nach Saudi-Arabien konnten verhindert werden.
  • Heckler und Koch, die Firma, die in Deutschland für die weitaus meisten Opfer – seit 1945 wohl um die 1,5 Millionen Tote – verantwortlich ist, hat sich dem massiven und jahrzehntelangen öffentlichen Druck jetzt gebeugt. Sie hat auf ihrer diesjährigen Hauptversammlung öffentlich erklärt, Waffen ausschließlich nur noch in NATO-, NATO-assozierte- und EU-Staaten zu liefern. Zusätzlich sollen Waffenlieferung auch nach einem Demokratieindex, einem Korruptionsindex und unter Beachtung von Menschenrechtsfragen beurteilt werden. Somit würden zukünftig nicht nur Saudi-Arabien und der gesamte Nahe und Mittlere Osten sondern auch das NATO-Land Türkei nicht mehr beliefert. Diese Entwicklung ist ein deutlicher Beleg dafür: Das Engagement von unten und der Aufbau zivilgesellschaftlichen Drucks können substantielle Veränderungen bewirken!
  • Die intensive gesellschaftliche Debatte und die überwältigende Ablehnung der Bevölkerung gegenüber den Waffenexporten haben auch zu einer Veränderung der Positionen einiger Parteien geführt. Die Linkspartei teilt unsere Forderungen faktisch vollständig. Aber auch die Grünen und zuletzt die SPD nähern sich beispielsweise mit der Forderung nach einem einheitlichen, restriktiven Rüstungsexportgesetz unseren Positionen an.

Dennoch: Der Weg zu einem Verbot von Rüstungsexporten ist noch lang und auch Rückschritte sind nicht ausgeschlossen. Doch das breite gesellschaftliche Bündnis in der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ hat in den letzten Jahren schon einiges bewegt. Nun sollten wir dranbleiben, informieren, protestieren und die Täter beim Namen nennen.

Das sind wir besonders den vielen Menschen in den Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten schuldig, deren Lebens- und Überlebenschancen auch ein Stück weit davon abhängig sind, das wir den Kampf für ein Verbot des Waffenhandels und für zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung fortsetzen.

 

Thomas Meinhardt ist Vorsitzender von pax christi im Bistum Limburg und lebt in Idstein.